Freiwilligenmanagement in der Kinder- und Jugendhilfe – Perspektiven aus Graz, Stuttgart und Rosenheim

Elias Schaden

Folgender Artikel stützt sich auf ausgewählte Forschungsergebnisse eines Dissertationsprojekts zum Thema „Freiwilliges Engagement in der sozialraumorientierten Kinder- und Jugendhilfe“ (Schaden 2019) ergänzt um die praktischen Erfahrungen im Aufbau und Betrieb einer Freiwilligenbörse des Autors seit dem Jahr 2013. Im Rahmen des Dissertationsprojekts wurden in Graz, Stuttgart und Rosenheim 37 problemzentrierte, leitfadengestützte Interviews mit Freiwilligen, Familienangehörigen und hauptamtlichen Vertreter*innen öffentlicher sowie privater Kinder- und Jugendhilfeorganisationen durchgeführt. Ein Schwerpunktthema der Befragung widmete sich dem Freiwilligenmanagement. Dieses Themenfeld wird im hier vorliegenden Beitrag ausführlicher aufgegriffen.

1. Einleitung

Die gemeinsame Betrachtung von Freiwilligenmanagement und sozialraumorientierter Kinder- und Jugendhilfe bietet sich aus mehreren Gründen an: Freiwilliges Engagement hat häufig einen lokalen Bezug und findet vor allem im Nahräumlichen statt, also genau dort, worauf sich sozialräumliche Arbeit fokussiert und wo sie Ressourcen finden und nutzbar machen möchte (vgl. Hinte/Treeß 2014). Unter Berücksichtigung der spezifischen Lebenslagen von Familien kann es Sozialer Arbeit gelingen, Formen des bereits vorhandenen, lokalen freiwilligen Engagements aufzuspüren und im Sinne eines Wohlfahrtsmixes in die Bearbeitung ihrer Ziele zu integrieren.

Mit der Einführung des Fachkonzepts Sozialraumorientierung in Stuttgart (1998–2005), Rosenheim (2002–2010) und Graz (2004–2009/2014) gingen sowohl auf fachlicher-inhaltlicher Ebene sowie auf Ebene von Organisation umfangreiche Umbau- und Neuausrichtungsprozesse der Strukturen und Angebote lokaler Kinder- und Jugendhilfe einher (vgl. Herweg, O./Pfeifle 2014; Pichlmeier/Rose 2010; Krammer/Punkenhofer 2014). Durch die fachliche Rück- bzw. Neubesinnung auf den Willen von Familien, die Fokussierung auf Stärken und Ressourcen sowie die Kooperation mit unterschiedlichsten Beteiligten stellte sich die Frage, wie man diesen Prinzipien, nicht nur in Bezug auf fallspezifische bzw. fallübergreifende Arbeit mit Familien, sondern auch im Hinblick auf fallunspezifische Arbeit (vgl. Bestmann 2014) gerecht werden kann. Als Teilantwort darauf haben sich an allen Standorten Formen mehr oder weniger organisierter Arbeit mit Freiwilligen (weiter)entwickelt. Über die Jahre hat sich die formelle Einbindung von Freiwilligen in die Arbeit mit Familien in die Organisation privater Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen als Standard etabliert und ist aufgrund der Vorteile kaum mehr wegzudenken: Familien profitieren von freiwilliger, d. h. unentgeltlich und im Rahmen einer Organisation geleisteter Unterstützung, insbesondere durch kurzeitige Kinderbetreuung, schulische Unterstützung, Patenschaften, Hol- und Bringdienste, Unterstützung bei Ämtern und Behörden, Bewerbungstrainings, handwerklicher Unterstützung, Gesprächen mit Eltern und Mitarbeit in Gruppenangeboten. Damit freiwilliges Engagement für Familien im Kontext von Kinder- und Jugendhilfe gelingen kann, braucht es klare Rahmenbedingungen und Freiwilligenmanager*innen, die mit entsprechendem Know-how und Ressourcen ausgestattet sind.

2. Freiwilligenmanagement als Schnittstellenaufgabe

Beim Ansatz der des Freiwilligenmanagements wird seit den 1990er Jahren auf die Erfahrungswerte des volunteer management mit ihrem Ursprung im angelsächsischen Bereich zurückgegriffen. Unter Freiwilligenmanagement werden sämtliche systematischen Maßnahmen und Strategien zusammengefasst, um die Interessen und Erwartungen von Organisationen und Freiwilligen in Einklang zu bringen (Reifenhäuser et al. 2016, 9). Genauer definiert umfasst Freiwilligenmanagement „den Prozess der Planung (Bedarf einschätzen, Aufgabenprofile entwickeln), Gewinnung (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Erstgespräche und Matching), Begleitung, fachlichen Unterstützung und Qualifizierung, Anerkennung und Evaluation von Freiwilligem Engagement“ (Biedermann 2012, 58). Je nach Rahmenbedingungen der organisationalen Einbindung von Freiwilligen vor Ort kann es sinnvoll sein, zwischen Freiwilligenmanagement als planerisch-strategischer Aufgabe und Freiwilligenkoordination als Überbegriff für umsetzungsbezogen-praktische Aufgaben zu unterscheiden (vgl. Kegel 2012). In der untersuchten Praxis werden Management- und Koordinierungsaufgaben häufig von denselben Personen durchgeführt, wodurch es gerechtfertigt scheint, sich in diesem Artikel auf Freiwilligenmanagement als übergeordneten Begriff zu beziehen.

