GPS-Tracking als Methode zur partizipativen Analyse des Raumnutzungsverhaltens

Erfahrungen aus dem Projekt „Obdachlose Menschen im Sozialraum“

Nora Sellner, Guido Heuel, Werner Schönig

1. Einleitung: Grundfragen der Raumnutzung – speziell bei Obdachlosigkeit

[1]

Die Analyse des Nutzungsverhaltens von Personengruppen im Sozialraum ist eine bewährte Methode der Sozialraumanalyse. Hierzu kann das GPS-Tracking eingesetzt werden, wenn die technischen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Mit Blick auf obdachlose Menschen fehlt es vor allem an partizipativ generierter Forschung in Bezug auf Menschen mit dem Lebensmittelpunkt Straße. Der Beitrag fokussiert die Erfahrungen zu der forschungsmethodischen Anwendung des GPS-Trackings in der Studie zum Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen – Grundfragen und besondere Aspekte der Corona-Pandemie am Beispiel Kölns [2] (Sellner et al. 2024a), welches eine partizipative Analyse zum Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen ermöglichte. Dabei wird das Vorgehen erläutert und empirische Exemplifizierungen zur Veranschaulichung der Analyse des Raumnutzungsverhaltens herangezogen. In diesem Zusammenhang werden die Herausforderungen, aber vielmehr noch die Chancen für die Wissensgenerierung durch die Methode deutlich.

1.1 Funktionsgruppen, ihr Raumnutzungsverhalten und Erhebungsmethoden

Menschen bewegen sich in ihrem Sozialraum nach typischen Mustern, die sich aus ihren Tätigkeiten ergeben. So folgen ältere und jüngere Menschen, Mütter oder Väter mit ihren Kindern und andere bei der Raumnutzung einer täglichen Bahn oder doch zumindest einem regelmäßigen Raumnutzungsschema. In der Praxis hat es sich bewährt, hierbei von Funktionsgruppen im Sozialraum auszugehen, also von Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen und Ansprüchen an den Sozialraum, die daher auch ein ähnliches Nutzungsmuster zeigen. Wichtige Unterscheidungskriterien dieser Nutzungsgruppen sind erstens ‚objektive‘ Merkmale wie Alter, Geschlecht und sozialökonomischer Status. Anhand dieser wird sichtbar, dass einige Gruppen im Sozialraum besonders mobil sind (insbesondere Menschen mittleren Alters und mit hohem sozialökonomischem Status) und andere nicht (insbesondere kleine Kinder und immobile Menschen). Hinzu kommen zweitens ‚subjektive‘ Präferenzen der Raumnutzung, die sich daran zeigen, dass sich einige Menschen gerne auf täglichen festen Bahnen bewegen (vor allem dann, wenn diese zeitsparend sind), während andere die Abwechslung bevorzugen und häufiger unterschiedliche Wege nutzen (die dann einen höheren Aufwand mit sich bringen) (Schönig 2020, 120 ff.).

Der Sozialraum ist nicht ausschließlich als physische Gegebenheit zu verstehen, sondern wird maßgeblich durch die Handlungsmöglichkeiten der Individuen geprägt (Kessl/Reutlinger 2010, 25; Gillich 2010, 19). Dies verweist auf eine spezifische Form der Aneignung, die insbesondere in pädagogischen Kontexten untersucht wird. Hierbei kann die Aneignung des Sozialraums als ein Prozess verstanden werden, der durch die Nutzung und Gestaltung des Raums vollzogen wird. Dabei entsteht eine wechselseitige Dynamik zwischen Individuen, Institutionen und strukturellen Rahmenbedingungen, die in unterschiedlichem Maße kreativ ausgestaltet sein kann (Löw 2001, 54). Raum-Nutzungskonflikte und Verdrängungsprozesse sind somit Ausdruck von Aneignungsbestrebungen sowohl im öffentlichen Raum als auch in Fragen der sozialen Segregation. Jugendliche und junge Familien, alte Menschen und Yuppie-Paare, einkaufende oder erholungssuchende Mittelschichtsangehörige sowie obdachlose und konsumierende Menschen, Fahhradfahrer:innen und Autofahrer:innen, Menschen mit Behinderungen und viele andere Nutzungsgruppen – sie alle nutzen nicht nur den Sozialraum nach ihren Bedürfnissen, sondern sie eignen sich den Raum durch ihr Nutzungsverhalten an, sei es bewusst oder unbewusst. Raumnutzung ist daher immer auch Raumaneignung; Raumaneignung wiederum kann Vertreibung bedeuten, ist daher konfliktbehaftet und vor allem hierdurch im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Der Sozialraum ist in diesem Sinne immer auch ein relationaler Sozialraum, da er Menschen untereinander in Beziehung setzt. Diese Beziehungen sind potential konfliktär, insbesondere dann, wenn das Spacing (d. h. die aktive Raumnutzung und Rauminanspruchnahme) in Beziehung zu marginalisierten Gruppen stattfindet.

Angesichts dieser Bedeutung des Raumnutzungsverhaltens sind seit den 1930er Jahren – erinnert sei klassisch an die ‚Arbeitslosen von Marienthal‘ – verschiedene Befragungs- und Beobachtungsmethoden entwickelt worden. Für die sozialraumorientierte Soziale Arbeit sind dies einerseits subjektive Kartierungen mittels der Nadelmethode und/oder durch Befragung von Gruppenangehörigen, die Auskunft über ihre täglichen Wege, ihre Wohlfühl- und Meideorte und Orte wichtiger Infrastruktur geben. Darüber hinaus können durch Beobachtung im Sozialraum (offen oder verdeckt), strukturierte Stadtteilrundgänge (mit und ohne Adressat:innen) oder Kreativangebote (Sozialraumfotographie und Videoprojekte) Informationen zum Raumnutzungsverhalten gewonnen werden. Idealerweise haben dabei einzelne Gruppen z.B. unterschiedliche Stadtteilkarten gezeichnet, unterschiedliche tägliche Wege eingetragen oder wurden zu immer gleichen Zeiten an denselben Orten angetroffen (Deinet 2009; Löw 2001). All dies zeigt, wann und wie der Sozialraum von wem mit welchem Ziel genutzt wird, wo also auch Verbesserungsbedarfe und Nutzungskonflikte vorhanden sind, die dann – idealerweise – durch die sozialraumorientierte Soziale Arbeit aufgegriffen und bearbeitet werden können.