Anfragen zur freiwilligen Unterstützung von Familien werden von verschiedensten Seiten an das Freiwilligenmanagement privater Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen herangetragen. In erster Linie von hauptamtlichen Fachkräften, d. h. von Kolleg*innen aus den flexiblen, mobilen, teil- oder vollstationärer Hilfen zur Erziehung sowie aus den regionalen Jugendämtern bzw. Fachdiensten und Beratungszentren. Teilweise kommen Anfragen auch von Kooperationspartnern wie Schulen, Kindergärten, Kirchengemeinden usw. Die Nachfrage bzw. der Bedarf nach freiwilligen Unterstützungsleistungen für Familien ist an allen Standorten hoch, häufig können Bedarfe nicht unmittelbar gedeckt werden. In Graz und Rosenheim wird die Unterstützung von Familien durch Freiwillige regelmäßig im Rahmen der wöchentlich stattfindenden Stadtteil- bzw. Sozialraumteamtreffen vorgeschlagen. Dass sich Familien direkt mit einem Bedarf an freiwilliger Unterstützung an ein Freiwilligenprojekt wenden, kommt eher selten vor. Teilweise ist Familien nicht bewusst, dass die Möglichkeit an freiwilliger Unterstützung durch Freiwillige überhaupt besteht. Selbst dann, wenn Familien über die Möglichkeiten freiwilliger Unterstützung Bescheid wissen, scheuen sie sich immer wieder davor, Unterstützungsbedarfe in Richtung der Kinder- und Jugendhilfe zu adressieren. Darüber hinaus kostet das Eingeständnis eines Hilfebedarfs und das Anfragen um Unterstützung meist einiges an Überwindung.

„Und manche haben dann halt auch trotz allem dann auch noch Berührungsängste mit dem Beratungszentrum, wie es ja jetzt heißt. Aber früher war es immer Jugendamt. Und DA, denke ich, ist das auch immer ganz gut, wenn ich denen auch sage: ‚Okay, ich arbeite in den Familien, mache dann so und so.‘ Dass sie dann einfach auch so ein Gespür kriegen: ‚Okay, gut, ist ja gar nicht so schlimm‘.“ (Organisation 2.4:74)

Mit Blick auf die vorliegenden Praxiserfahrungen kann man nicht davon ausgehen, dass sich Familien am Küchentisch über einen Unterstützungsbedarf einigen und dann von sich aus an ein Freiwilligenprojekt einer privaten Jugendhilfeorganisation herantreten. Damit dieser Schritt gewagt werden kann, müssen Familien über die Möglichkeiten informiert bzw. durch die Fachkräfte auf die Idee gebracht werden.

„‚Die sind bereit einmal am Wochenende mit ihnen einen Ausflug zu machen. Oder, wenn sie einmal zum Arzt gehen ihre Kinder zu betreuen. Oder, einmal die Woche für sie zu kochen. Oder, was auch immer.‘ (…) Die Familien kommen oft selber nicht auf die Idee und wissen auch nicht, dass es so etwas gibt, so eine Möglichkeit. Die IDEE muss durch die Fachkräfte kommen.“ (Organisation 2.8:63)

Auch der Hinweis von Kooperationspartner*innen der Kinder- und Jugendhilfe (Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, Jugendzentren etc.) auf Angebote freiwilliger Unterstützung kann dazu beitragen, dass Familien eher bereit sind, sich mit ihren Anliegen an die zuständigen Freiwilligenprojekte zu wenden.

„Ich habe auch erst gedacht: ‚Jugendamt, um Gottes willen!‘ Weil durch die Medien hört man nur Negatives: ‚Jugendamt – Kinder weg‘. Das Gefühl hatte ich zuerst gehabt. Und da haben die mir schon beim ersten Gespräch sozusagen die Angst genommen. Dass das Jugendamt nicht zum Wegnehmen ist, sondern zum Unterstützen da ist. Dass, die Hilfe anbieten.“ (AdressatIn 3.3:210)

Im Prozess des Freiwilligenmanagements kommt den zuständigen Fachkräften eine wichtige, steuernde Funktion zu. Es geht um weit mehr, als nur darum, Bedarf und Angebot an freiwilliger Unterstützung zusammenzuführen. Eingehende Anfragen müssen nicht nur aufgenommen, sondern auch priorisiert, geprüft und mit den Vorstellungen und Möglichkeiten von Freiwilligen und Familien abgestimmt werden. Ansonsten drohen Verwirrungen und die Frustration aller Beteiligten. Ein verantwortungsvolles Freiwilligenmanagement schafft Klarheit, bietet Strukturen und ermöglicht die Entstehung von Vertrauen zwischen Familien, Freiwilligen und hauptamtlich zuständigen Fachkräften.