1.2 Forschungsstand zum Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen

Die Untersuchung des Raumnutzungsverhaltens obdachloser Menschen aus deren eigenen Perspektive ist für die Wissenschaft Sozialer Arbeit sowie für die Praxis der Wohnungslosenhilfe, von großer Bedeutung. Trotz dieser Relevanz wurde das Thema im wissenschaftlichen Diskurs bislang nur vereinzelt behandelt, überwiegend aus internationalen und disziplinfremden Perspektiven wie der Geografie, Soziologie oder Medizin. Insbesondere die methodische Kombination von GPS-Tracking, Autofotografie und leitfadengestützten Interviews zur Analyse der Raumnutzung obdachloser Menschen ist bislang nur in wenigen internationalen Studien dokumentiert. Die wenigen bekannten Studien, die in methodisch-konzeptioneller Art, in einer vergleichbaren Weise im Forschungsprozess vorgegangen sind, um sich mit dem Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen auseinanderzusetzen, werden im Folgenden angeführt.

Ein Beispiel für eine solche Untersuchung ist die Studie der Stadt Odense, die als erste GPS-Tracking zur Erfassung der Bedarfe und Gewohnheiten obdachloser Menschen einsetzte. Ziel dieser Studie war es, auf Basis der gewonnenen Daten gezielt Unterstützungsangebote zu optimieren. Die Teilnehmer:innen wurden für eine Woche mit GPS-Trackinggeräten ausgestattet, um Informationen darüber zu gewinnen, an welchen Orten und zu welchen Zeiten Hilfsangebote besonders relevant wären (Busch-Geertsema 2015, 20).

Eine weitere relevante Untersuchung wurde von North et al. (2017) an der Universität Texas Southwestern Medical Center durchgeführt. Zwischen 2010 und 2011 wurden Tagesrouten obdachloser Menschen mittels GPS-Daten erfasst und mit narrativen Interviews kombiniert, die vor und nach der Datenerhebung stattfanden – jedoch ohne Einsicht der erhobenen GPS-Daten (North et al. 2017, 663). Die Studie reflektierte insbesondere methodische Herausforderungen: Einerseits zeigten sich Diskrepanzen zwischen den GPS-Daten und den subjektiven Angaben aus den Interviews. Andererseits erwies sich das GPS-Tracking als unzureichend, um die individuellen Bedeutungen der aufgezeichneten Wege und Aufenthaltsorte zu erfassen. Die Autor:innen schlussfolgerten, dass erst die Kombination beider Methoden eine fundierte Analyse der Raumnutzung obdachloser Menschen ermöglicht (North et al. 2017, 670).

Drittens, ist eine tschechische Pilotstudie aus der Geografie von Šimon et al. (2020) hervorzuheben. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden in Prag und Pilsen insgesamt 80 obdachlose Personen über eine Woche hinweg mittels GPS-Tracking begleitet. Die Studie kombinierte partizipative GPS-Kartografie mit qualitativen Methoden und ermöglichte neue Erkenntnisse über die Alltagsgestaltung und die damit verbundene alltägliche Mobilität obdachloser Menschen. Im Unterschied zur Studie von North et al. (2017) wurden hier Interviews durchgeführt, während die Teilnehmenden ihre individuellen GPS-Routen anhand von gedruckten Karten rekapitulierten. Die Studie unterstreicht die sozialpolitische Relevanz der Mobilitätsforschung im Kontext von Wohnungslosigkeit und liefert Erkenntnisse für die Weiterentwicklung lokaler Hilfesysteme (Šimon et al. 2020, 1411). Zusätzlich zu diesen empirischen Studien, die GPS-Trackings einsetzten existieren weitere wissenschaftliche Beiträge aus der Stadt- und Raumsoziologie (Protschky 2023) und der Geographie Bourlessas (2018), die sich mit dem Zusammenhang von Wohnungslosigkeit, Raum und Mobilität befassen.

Es kann konstatiert werden, dass trotz erster internationaler Studien zur Mobilität und Raumnutzung obdachloser Menschen durch den Einsatz von GPS-Trackings, die Erfahrungen aus dem Projekt zum Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen, in Deutschland und insbesondere in der Disziplin der Sozialen Arbeit ein Novum darstellen. Insbesondere aufgrund der verstärkten Berücksichtigung, die Perspektiven der Erfahrungsexpert:innen einzubeziehen, scheint die GPS-Trackingmethode ein geeignetes Verfahren zu sein, welches im Folgenden am Beispiel der Studie zum Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen vorgestellt werden soll.

2. GPS-Tracking als Methode zur partizipativen Analyse des Raumnutzungsverhaltens

2.1 Partizipative Forschung im Kontext von Obdachlosigkeit

Nicht nur in der Sozialen Arbeit empfiehlt sich ein partizipativer Forschungsansatz, sondern insbesondere im Kontakt und Interesse sozial exkludierter Menschen (Kronauer 2010), wie beispielsweise obdachloser Personen (Sellner 2022, 51 ff.). Hier kann die lebensweltliche Distanz zwischen Forscher:innen und Beforschten besonders groß sein, weshalb die Menschen als Erfahrungsexpert:innen nicht nur Forschungsobjekte, sondern Teil des Forschungsprozesses sein sollten. Dies gilt vom Design bis zur Auswertung und Präsentation. Der vorliegende Beitrag erläutert das partizipative Vorgehen im Forschungsprojekt zum Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen [3] und reflektiert dieses kritisch (bspw. konnten nicht in allen Phasen stets Erfahrungsexpert:innen mit einbezogen werden). Insbesondere wird das partizipative Vorgehen im empirischen Forschungsprozess mit Fokus auf das GPS-Tracking beschrieben, um auf Basis dieser Erfahrungen im Projekt sowohl die Grenzen und Herausforderungen als auch die Chancen aufzuzeigen. [4] Die Partizipationsforschung zeichnet sich durch eine Vielfalt der partizipativen Forschungsansätze aus (Unger 2014: V). Partizipative Forschung ist kein einheitliches, vorgegebenes Verfahren mit einem fortlaufenden aneinander anschließenden Methodenset, sondern eher ein „Forschungsstil“ (Bergold/Thomas 2012, 2) und eine Forschungshaltung: Hier begegnen sich Akteur:innen und Forscher:innen als gleichgestellte und -berechtigte Partner:innen im Forschungsprozess, denn es geht im Prozess um die partnerschaftliche Zusammenarbeit, die kollegial, offen und ehrlich und mit weitreichenden positiven Folgen gestaltet wird:

„In der Konsequenz bedeutet dies, dass sich Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen aus der Konvergenz zweier Perspektiven, d. h. vonseiten der Wissenschaft und der Praxis, entwickeln. Der Forschungsprozess wird im besten Falle zum Gewinn für beide Seiten.“ (Bergold/Thomas 2012, 2)

Auch beim Thema der Wohnungs- und Obdachlosigkeit stehen Akteur:innen und Forscher:innen in einem (engen) Austausch und bereichern einander. Es geht dabei um das gemeinsame Forschungsvorgehen, Verstehen, Betrachten, Reflektieren, um möglichst ein gemeinsames Ergebnis hervorbringen zu können, das für beide Seiten Veränderungsprozesse anregt. Im Feld der Wohnungs- und Obdachlosigkeit wurden partizipative Ansätze bereits in verschiedenen Forschungsprojekten erfolgreich realisiert und deren Relevanz hervorgehoben (siehe u. a. Gerull 2018a, 2018b; Gille et al. 2024). Partizipative Forschungsansätze haben im Kontext von Wohnungs- und Obdachlosigkeit eine besondere Bedeutung, da die Menschen aufgrund von sozialer Exklusion (Kronauer 2010), alltäglich mit dem „Problem der Teilhabe an (bzw. des Ausschlusses von) den gesellschaftlich realisierten Möglichkeiten des Lebensstandards, der politischen Einflussnahme und der sozialen Anerkennung“ (Kronauer 2010, 13) konfrontiert sind. Diese Ausschlussverhältnisse sind in Forschungsprozessen nicht weiter zu reproduzieren, sondern sind auch im Sinne der Mandatierungen Sozialer Arbeit (Staub-Bernasconi 2017) eng verzahnt mit dem Handlungskonzept des Empowerments (Herriger 2020) aufzulösen. So kann partizipative Forschung, die sich demnach stets auch an Politik und Zivilgesellschaft richten sollte, politische Teilhabemöglichkeiten und Räume sozialer Anerkennung für die einzelnen Beteiligten, sowie auch stellvertretend für die Gruppe initiieren. Gerull formuliert in diesem Zusammenhang für die Praxis der Wohnungslosenhilfe: „Partizipation ist ein Recht der Nutzerinnen, keine Pflicht. Partizipation ist eine Pflicht der Wohnungslosenhilfe und keine Kür.“ (Gerull 2018a, 142). Im hier vorgestellten Projekt haben wir im Rahmen der Möglichkeiten in mehrfacher Hinsicht versucht, dieser Verpflichtung auch in der Forschung nachzukommen.

2.2 Partizipative Erforschung des Raumnutzungsverhaltens obdachloser Menschen

Im Forschungsprojekt wurde mit einer partizipativ ausgerichteten Grundhaltung eine Methodentriangulation realisiert: Gemeinsame Erarbeitung einer Stadtkarte zu den Angeboten für obdachlose Menschen im Kölner Stadtgebiet, eine quantitative Befragung von obdachlosen Personen (165 Fragebögen) und ein 7-Tage-GPS-Tracking, inklusive Autofotografie (Deinet/Krisch 2009; von Spiegel 1997, 191) mit 10 obdachlosen Personen kombiniert mit anschließenden leitfadengestützten und offenen Interviews über das jeweils erhobene Material. Dabei wurden sowohl in der quantitativen als auch in der qualitativen Datenerhebung ein Facility-Based-Sampling (Hoops et al. 2013) angewandt. Im Einzelnen haben wir fünf partizipative Schritte durchgeführt:

Partizipative Forschungsschritte im Projekt Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen

Abbildung 1: Partizipative Forschungsschritte im Projekt Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen (eigene Darstellung)

Der besondere Wert und die besondere Schwierigkeit unseres partizipativen Forschungsansatzes lag darin begründet, dass wir mit Menschen ein Forschungsvorhaben durchführten, in deren Lebenswelt wir uns als Forschende kaum aufhalten und bewegen. Unser Forschungsprozess war insofern ‚agil‘, dass alle Beteiligten durch die Rückkopplung und die Betrachtung der Teildaten, der ersten Ergebnisse und des Schlussberichts eine Möglichkeit der Reflexion und Interpretation von Situationen und Routinen, der Nutzung und (Nicht-)Nutzung im Kontext von Obdachlosigkeit erhielten. Die drei relevanten Gruppen waren dabei:

  1. obdachlose Menschen im Kölner Stadtgebiet,
  2. Interessenvertreter:innen und Leitungsverantwortliche der Hilfeanbieter:innen (und Leistungsträger:innen) für obdachlose Menschen (in Köln),
  3. Mitarbeiter:innen der Einrichtungen und Angebote der Wohnungsnotfallhilfe in Köln (Träger:innen der Freien Wohlfahrtspflege und der Stadt Köln).

Schritt 1:Hybrider Auftaktworkshop – Vorstellung und Diskussion zum geplanten Forschungsvorgehen

In einer Auftaktveranstaltung mit Akteur:innen aus den oben genannten Gruppen zwei und drei, sowie Wissenschaftler:innen aus dem Feld und ministerialen Vertreter:innen, wurde das Forschungsvorhaben vorgestellt und gemeinsam mit den 22 Expert:innen in einem hybriden Workshopformat kritisch diskutiert. Die eingeladenen (ehemals) obdachlosen Personen sagten entgegen der zuvor vorausgehenden Zusage am Tag der Veranstaltung ab. Bei der Auftaktveranstaltung wurde der erste Entwurf des Fragebogens diskutiert, die wichtigen Rückmeldungen zur Verbesserung aufgenommen und die quantitative Datenerhebung über die Einrichtungen und Dienste abgestimmt. In einem weiterführenden Schritt wurden Grundgedanken zur Konzeption für die Kölner Stadtkarte beraten, in der die Angebotsstrukturen für obdachlose Menschen abgebildet werden sollten. Daran anschließend erörterten wir das Trackingverfahren. Neben den technischen Details, der Vorstellung der Trackinggeräte, der Diskussion möglicher ethischer Bedenken und dem angedachten Vorgehen, überlegten wir mit den Expert:innen, wie das Prozedere der Kontaktaufnahme mit potenziellen Teilnehmer:innen der Studie durchzuführen sei.

Schritt 2: Weitere Bearbeitung und Erstellung von Fragebogen und Stadtkarte in einem Kleinteam mit der Praxis

In der zweiten Reflexionsrunde betrachteten wir mit einer erfahrenen Sozialarbeiterin der Wohnungslosenhilfe den nach der Auftaktveranstaltung revidierten Fragebogen zum Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen erneut und arbeiteten in dem Zusammenhang weitere Rückmeldungen in den Fragebogen ein. Anknüpfend wurde mit Hinweisen der Praktikerin der erste Entwurf und die weiteren Ideen zur Stadtkarte zu den Angebotsstrukturen für obdachlose Menschen in einer Stadtkarte von Köln diskutiert. Hierbei wurden auch Details von Zusatzinformationen in der Karte besprochen: Was ist für die Personen, die obdachlos sind relevant, welche Clusterung der Themen erscheint sinnvoll und welche Symbole zu den Angeboten sollen eingesetzt werden. Somit erfolgte die Datengenerierung für die Stadtkarte neben der intensiven Recherche seitens des Forscher:innenteams durch die Beteiligung der Praxis.

Eine finale Reflexionsrunde zum Kartenentwurf mit anschließender Überarbeitung der Stadtkarte erfolgte in einem Arbeitskreis der Obdachlosenhilfe für ambulante und aufsuchende Hilfen. Damit die Stadtkarte zu den Angeboten für obdachlose Menschen nicht nur digital zur Verfügung stehen sollte wurde zusätzlich noch ein erfolgreicher Antrag auf Übernahme der Druckkosten über die Stadt Köln gestellt. Die gedruckten Stadtkarten konnten abschließend an die Einrichtungen und Dienste in Köln verteilt werden, was eine niedrigschwellige Nutzung der Karte sowohl für obdachlose Menschen als auch für die Praxis ermöglichte (siehe dazu die Karte in Sellner et al. 2024a, 34 ff.).

Schritt 3: Erhebung der Daten – Facility-Based-Sampling

Die qualitative und quantitative Datenerhebung erfolgte im Sinne des Facility-Based-Samplings, in enger Zusammenarbeit mit den Sozialarbeiter:innen unterschiedlicher Einrichtungen und Dienste vor Ort. Der Zugang zu den obdachlosen Personen (hard-to-reach) konnte durch die vertrauensvolle Unterstützung und erfolgreiche Ansprache der Sozialarbeiter:innen gelingen, was maßgeblich zum Projekterfolg beitrug. Die Fragebögen wurden über elf unterschiedliche Einrichtungen und Dienste der Wohnungslosen-, Obdachlosen- und Suchthilfe erhoben und uns anschließend für die Auswertung zur Verfügung gestellt.

Schritt 4: Partizipative Analyse der GPS-Trackingdaten und Autofotografie

(1)    Mit den obdachlosen Menschen

Wurden bislang die Schritte 1 bis 3 unseres Vorgehens skizziert, so wird nun der vierte Schritt – die partizipative Analyse der Trackingdaten – ausführlicher erläutert. Hierbei steht die im Interview erfolgte gemeinsame Auswertung mit den obdachlosen Menschen zu ihrem jeweiligen Wochen-Track im Mittelpunkt. Die Betrachtung von Mobilitätsspuren, die für das Raumnutzungsverhalten erforderlich sind, beanspruchte eine Kombination von Methoden. In dem hier partizipativen Ansatz zum Nachvollziehen des täglichen Lebenswegs geht es um die eindimensionale räumlich-metrische Fixierung von zurückgelegten Wegen, die sich durch das Zusammenwirken des Ortes, dem sich dort aufhaltenden Individuums und die dadurch erzeugten Handlungsoptionen (Bewegung, soziale Interaktion, usw.) ausbilden (Deinet 2009; Löw 2001). Um die räumlich-metrische Fixierung unkompliziert zu erfassen, entschied sich das Forscher:innenteam für die Methodik des GPS-Trackings. Die Vorteile des GPS-Trackings sind die Möglichkeiten der detaillierten Aufzeichnung des individuellen räumlichen und zeitlichen Raumnutzungsverhaltens. Der Nachteil ist in der sehr intimen Darstellung des Bewegungsmusters, der Limitierung der Aufzeichnungen durch die Speicherkapazität und der Stromversorgung zu sehen. Folgender innovativer Prozess der partizipativen GPS-Tracking-, Autofotografie- und Interviewmethode wurde angewandt:

Prozess der partizipativen GPS-Tracking-, Autofotografie- und Interviewmethode

Abbildung 2: Prozess der partizipativen GPS-Tracking-, Autofotografie- und Interviewmethode (eigene Darstellung)

Insgesamt konnten zehn obdachlose Personen gewonnen werden, die für sieben Tage das Trackinggerät (Garmin GPSMASP 66SR) mit sich führten und den gesamten Prozess durchliefen. Die Auswahl der Teilnehmer:innen erfolgte über die Sozialarbeiter:innen und geschah demnach relativ offen. Von unserer Seite gab es drei Auswahlkriterien: Eine möglichst breite Aufstellung der Geschlechterverhältnisse, die Altersgruppe sollte eine Streuung aufweisen und die Teilnehmer:innen sollten möglichst verlässlich sein, damit wir den Rücklauf der GPS-Geräte kalkulieren und die Terminierung der Interviews planen konnten. Insgesamt nahmen an der Untersuchung vier weibliche Teilnehmerinnen, fünf männliche und ein:eine diverse Person teil. Die Altersverteilung war zwischen 22 und 55 Jahren. Annähernd alle Teilnehmer:innen gaben ihre Geräte zu dem vereinbarten Zeitraum wieder ab und erschienen zu dem Interviewtermin pünktlich. Nur bei einem Teilnehmer gab es eine geringfügige Terminkorrektur.