Im Dreieck von Familien – Freiwillige – Fachkräfte treffen Freiwilligenmanager*innen eine erste Einschätzung darüber, ob Anfragen aufgenommen und welche Freiwilligen den Familien zur Unterstützung vorgeschlagen werden. Aufgrund der institutionellen Anbindung und des Informationsvorsprungs von Freiwilligenmanager*innen verlassen sich die Freiwilligen 1.) darauf, dass es sich bei vorgeschlagenen Unterstützungsanfragen um tatsächliche Notlagen bzw. dringende Bedarfe handelt, sie 2.) keinen Risiken, Gefahren oder Überforderungssituationen ausgesetzt werden und sie 3.) mit der nötige Unterstützung durch die Organisation rechnen können. Familien und Hauptamtliche vertrauen Freiwilligenmanager*innen dahingehend, dass Sie sich 1.) ausreichend über die grundsätzliche Eignung und Unbescholtenheit der vorgeschlagenen Freiwilligen informiert haben, 2.) freiwilliges Engagement professionell begleiten und bei Bedarf 3.) steuernd eingreifen werden.

Freiwilligenmanagement in der Kinder- und Jugendhilfe als Schnittstellenfunktion
Abbildung 1: Freiwilligenmanagement in der Kinder- und Jugendhilfe als Schnittstellenfunktion. Eigene Darstellung

3. Schlüsselelemente gelingenden Freiwilligenmanagements

Die vorliegenden Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die nachhaltige Einbindung von Freiwilligen in Organisationen ohne ein Mindestmaß an Rahmenbedingungen und ohne verantwortliche Ansprechpersonen kaum durchführen lässt. Mit dem Einsatz von Freiwilligen in Familien geht eine gewisse Verantwortung gegenüber den Beteiligten einher, die klare Zuständigkeiten und Steuerungsmöglichkeiten erfordert.

„Eine Grundvoraussetzung ist z. B., dass ein Ansprechpartner in der Einrichtung genannt werden muss. Wenn man denkt, Ehrenamt funktioniert so von ganz allein. Da lässt man Leute von außen kommen und die lässt man dann arbeiten und man muss nichts dafür bereitstellen, dann klappt das nicht.“ (Organisation 2.19:44)

In der Praxis erfolgt die Begleitung von Freiwilligen im Kontext von Kinder- und Jugendhilfe üblicherweise nebenbei, also neben dem Hauptgeschäft der Erbringung gesetzlich definierter Hilfen für Familien. Meist stehen dafür nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung, was den Aufbau und Betrieb eines qualitativ hochwertigen Freiwilligenmanagements zur Herausforderung macht und den im Freiwilligenmanagement tätigen Personen zur Bewältigung dieser Aufgabe ein überdurchschnittliches Engagement abverlangt. Im Folgenden werden Schlüsselelemente dargestellt, die Freiwilligenmanager*innen dabei helfen können, die Einbindung von Freiwilligen im Kontext von Kinder- und Jugendhilfe aufzubauen bzw. weiterzuentwickeln.

3.1 Definition von Zielen und Zielgruppe

Am Beginn gelingender Einbindung von Freiwilligen in die Organisation steht die Frage, welche Ziele dadurch konkret erreicht werden sollen. Die Definition von Zielen betrifft mehrere Ebenen und reicht von der allgemeinen strategischen Ausrichtung des Trägers bis hin zu Detailfragen der Umsetzung in der Koordination von Freiwilligen. Gerade weil es sich bei der organisationalen formellen Einbindung von Freiwilligen in der Kinder- und Jugendhilfe vielerorts um ein Novum handelt scheint die Vergewisserung und Kommunikationsfähigkeit in Bezug auf übergeordnete sowie konkrete Umsetzungsziele besonders wichtig zu sein.

Ein Beispiel der organisations- und sozialraumübergreifenden Entwicklung eines Leitbildes zur Arbeit mit Freiwilligen im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe findet sich in Graz. Darin wird u. a. festgehalten „dass Kinder, Jugendliche und Familien in besonderem Maß vom persönlichen, unbezahlten Engagement anderer Menschen profitieren können. Insbesondere jene, die aufgrund verschiedener Umstände keinen Zugang zu tragfähigen Ressourcen haben“. Und weiter wird formuliert: „Freiwilliges Engagement kann und soll hauptamtliche Hilfen und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe nicht ersetzen. Sehr wohl kann freiwilliges Engagement unter bestimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Ergänzung zu gesetzlich abgesicherten Hilfen und Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe sein“ (Schaden et al. 2018, 1).

Konkretere, umsetzungsbezogene Ziele helfen dabei, die Qualitätsansprüche in der Arbeit mit Freiwilligen transparent zu machen und aufrecht zu erhalten: Welche Aufgaben und Tätigkeiten sollen von Freiwilligen übernommen werden und welche nicht? Wie viele Freiwillige sollen in der Organisation mindestens/maximal mitarbeiten? In welcher Form und Frequenz sollen Austausch- und Gesprächsmöglichkeiten für Freiwillige stattfinden? Welche Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sollen angeboten werden? usw. Wie bereits erwähnt: Die Praxis zeigt, dass mit dem Freiwilligenmanagement betraute Personen in der Regel auch andere Aufgaben haben, die sie immer wieder auch stark beanspruchen (direkte Arbeit mit Familien, Mitarbeiterführung, Projektmanagement etc.). Es bewährt sich daher die Frage zu stellen, welche Ziele mit den vorhandenen Mitteln und Zeitressourcen erreicht werden sollen bzw. können und entlang welcher Kriterien man sich vergewissert, dass man auf Kurs ist.