Nachdem mögliche Teilnehmer:innen akquiriert wurden, trafen wir die Personen zu einem persönlichen Gespräch, zur Aufklärung sowie letztlich zur Übergabe des Trackinggeräts und einer Einwegkamera. Die Aushändigung der Einwegkamera war mit der Bitte verbunden, wegweisende und für sie besonders relevante Orte zu dokumentieren. Auf diese Weise sollte neben den GPS-Trackingdaten eine Dokumentationsgrundlage für die Interviews und die letztliche Rekonstruktion des Raumnutzungsverhaltens sichergestellt werden. Zugleich wurde mit der Autofotografie das Ziel verfolgt einen weiteren Zugang zur Lebens- und Alltagswelt der Menschen zu erhalten. Bei dem Übergabegespräch wurde die Einverständnis- und Datenschutzerklärung intensiv besprochen und eine schriftliche Zustimmung eingeholt. Für die Teilnahme am gesamten Prozess erhielten die Personen eine Aufwandsentschädigung von 100 Euro. Die Teilnehmer:innen wurden gebeten, die vorgenommenen Einstellungen des GPS-Geräts (sog. Expeditionsmodus als Aufzeichnungsmodus) nicht zu verstellen. Der Expeditionsmodus erlaubt es, dass das GPS-Gerät permanent aufzeichnet, jedoch sich in einer Art Ruhe-Modus befindet, der beim mit sich tragen des Geräts nicht einfach verstellt werden kann und dadurch keinen starken Akkuverbrauch hat. Nur durch diesen speziellen Expeditionsmodus war eine 7-Tage-Trackingwoche möglich.  Am Tag der Rückgabe des GPS-Geräts, vereinbarten wir mit der:dem jeweiligen Teilnehmer:in einen Termin zur gemeinsamen Analyse der Daten.

Im Anschluss an die jeweilige Aufzeichnung, der Übertragung der GPS-Daten, sowie dem Entwickeln der Fotos fanden die Interviews statt. Diese wurden aufgezeichnet und transkribiert. Wir konnten den täglichen Lebensweg gemeinsam auf einer Karte visualisiert anhand der Trackingdaten auf unseren Laptops in einem dafür vorgesehenen Programm von Garmin und der Fotografien betrachten und bei einem leitfadengestützten, offen angelegten Interview besprechen und rekonstruieren. Das Programm erlaubte uns zwei unbewegte Sichtweisen auf die Daten. Erstens konnten alle Daten und somit das Sieben-Tage-Tracking gesammelt betrachtet werden. Dabei ergab sich eine Überlagerung der Routen und Wege, die sowohl eine Art Datensalat als auch die sich wiederholenden Wege und Ausreißer im Wochenverlauf zeigten. Zweitens war es mit dem Programm möglich, die Trackingdaten in verschiedenen Zeitspannen anzeigen zu lassen, sodass wir für jeden einzelnen Tracking-Tag eine Karte zeigen konnten und damit den sogenannten Datensalat auflösen konnten. Die Teilnehmer:innen wurden daher dazu angeregt ihre Woche Tag für Tag zu rekapitulieren und uns zu erzählen, was sie, warum, wie getan und genutzt, oder eben auch nicht genutzt oder gemieden haben. Die offenen und leitfadengestützten Interviews konnten in guter, vertrauensvoller Atmosphäre an einem von ihnen selbst ausgewählten Ort durchgeführt werden. Alle entschieden sich das Interview in einem ihnen bekannten Angebot zu geben. Die Methode, des gemeinsamen Anschauens und Analysierens der erlebten Woche anhand der Trackingdaten und der Fotografien ermöglichte zum einen eine offene und niedrigschwellige Interviewsituation. Zum anderen zeigte die gemeinsame Analyse die alltägliche Lebensrealität und das damit in Verbindung stehende Bewältigungshandeln der Menschen. Die gemeinsame Rekonstruktion der Daten ermöglichte den Teilnehmer:innen, die GPS-Daten und die Fotografien im partizipativen Sinne selbst zu beschreiben und einzuordnen.

Das Visualisieren und Besprechen der GPS-Trackingdaten führte bei den Interviewpartner:innen zu:

Die angeführten Aspekte der partizipativen Interpretation der GPS-Trackings werden im Folgenden empirisch exemplifiziert. Eine allgemeine Selbstreflexion über die eigenen Wege und die Sichtbarkeit über das eigene alltägliche Handeln, die Ressourcen und die eigenen Aktivitäten zeigten sich für Clemens in seiner routinierten und zielorientierten Tagesstruktur:

„Das knubbelt sich. […] Also ich brauche nicht viel Platz in Köln. […] Das ist aber auch, wenn man relativ gut organisiert ist, dann ist das eben so, ja, dass man nur ganz bestimmte Stellen abläuft. Man sucht nicht, man hat feste Ziele, und genau das spiegelt sich da ja auch wider.“ (Clemens, Z. 343 ff.)

Clemens sucht täglich immer wieder auf den gleichen Wegen, zwei Einrichtungen auf, um zu frühstücken, zu duschen, Mittag zu essen und sein Handy zu laden und übernachtet stets an seinem Schlaf- und Zeltplatz auf einem privaten Gelände.

Clemens gesamtes 7-Tage-GPS-Tracking

Abb. 3: Clemens gesamtes 7-Tage-GPS-Tracking (Quelle: Sellner et al. 2024b, 22)

Auch Hans reflektiert für sich zusammenfassend: „Ich habe insofern eine klare Struktur“ (Hans, Z. 1114). Er vollzieht täglich die gleichen Abläufe, die ihn immer wieder die gleichen Wege gehen lassen, um seinen Ort zum Zeitungsverkauf aufzusuchen, Flaschen zu sammeln oder wegzubringen, ehrenamtliche Essensausgaben, ein seelsorgerisches Angebot oder seinen Schlafplatz in der Winterhilfe aufzusuchen.

Hans gesamtes 7-Tage-GPS-Tracking

Abb. 4: Hans gesamtes 7-Tage-GPS-Tracking (Quelle: Sellner et al. 2024a, 142)

Es zeigt sich sehr deutlich, dass über die Visualisierung der Trackingdaten und die eigene Rekapitulation des Alltags innerhalb der getrackten sieben Tage, eigene Ressourcen erkannt werden. Dabei erfolgten ein generelles Erleben und eine Sichtbarkeit von eigener Strukturiertheit, Kompetenzen des alltäglichen Planens, Organisierens, sowie stets auf den Beinen zu sein, um seine individuellen Orte zur Bedürfnisbefriedigung aufzusuchen. Die Teilnehmer:innen bewegen sich strukturiert, mit Plan und Ziel im urbanen Raum und können dies für sich in der Rekapitulation erkennen. Neben der zusammenfassenden Reflexion werden die einzelnen Ressourcen sichtbar, die alltäglich genutzt werden, wie bspw. Anton für sich erkennt, dass er sich oft in der Bibliothek aufhält, um sich zu informieren und auszuruhen. „Also, wie gesagt, viel hier in der Stadtbibliothek, ja. Das ist eigentlich so die beste Möglichkeit“ (Anton, Z. 404), oder auch seinen Morgen stets am gleichen Ort beginnt, um seinen Bedürfnissen nachzugehen: „[D]as ist die erste Anlaufstelle am Tag. Duschen und einen Kaffee trinken“ (Anton, Z. 151f.).

Auch Emilia erkennt ihre täglichen Lauf- und Bewegungsbahnen in der Stadt. Geht aber noch einen Schritt weiter in der eigenen Rekapitulation, indem sie ihr eigenes Verhalten hinterfragt und ihre täglichen Routinen, die stark mit ihrem Konsum verknüpft sind fokussiert:

„Emilia: Ist immer ein und dasselbe. […] Immer ein und derselbe Gang. […] Ich weiß nicht, ich mache irgendwie jeden Tag dasselbe […] das schockiert mich gerade richtig. […] Ja, das schockiert mich jetzt, dass ich jeden Tag dasselbe mache. Das fällt mir schon gar nicht mehr auf, sowas. Ach, du, Scheiße.

IF: Und welche – Warum machen Sie welche Wege? Gibt es da Strukturen?

Emilia: Ich bin THC-süchtig.

IF: Okay. Ja, das zeigt sich da jetzt, oder?

Emilia: Das zeigt sich da jetzt aber richtig, aber – Oh, nein... Das zeigt sich jetzt richtig,

dass ich – Ah, du meine Güte.

IF: Manchmal ist das, wenn man die Sachen visualisiert, sieht man das erst.

Emilia: Da denkt man erst mal darüber nach. Ja, ich muss echt was ändern. […] Ich

muss echt was ändern […]

IF: Okay. Ja. […] Aber eigentlich bewegen Sie sich die ganze Zeit in ähnlichen

Emilia: Im Kreis […] Immer im Kreis sozusagen. Boah, echt, das ist traurig, das so zu – Ich sehe das in meinen Augen traurig jetzt. […] Da muss was geändert werden. Ich weiß, das ist nicht lustig.“ (Emilia, Z. 1009 ff.)

Emilia thematisiert in dieser Sequenz, dass sie jeden Tag immer wieder (die gleichen) Orte aufsucht, um Geld zu beschaffen, THC zu kaufen und letztlich zu konsumieren. Im Rahmen der Rekapitulation anhand der Visualisierung des GPS-Trackings lassen sich zwei Perspektiven herausarbeiten: Erstens reflektiert Emilia für sich, dass ihr Alltag und Raumnutzungsverhalten von ihrem Konsum geleitet wird und stellt dies kritisch infrage. Durch die GPS-Methode erkannte sie dabei für sich selbst, was sie ändern möchte, und wurde nicht mit ‚erhobenem Zeigefinger‘ bspw. seitens einer beratenden Person darauf hingewiesen, dass sie konsumiert. Das empirische Beispiel könnte dafürstehen, dass erste Überlegungen zu Veränderungen und eine gewisse Eigenmotivation angeregt wurden. Zweitens wird deutlich, dass Emilia sich entsprechend des „Deutungsmusters ‚Sucht als Krankheit‘“ (Streck 2023, o.S.) [5], in ihrem Alltag als Abhängige versteht und keinen Blick für ihre weiteren Handlungen und Aktivitäten vorhält. Das Tracking zeigt neben dem Konsum, dass sie strukturiert ist, viele Wege auf sich nimmt, vernetzt ist, soziale Kontakte pflegt und soziale und gesundheitliche Angebote zur Unterstützung nutzt. Darüber hinaus ist die Frage nach dem subjektiven Sinn für den THC-Konsum nicht weiterführend geklärt. All diese Ressourcen werden in dem Moment von der Deutungshoheit ‚ich bin süchtig‘ ergo ‚ich bin krank und getrieben‘ überlagert. Anhand dieses Beispiels kann in methodischer Hinsicht für die Soziale Arbeit gefolgert werden, dass die gemeinsame Analyse der Tracking-Daten kritische Reflexionen über die eigene Alltagspraxis bei Adressat:innen anregen kann und Selbstdeutungen und -konzepte sichtbar werden. Würde man eine solche Methode in der Praxis anwenden, wäre es bei dem Beispiel relevant Emilia dahingehend zu unterstützen, für sich den Konsum nicht nur als Defizit zu betrachten, sondern auch die Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten neben dem Konsum oder auch den subjektiven Sinn des Konsums, gemeinsam durch Erzählungen, im Dialog zu erarbeiten und zu verstehen. Forschungspraktisch ist anhand dieses Beispiels noch hervorzuheben, dass beim Einsatz der GPS-Tracking-Methode für die Interviews Zeit eingeplant werden muss, um im Nachgang der Interviews die Menschen ggf. noch zu unterstützen, wenn die Reflexionen im Zuge der Rekapitulation des Alltags Grundfragen, Beschämungen, Irritationen oder sogar Krisen auslösen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es hier von Relevanz sein kann als Forscher:in ein Wissen über mögliche Hilfen zu verfügen, um dahingehend zu verweisen. Zusammenfassend können jedoch in der Rekapitulation und Selbstreflexion über die eigenen Wege im Alltag vor allem die eigenen Ressourcen für die Personen sichtbar werden, alltäglich das Leben auf der Straße zu bewältigen (Sellner 2022): „Ich suche dann andere Türen? Was gibt es alternativ? Also ich stecke nie den Kopf in den Sand“ (Hans, Z. 1270 ff.).