Was die Definition der Zielgruppe betrifft, stimmen die untersuchten Freiwilligenprojekte in ihrer Ausrichtung darin überein, dass es sich dabei oft um Familien handelt, die selbst über nur wenige soziale bzw. materielle Ressourcen verfügen und, was ihren Unterstützungsbedarf betrifft, keinen Rechtsanspruch zur Gewährung sozialstaatlicher Hilfe geltend machen können. Genau darin besteht für viele Freiwillige die entscheidende Motivation sich im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe zu investieren: Sie möchten jene Familien unterstützen, die am dringendsten Hilfe benötigen. In einigen Ausnahmen wird die Annahme von Unterstützungsanfragen von Familien seitens Freiwilligenmanager*innen an die Bedingung geknüpft, dass die Notwendigkeit der Unterstützung von einer Institution (Jugendamt, Kindergarten, Schule etc.) bestätigt wird.

„Es gibt so Sachen, wo ich mir denke, wir sind jetzt kein BABYSITTERSERVICE. So ein GEWISSER Bedarf an Hilfe muss schon DA sein, dass ich da einen Ehrenamtlichen hin vermittle. Also eine Familie, die sich das LOCKER leisten kann. Da täte ich jetzt keinen Familienpaten dazu.“ (Organisation 3.1:163)

Von der Zielgruppe grundsätzlich ausgeschlossen sind daher Familien, die sich die nötige Unterstützung auch auf anderem Wege organisieren bzw. leisten könnten. Ebenfalls ausgeschlossen sind Familien, deren Problemlagen nicht durch freiwilliges Engagement überwunden werden können. Zum Beispiel, weil dafür nicht vorhandene Spezialkompetenzen nötig sind (z. B. beraterische, pädagogische oder therapeutische Fachkenntnisse) oder, weil die nötige Unterstützung von Freiwilligen nicht im erforderlichen Umfang und Zeitausmaß geleistet werden kann (z. B. tägliche Kinderbetreuung).

3.2 Gewinnung von Freiwilligen

Einen zentralen Stellwert in der Gewinnung von Freiwilligen nimmt die „Mund-zu-Mund-Propaganda“ von bereits im Projekt tätigen Freiwilligen ein. Das liegt daran, dass sich Vertrauen in Organisationen stärker über persönliche Kontakte als über mediale Botschaften oder die Durchführung von Veranstaltungen übertragen lässt. Die beste Werbung einer Organisation für die freiwillige Mitarbeit ist es daher, wenn die bereits Engagierten mit der bisherigen Arbeit des Freiwilligenmanagements zufrieden sind. Dennoch, und gerade in der Aufbauphase neuer Freiwilligenprojekte, ist die Öffentlichkeitsarbeit ein meist unverzichtbares Element, um die nötige bzw. gewünschte Anzahl an Freiwilligen zu gewinnen. Sie dient außerdem dazu, die Relevanz und Bedeutung freiwilliger Arbeit nach außen sichtbar und verständlich zu machen. Davon abhängig ist u. a., ob es gelingt, die nötigen Ressourcen zu lukrieren (vgl. Fischer-Martin 2012, 249), d. h. Entscheidungsträger*innen davon zu überzeugen, ob und wie viel in diesen Bereich investiert werden soll.

Für die Gewinnung von Freiwilligen wird auf verschiedenste Kanäle zurückgegriffen. Dazu zählen gezielte Kooperation und Vernetzung, Veranstaltungen (interne Informationsabende, externe Projektpräsentationen, Teilnahme an Feierlichkeiten zur Würdigung freiwilligen Engagements), Internetpräsenz (Freiwilligenportale, Homepage, Facebook etc.), Radiobeiträge, Zeitungsartikel, Jahresberichte und gezielte Mailaussendungen an Gruppen potentiell Engagierter (Student*innen etc.). Dem Büro Soziale Stadt in Rosenheim ist es im Jahr 2015 gelungen, durch Öffentlichkeitsarbeit über 100 Pat*innen für Geflüchtete und mehrere Unternehmen für die freiwillige Unterstützung bzw. das Engagement von Geflüchteten zu aktivieren.

„Wir dokumentieren sehr intensiv und sehr viel. Manchmal ist es fast lästig, aber wir schreiben relativ viele Zeitungsberichte und waren wir mit dem Projekt schon sehr PRÄSENT hier in den lokalen Medien. Radio, UVB – das ist das lokale Zeitungsblatt, und im ECHO und lauter diese Sachen. Und haben eine FACEBOOKSEITE auch, wo wir das relativ aktiv immer wieder reingestreut haben.“ (Organisation 3.2:44)

Besonders vielversprechend für die Gewinnung neuer Freiwilliger ist die Nutzung von Online-Portalen, über die Bedarfe und Interessen an freiwilligem Engagement rasch und zielgenau zusammengeführt werden können. In Stuttgart profitieren Freiwilligenprojekte im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe vor allem von der Online-Freiwilligenbörse der Stadt Stuttgart und dem Online-Portal Kaleidoskop der Caritas Stuttgart. In Graz bietet das Online-Portal fee – freiwillig ehrenamtlich engagiert Organisationen die Möglichkeit gezielte Suchanzeigen für die Mitarbeit von Freiwilligen zu platzieren. Interessierte können über ein Kontaktfeld direkt mit den Zuständigen der angeführten Freiwilligenprojekte Kontakt aufnehmen.