Die Rekapitulation anhand der Visualisierung kann auch zu einer Reflexion des Hilfesystems und einem Feststellen von Bedarfen führen, die sich bei Fabienne bspw. anhand ihres Tagesablaufs ergaben. Dieser ist tagsüber von langen Zeiten zu Fuß auf der Straße, ohne jegliche Ruheorte geprägt, da sie die Schließzeiten der Notschlafstelle in der sie nächtigte, überbrücken musste:

„Und es war kalt. Und man hätte gerne einen Kaffee getrunken, man hat auch nicht so das Geld dann gehabt. Das ist dann nicht so angenehm gewesen. Oder wenn man aufs Klo musste, das war sehr schwerwiegend, da musste man einhalten dann. Und das war nicht so schön. Hat man ja auch dann die Umstellung, man war ja fast 10 Stunden unterwegs, und der Darm hat auch da seine Probleme gezeigt mit Blähungen und all den Sachen. Also das war nicht so angenehm. Für allgemein, auch für Leute, die ein bisschen älter sind, ist das nicht gerade schön, sage ich mal, oder Menschen, die jetzt Erkrankungen haben. Ist nicht gerade angenehm.“ (Fabienne, Z. 837 ff.)

Fabienne richtet den Blick nicht nur auf sich in ihrer Lebenssituation auf der Straße, sondern erweitert ihn auf alle obdachlosen Personen, die vor allem zu Zeiten der Coronapandemie, mit einem zusätzlich erschwerten Zugang zu öffentlichen Toiletten konfrontiert waren.Die empirischen Beispiele verweisen auf eine Chance des innovativen methodischen Vorgehens, die sich im Rahmen des explorativen Forschungsprojektes herauskristallisierten. Zum Abschluss der Interviews wurden die Fotografien ergänzend zum GPS-Datenmaterial gemeinsam auf dem Laptop angeschaut. Die interviewte Person erzählte dabei, warum sie welche Fotos gemacht hat, welche Bedeutung sie den abgelichteten Orten zuschreibt und inwiefern ein Zusammenhang mit ihrem vorher rekapitulierten Alltag bestehe. In manchen Interviewsituationen wurden die Fotografien von den Interviewpartner:innen während der Rekapitulation der Trackingdaten herangezogen, um Inhalte anschaulicher vermitteln zu können. Dabei ergaben sich u.a. Fotografien von öffentlichen Plätzen, Schlafplätzen, Haltestellen, Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, Mülltonnen und den eigenen Füßen, als zentrales Körperteil in ständiger Bewegung.

(2) In einem kleinen Workshop mit zwei Fachkräften aus der Praxis

In einem weiteren partizipativen Schritt fand eine Reflexion der Daten mit zwei Sozialarbeiterinnen aus der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe statt. Hierbei wurden die qualitativen und quantitativen Ergebnisse von den Forscher:innen dargestellt, diskutiert und mit den Praktiker:innen weitere Analysen vorgenommen. Die herausgearbeiteten Aspekte wurden dann vom Forscher:innenteam im weiteren Forschungsprozess mit einbezogen.

Schritt 5: Abschlussworkshop zur Diskussion, Einordnung und Relevanzsetzung der Ergebnisse

Im Rahmen des Abschlussworkshops nahmen Personen aller relevanten Stakeholder:innen teil, wobei dieses Mal auch eine wohnungslose Person, sowie eine ehemals wohnungslose Person als Selbstvertretung wohnungsloser Menschen partizipierten. In dem Workshop wurden zuerst die Erfahrungen und Erkenntnisse präsentiert, diese offen im Plenum diskutiert und letztlich in Arbeitsgruppen abschließende Handlungsempfehlungen und Schlussfolgerungen formuliert.

3. Methodisches Fazit

Die Ausführungen haben gezeigt, dass die Analyse des Raumnutzungsverhaltens von Gruppen im Sozialraum auch bei schwer zu erreichenden Gruppen, wie die der obdachlosen Menschen, möglich ist und weiterführende Erkenntnisse generiert. Der Schlüssel hierzu ist eine aufrichtige und pragmatische Einbettung des Trackings in ein umfassenderes partizipatives Forschungsdesign.

Hierfür bedarf es jedoch an ausreichenden Ressourcen, denn ein partizipatives Forschungsvorgehen kommt bei knappen zeitlichen und finanziellen Ressourcen in kleineren Forschungsprojekten an ihre Grenzen. Es muss daher von Beginn an konzeptionell mitgedacht und in den Finanzen berücksichtigt werden: Partizipation darf und kann nicht nebenbei erfolgen. Partizipation erfordert einen hohen Koordinations- und Kommunikationsaufwand, um die Perspektiven aller Beteiligten zu berücksichtigen und im Forschungsprojekt auch angemessen rückzubinden (Gefahr einer Pseudopartizipation). Im Zuge der Workshops mit verschiedenen Akteur:innen (Praxispartner:innen, Erfahrungsexpert:innen, Mitarbeiter:innen aus Ministerien, Wissenschaftler:innen etc.) ist deutlich geworden, dass für Erfahrungsexpert:innen ein solches Setting und die Konstellation der verschiedenen Akteur:innen (ggf. auch Abhängigkeitsverhältnisse) herausfordernd sein kann, wodurch in der Situation eine aktive Beteiligung reduziert, gänzlich unmöglich erscheint oder durch eine kurzfristige Absage nicht realisiert wird. Niedrigschwellige Räume zu schaffen, in denen sich alle Beteiligten wohl, angenommen und anerkannt fühlen ist daher ein Muss für eine erfolgreiche Partizipation – vor allem vulnerabler Gruppen.

Insgesamt zeigt sich, dass ein partizipatives Vorgehen lohnenswert ist und Chancen birgt. Durch die partizipative Ausrichtung konnten Erkenntnisse zum Raumnutzungsverhalten Obdachloser erlangt werden, die sich möglichst nahe an der Lebenslage und -welt dieser orientiert. Besonders hilfreich war hierbei das GPS-Tracking als Methode zur partizipativen Analyse des Raumnutzungsverhaltens. Über das aufwendige Verfahren (GPS-Trackings, Fotografie, Interview, inhaltsanalytische Auswertung), gemeinsam den Lebensweg nachzuvollziehen, wurden die Erfahrungsexpert:innen aktiv am Forschungsprozess und der Generierung neuen Wissens – rekonstruierte Raumnutzungstypen – beteiligt. Auf diese Weise wurde ein neuer methodischer Zugang erkannt, der im Sinne der Partizipation, einen niedrigschwelligen Raum für die Beteiligung (vulnerabler) Gruppen eröffnet. Unter methodischen Gesichtspunkten zeigt sich somit, dass das Vorgehen zur Visualisierung und Rekonstruktion des Alltags, der Bewegungsmuster bzw. des Raumnutzungsverhaltens als eine gängige Methode für die Adressat:innen-, Nutzer:innen- und (Nicht-)Nutzungsforschung als auch für Praxis der Sozialen Arbeit in abgewandelter Form sinnvoll einsetzbar erscheint. Hier bedarf es aber noch weiterer methodischer Überlegungen, wie der Prozess der partizipativen GPS-Tracking-, Autofotografie- und Interviewmethode für die Forschung standardisiert werden kann und inwiefern auch die Praxis der Wohnungslosenhilfe durch die Anwendung eines solchen rekonstruktiven Verfahrens (ohne GPS-Trackings und in abgewandelter Form) methodisch sich weiterentwickeln könnte.

Es konnte zudem deutlich herausgearbeitet werden, dass sich auf Basis der Visualisierung und gemeinsamen Analyse der GPS-Trackingdaten und Autofotografie für die Interviewten und darüber hinaus für die Weiterentwicklung des Hilfesystems hilfreiche Effekte ergaben. So ermöglicht die Methode nicht nur ein Outcome für die Forschung – die Rekonstruktion des Raumnutzungsverhaltens anhand von Typen – sondern im partizipativen Sinn auch ein Outcome für die Teilnehmenden. Von Momenten des Überrascht-Seins und des eigenen Interesses an den Daten, über die Möglichkeit sich seiner eigenen alltäglichen Handlungen, Ressourcen und Aktivitäten bewusst zu werden, bis hin zu einer allgemeinen Selbstreflexion (inklusive Infragestellens) über die eigenen Wege, Routinen, Abläufe und Verhaltensmuster beim Aufsuchen bestimmter Orte. Die Methode legt eine Grundlage dafür, auf Basis der Erkenntnisse zu dem Raumnutzungsverhalten und den Bedarfen der Adressat*innen Hilfesysteme gezielt an den Alltag und die Bedürfnisse der (potenziellen) Nutzer*innen anzupassen.

Gleichzeitig bringt die Nutzung von Trackingdaten Herausforderungen und Gefahren mit sich, die nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Insbesondere in Bezug auf den Schutz der getrackten Personen, deren Bewegungen im öffentlichen Raum nachvollziehbar und sichtbar gemacht werden. Daher ist es wichtig, diese Risiken sorgfältig zu prüfen, ethische Aspekte zu berücksichtigen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen – etwa durch die Einschätzung einer Ethikkommission und eine offene Kommunikation mit den Teilnehmenden, wie es im Forschungsprojekt praktiziert wurde.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die in der Studie angewandte methodische Kombination aus GPS-Trackings, Autofotografie und Interviews eine partizipative Analyse des Raumnutzungsverhaltens obdachloser Menschen ermöglichte und dabei profunde Erkenntnisse für das Hilfesystem, die Teilnehmenden selbst und den Forschungsbereich zu Wohnungs- und Obdachlosigkeit hervorgebracht hat. Partizipative Forschung schafft Möglichkeitsräume der Teilhabe für Menschen als Forschungsgegenstand im Allgemeinen und insbesondere für marginalisierte Gruppen. So versucht Hans beispielsweise sich im öffentlichen Raum „möglichst unauffällig […] zu bewegen“ (Z. 1188 f.). Soziale Arbeit ist hier gefordert stigmatisierungsfreie und niedrigschwellige Räume der Partizipation in der Forschung zu entwickeln, damit obdachlose Menschen wie Hans sich in diesen Räumen bewegen und wie jeder andere Mensch auch zeigen können. Hierfür scheint das vorgestellte methodische Vorgehen im Rahmen des GPS-Trackings zur partizipativen Analyse des Raumnutzungsverhaltens eine geeignete Methode zu sein, die auch in anderen Handlungsfeldern bzw. mit anderen Nutzungsgruppen (Kinder, Jugendliche, Senior:innen usw.) der Sozialen Arbeit zum Einsatz kommen könnte.

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Fußnoten

[1] Dieses Kapitel enthält zum Teil dem Beitrag stark angepasste und überarbeitete Inhalte aus dem Buch Sellner, Nora/Schönig, Werner/ Heuel, Guido (2024): Raumnutzungsverhalten von Menschen in Obdachlosigkeit – Grundfragen und besondere Aspekte der Corona-Pandemie am Beispiel Kölns. Verlag Barbara Budrich, Opladen.

[2] Das Projekt wurde aus Mitteln der CaritasStiftung im Erzbistum Köln, der Kommission für Forschung und Weiterbildung der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen sowie des Transfernetzwerks Soziale Innovation (S_Inn) finanziert.

[3] Obdachlosigkeit wird entsprechend der europäischen Typologie von FEANTSA 2017 verstanden.

[4] Für eine vertiefende Lektüre der Studie und ihrer Ergebnisse zum Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen siehe Sellner et al. 2024a.

[5] Der Begriff Sucht (Abhängigkeit (ICD 10/ICD 11), Substanzgebrauchsstörung (DSM 5), sowie das Suchtkonzept bzw. die Deutung Sucht als Krankheit zu verstehen wurde und wird weiterhin kritisch diskutiert und empirisch bearbeitet (Streck 2023, 2015; Laging 2022, 214; Stöver 2020, 436 ff.; Hansjürgens 2018, 28; Dollinger/Schmidt-Semisch 2007; Schmidt-Semisch 2010). Streck (2023) bspw. versteht das „Deutungsmuster „Sucht als Krankheit“ als „Reduktion der Komplexität und Diversität“. Dies verursacht einen fehlenden Blick für „die Diversität eines Phänomens“ (ebd.) und vereitelt damit Chancen in der Praxis „eigene Glaubenssätze zu hinterfragen und das Erleben von Menschen und deren Erzählungen ernst zu nehmen“ (ebd.). Damit schließt sie an die kritische Auseinandersetzung/Problematisierung des „Doing Addiction“ (Schmidt-Semisch 2010, 157) bzw. „Undoing Addiction“ an, die bereits vor nun fast 15 Jahren angeführt wurde (Streck 2015).


Zitiervorschlag

Sellner, Nora, Guido Heuel und Werner Schönig (2025): GPS-Tracking als Methode zur partizipativen Analyse des Raumnutzungsverhaltens. In: sozialraum.de (16) Ausgabe 1/2025. URL: https://www.sozialraum.de/gps-tracking-als-methode-zur-partizipativen-analyse-des-raumnutzungsverhaltens.php, Datum des Zugriffs: 19.06.2025