Wichtig für die tatsächliche Gewinnung von Interessierten für die Projektmitarbeit ist die rasche Beantwortung der ersten Anfrage und die zeitnahe Vereinbarung eines persönlichen Kennenlerngesprächs. Nur so wird den Interessierten die nötige Wertschätzung und auch die Wichtigkeit der in Aussicht gestellten freiwilligen Betätigung bestätigt. Freiwillige möchten sich dort engagieren, wo ihr Einsatz gebraucht, mit Begeisterung aufgenommen und mit Sinn erfüllt wird (vgl. BMASK 2017). Eine zu späte Antwort, auf ihr bekundetes Interesse an freiwilliger Mitarbeit, würde das Gegenteil vermitteln. Die Praxiserfahrungen zeigen, dass Menschen durch rasches Reagieren und das schnelle Finden einer passenden Aufgabe eher für das freiwillige Engagement zu begeistern sind, als bei einer späteren Kontaktaufnahme.

Aufgrund der Begrenztheit der zeitlichen und finanziellen Ressourcen, die für einen qualitätsvollen Aufbau und Betrieb freiwilligen Engagements in Organisationen zur Verfügung gestellt werden müssen, ist die Frage der Gewinnung von Freiwilligen auch mit der Fragen nach Bedarf und Leistbarkeit verbunden.

„Und wenn dann Anfragen kommen, dann möchte ich auch schauen, dass man die [Freiwilligen] so gut es geht zufrieden stellen kann. Und von dem her ist ein LEICHTES Wachstum gut. Wenn das zu schnell geht, dann hätte ich ZU VIELE Interessenten im Vergleich zu den Bedarfen, die dann aktuell da sind.“ (Organisation 3.1:189)

Es empfiehlt sich daher 1.) zu definieren wie viele Freiwillige mit den vorhandenen Mitteln durch Freiwilligenmanagement maximal gut begleitet werden können. Innerhalb dieses festgelegten Rahmens gilt es 2.) im Auge zu behalten, wie viele Freiwillige für die Unterstützung von Familien derzeit benötigt werden. Die Investitionen in Öffentlichkeitsarbeit sollten darauf abgestimmt und immer laufend aktualisiert werden. Damit wird vermieden, dass Interessierten, z. B. aufgrund veralteter Werbebotschaften auf diversen Internetseiten, bei Interesse an einer Mitarbeit eine Absage erteilt werden muss. Spätestens bei mehrmaligem Absagen würde sich das negativ auf die Außenwahrnehmung des Freiwilligenprojekts bzw. der Organisation insgesamt auswirken.

3.3 Voraussetzungen freiwilliger Mitarbeit

Im Anschluss an die Festlegung von Zielen, stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen, die gegenseitig erfüllt sein müssen, bevor Freiwillige in Familien zum Einsatz kommen. Auf Seiten der Organisation kann das Stattfinden eines persönlichen Kennenlerngesprächs dabei als erster wichtiger Schritt angesehen werden. Auf Grundlage dieses ersten Gesprächs treffen die Freiwilligenmanager*innen eine erste Einschätzung zur prinzipiellen Eignung der Interessierten und Einsatzmöglichkeiten. Um die eigene Perspektive zu erweitern ist es von Vorteil, wenn Erstgespräche von zwei Projektmitarbeiter*innen durchgeführt werden. In der Praxis empfiehlt sich die Orientierung an einem Leitfaden, damit alle relevanten Informationen erhoben werden können und nichts vergessen wird (Kontaktdaten, Angaben zu Motiven, Vorerfahrungen, Stärken, Interessen, Zeitressourcen etc.).

Aber auch die Interessierten machen sich ein erstes Bild. Sie suchen nach relevanten Informationen zu Tätigkeitsfeldern, Abläufen, Austauschmöglichkeiten, Weiterbildungsangeboten, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsregelungen, Datenschutz usw., möchten gezielte Fragen stellen und entwickeln dabei im optimalen Fall das nötige Vertrauen, um sich auf die freiwillige Mitarbeit einlassen zu können. Die Freiwilligenbörse der Stadt Stuttgart bietet am Freiwilligenengagement Interessierten die Möglichkeit, sich anhand einer Checkliste auf Erst- oder Vorstellungsgespräche bei Organisationen vorzubereiten. Diese ist online abrufbar [1] und gliedert sich in die Themen Umfang des Engagements, Begleitung, Einarbeitung, Fortbildung, Mitentscheidung, Notwendigkeit eines Führungszeugnisses, Kostenerstattung, Versicherung, Nachweis über die ehrenamtliche Tätigkeit und die Frage, geschieht, wenn Probleme auftreten.

„Im Endeffekt war das eher was, was mich so bestärkt hat, mich hier zu engagieren, weil ich mir gedacht habe, da sind Strukturen, die haben da echt Überlegung hineingesteckt. Das ist jetzt nichts irgendwie wo, das läuft so nebenbei, sondern die investieren ja auch wirklich Arbeit (…) und haben da einfach auch eine gute Organisation und eine gute Struktur. Und das war schon was, was mich angezogen hat.“ (Freiwilliger 3.10:96)

In einem der Grazer Freiwilligenprojekte wurde neben dem Erstgespräch auch die verpflichtende Teilnahme an einer Basisschulung als Voraussetzung zur Mitarbeit festgelegt. Alle anderen der untersuchten Freiwilligenprojekte in Graz, Stuttgart und Rosenheim verzichten auf formalisierte Verfahren der Einschulung. Ein Argument für diesen eher direkten Einstieg in freiwilliges Engagement für Familien ist das Ziel, diesen möglichst unkompliziert, im Sinne eines learning by doing, und ohne zusätzlichen Mehraufwand für die Freiwilligen zu gestalten.

Eine weitere als vorab sehr wichtig angesehene und in allen Freiwilligenprojekten definierte Voraussetzung ist der Nachweis des Nicht-Vorliegens von strafrechtlichen Verurteilungen durch die Freiwilligen.

3.4 Das richtige Matching

Beim so genannten Matching, einer der zentralen Aufgaben des Freiwilligenmanagements, geht es darum, eingehende Anfragen zur freiwilligen Unterstützung von Familien mit den Interessen und Möglichkeiten der Freiwilligen abzustimmen. Ziel ist es, konkrete Bedarfe und Angebote freiwilligen Engagements optimal zusammenzuführen.

Im ersten Schritt klären Freiwilligenmanager*innen, ob der beschriebe Unterstützungsbedarf Freiwilligen generell, etwa in Bezug auf zeitlichen Umfang sowie erwartete physische bzw. psychische Anforderungen, zugemutet werden kann. In mehreren Interviews wurde auf die Herausforderung hingewiesen, diffuse und allgemeine Anfragen zu Unterstützung im Austausch mit den Beteiligten zu konkretisieren und in bewältigbare Tätigkeitsbeschreibungen zu transformieren. Die Konkretisierung von realistischen Aufgabenbereichen und Tätigkeiten schützt, bis zu einem gewissen Grad, vor überhöhten Erwartungen und einer Überforderung von Freiwilligen.

„Also manchmal ist es dann auch so, dass wirklich gewirbelt wird. (…) Nach dem Motto: ‚Eierlegende Wollmilchsau‘. Am besten morgens jemand, der die zwei Kinder um halb sieben in verschiedene Einrichtungen bringt. Also wirklich Sachen, wo ich denke: ‚Hey, wie sollen wir DAS jetzt hinkriegen?‘ Und dann sage ich dann schon: ‚Vielleicht gibt es in der Nachbarschaft noch jemanden. Guck doch da noch einmal.‘ (…) Klärt erst das ab und dann kommt noch einmal.“ (Organisation 2.4:84)

Unterstützungsanfragen, die erhebliche Zeitausmaße erfordern, sind für Freiwillige in der Regel nicht attraktiv. Diese müssen an die Erfordernisse familiärer Verpflichtungen, aber auch die Erfordernisse von Erwerbsarbeit und Ausbildung angepasst sein (vgl. Röbke 2012, 18 ff.). Üblicherweise engagieren sich Freiwillige für Familien im Umfang von ein bis zwei Terminen pro Woche. Es wird als zentrale Aufgabe von Freiwilligenmanager*innen angesehen, Freiwillige nicht in Überforderungssituationen zu bringen und Frustrationen, Enttäuschungen und dem vorzeitigen Abbruch von freiwilligem Engagement vorzubeugen. Im Falle der eingeschätzten Zumutbarkeit werden Inhalt der Anfrage und Kontaktdaten protokolliert und möglichst rasch weiterbearbeitet. Falls die Anfrage nicht durch freiwilliges Engagement abgedeckt werden kann, wird auf andere Unterstützungsangebote verwiesen.

Im nächsten Schritt treffen Freiwilligenmanager*innen auf Grundlage der dokumentierten Fähigkeiten, Stärken und Interessen von Freiwilligen eine Vorauswahl potentiell geeigneter Freiwilliger und starten konkrete Anfragen. Es kommt immer wieder vor, dass mehrere Kontaktaufnahmen erfolgen müssen, bis der oder die richtige Freiwillige gefunden wird. Für die Entscheidungsfindung der Freiwilligen ist es wichtig, möglichst gezielte Vorinformationen zu übermitteln: Welche Tätigkeiten und Aufgaben sollen genau übernommen werden? In welcher Häufigkeit, wo und zu welchen Uhrzeiten sollen Termine stattfinden? Welcher Zeitraum wird für die Unterstützung der Familien insgesamt anberaumt? Welche Themen kommen dort auf mich zu? etc. Die erste Informationsweitergabe an Freiwillige erfolgt unter Wahrung des Datenschutzes und beschränkt sich in der Regel auf das Nötigste.

„Dass man sagt, so eine grobe Information kriegen. Sie sollen aber nicht sofort mit allen möglichen BILDERN anfangen. Also, was Vorurteile auslösen KÖNNTE oder Klischees. Von daher ist auch gut, dass sie auch unbedarft reingehen können. Das kann auch ein RIESEN Vorteil sein.“ (Organisation 2.21:137)

Im Fall der Bereitschaft von Freiwilligen mit Familien ein erstes Treffen zu vereinbaren, übernimmt das Freiwilligenmanagement die Terminkoordination. Die Begleitung von Erstterminen durch den oder die Freiwilligenmanager*in wirkt als vertrauensbildend. Sie reduziert die Hemmschwelle von Freiwilligen und Familien, sich auf das gegenseitige Kennenlernen einzulassen. Sie verdeutlicht, dass hinter dem Engagement einer Privatperson eine Organisation steht, die als Ansprechpartner zur Verfügung steht.

„Zuerst stellt man sich schon die Frage: ‚Wer macht das gratis und ohne Geld? Warum?‘ Also man stellt sich schon die Frage: ‚Warum macht das jemand?‘ Aber wenn man die Person dann kennenlernt/ (…) also bei der S. [Freiwilligen] macht es für mich Sinn.“ (Elternteil 1.6:98)

Das erste Treffen von Freiwilligen, Familien und Freiwilligenmanager*innen dient dem gegenseitigen Kennenlernen, der Klärung von Rollen und dem näheren Konkretisieren des Unterstützungsbedarfs bzw. den Aufgaben und Tätigkeiten, die sich für Freiwillige daraus ergeben.

„Ich mache dann einen gemeinsamen Termin aus und wir setzen uns alle erst mal zusammen, besprechen, was die Aufgaben der Jugendhilfe sind, was die Aufgaben von den Freiwilligen sind und wie sie sich das gemeinsam vorstellen können. Also Freiwillige und Klient. Und dann läuft das auch von selbst. Dass sie Nummern austauschen, Adressen austauschen.“ (Organisation 3.6:42)

Um Ziel, Inhalt und geplante Dauer des freiwilligen Engagements zu dokumentieren werden in einigen Projekten schriftliche Vereinbarungen zwischen Freiwilligen und Familien unterzeichnet. Diese bieten den Vorteil, dass sie a) einen klaren Beginn der freiwilligen Unterstützung markieren, b) ein vorläufiges Ende festlegen und sich c) die Beteiligten bei wechselnden, gegenseitigen Wünschen, Hoffnungen und Erwartungen auf die darin vereinbarten Inhalte beziehen können.

Im Zusammenhang mit der Arbeit an Zielen im Rahmen der Einzelfallhilfe für Familien bedeutet die kluge und fachlich reflektierte Einbindung von Freiwilligen nicht nur den unmittelbaren Nutzen für Familien durch Entlastungseffekte, sondern auch mögliche unerwünschte Nebenwirkungen mit zu berücksichtigen. So kann es zum Beispiel sein, dass der Einsatz einer Freizeitpatenschaft für eine Jugendliche dem eigentlichen Ziel der Stärkung der Eigenverantwortung der Eltern zuwiderläuft. Dies würde dann gelten, wenn die Eltern durch das umfassendes Freizeitangebot der Freiwilligen von ihrem eigentlichen Ziel abgelenkt bzw. darin verunsichert werden, selbst mehr qualitätsvolle Zeit mit ihrer Tochter zu verbringen. Freiwilligenmanagement sollte sich rechtzeitig die Frage stellen, was der Einsatz von Freiwilligen in Familien bewirkt und wie damit professionell umgegangen werden kann.

3.5 Begleitung und Anleitung

Die Anleitung und Begleitung von Freiwilligen ist das Herzstück des Freiwilligenmanagements und erfordert die verlässliche, persönliche und zeitnahe Verfügbarkeit, sowohl für spontane Anliegen der Freiwilligen, als auch für geplante Reflexionsgespräche. Von entscheidender Bedeutung ist, dass es für jede*n Freiwillige*n eine klare Ansprechperson gibt, die im besten Fall über einen längeren Zeitraum für sie zuständig bleibt.

Zusätzlich zur individuellen Begleitung der Freiwilligen werden in den meisten Freiwilligenprojekten, in unterschiedlicher Frequenz, regelmäßige Freiwilligentreffen bzw. Freiwilligenabende in der Gruppe angeboten, in deren Rahmen sich die Freiwilligen austauschen und sich gegenseitig unterstützen können. Die gastgebenden Freiwilligenmanager*innen nutzen diese Zusammenkünfte sowohl um beraterische Hilfestellungen und Auskünfte zu erteilen als auch um allgemeine, relevante Informationen weiterzugeben.

„Da kriegt man auch von den anderen, die natürlich auch Erfahrung mit den Kindern haben, die sie begleiten, kriegt man auch ein Feedback. (…) Da wird dann auch darüber diskutiert. Also das empfinde ICH als ausgesprochen nützlich.“ (Freiwilliger 2.18:77)

Weitere Anziehungspunkte für Freiwillige sind die Entstehung neuer Kontakte und das Erleben von Gruppengefühl und Gemeinschaft. Für Freiwillige, die neu in die Gruppe aufgenommen werden, bieten Freiwilligentreffen attraktive Einstiegsmöglichkeiten, um sich persönlich vorzustellen und Gleichgesinnte kennenzulernen.

„Ja, es ist auch voll spannend, immer diese Supervisionstreffen z. B., wo wir eben auch austauschen, wie es anderen dabei geht und auch neue Kontakte irgendwie knüpfen. Ich bin zwar mit keinem der anderen noch so eng, dass wir auch freizeitmäßig uns treffen, aber ich glaube, das braucht auch oft eine Zeit.“ (Freiwillige 1.3:104)

Der Wunsch und Bedarf an Anleitung und Begleitung durch Freiwilligenmanager*innen ist bei Freiwilligen sehr unterschiedlich stark ausgeprägt. Das betrifft sowohl die Art (einzeln/in der Gruppe/beides) als auch das Ausmaß (schwach bis sehr stark). Manche Freiwillige pflegen den Kontakt zu Freiwilligenmanager*innen nur im erforderlichen Ausmaß und nehmen selten an gemeinsamen Treffen aller Freiwilligen teil. Andere hingegen gelten bei solchen Gelegenheiten als Stammgäste. Während manche Freiwillige häufiges Telefonieren bevorzugen, möchten andere nur in dringenden Fällen kontaktiert werden. Sofern gewährleistet werden kann, dass die Freiwilligenmanager*innen mit ihren Freiwilligen in ausreichendem Kontakt bleiben, orientiert sich die Anleitung und Begleitung in den untersuchten Freiwilligenprojekten an deren individuellen Bedürfnissen.

„Also eigentlich ist es ideal, weil, ich bin wirklich freischaffender Künstler in diesem Ehrenamt. Und habe aber diese Anbindung. So, dass ich also professionellen Rat mir da holen kann.“ (Freiwilliger 2.18:79)

Die Gründe, warum freiwillige Unterstützung von Familien nicht zu Stande kommen kann bzw. vorzeitig abgebrochen wird, lassen sich im Wesentlichen vier Konfliktbereichen zuordnen. Für die Anleitung und Begleitung freiwilligen Engagements ergibt sich daraus die Empfehlung, in Bezug auf ihr mögliches Auftreten, vorbeugende Maßnahmen zu treffen und sowohl mit Freiwilligen als auch Familien in konstantem Austausch zu bleiben.

  1. Unklare bzw. unterschiedliche Zielsetzungen (Zielkonflikt)
  2. Interessenskonflikte in Bezug auf die Ausgestaltung der Unterstützung (Gestaltungskonflikt)
  3. Unverbindlichkeit von Freiwilligen und Familien (Verbindlichkeitskonflikt)
  4. Mangelnde Abgrenzung von Freiwilligen und Familien (Nähe/Distanz-Konflikt)

Der Einsatz von Freiwilligen im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe kann Freiwillige und Familien vor erhebliche Herausforderungen stellen, die sich durch die gezielte Anleitung und Begleitung der Freiwilligenmanager*innen leichter bewältigen lassen. Zum Beispiel sind Freiwillige mangels Ausbildung und Vorerfahrungen selten auf Multiproblemlagen und das damit einhergehende Leid von Familien vorbereitet. Sie bekommen plötzlich Einblick in ihnen bisher unbekannte und für sie besorgniserregende Milieus und Lebensumstände, und kommen in Versuchung, Familien unter enormem persönlichem Zeit- und Energieeinsatz retten zu wollen. Die daraus häufig resultierenden Grenzüberschreitungen, Überforderungsgefühle, Frustrationen etc. werden z. B. dann zum Thema, wenn Freiwillige von der Undankbarkeit unterstützten Familien berichten oder ihre freiwillige Unterstützung abrupt abbrechen wollen. Umgekehrt kommt es ebenfalls vor, dass sich Familien den Freiwilligen gegenüber grenzüberschreitend verhalten, indem sie z. B. ein zunehmendes Maß an freiwilliger Unterstützung einfordern. Auch dort ist Freiwilligenmanagement im Konfliktfall gefordert Gespräche zu führen und zur Auflösung beizutragen. Weitere Phänomene, die in der Begleitung und Anleitung von Freiwilligen immer wieder thematisiert werden, sind aggressives und provokantes Verhalten von Jugendlichen, die generelle Unverbindlichkeit im Einhalten von Terminen oder fordernde Verhaltensweisen.

Die Anleitung und Begleitung von Freiwilligen ist gerade in Bezug auf den Einsatz in Familien, in denen gleichzeitig an Zielen im Rahmen der Einzelfallhilfe gearbeitet wird, besonders wichtig. Durch regelmäßigen Austausch kann die optimale Ergänzung von freiwilliger und hauptamtlicher Unterstützung gewährleistet bzw. verhindern werden, dass es zu Überschneidungen mit unerwünschten Nebenwirkungen kommt.

„Das war sehr, sehr wertvoll. Da habe ich einfach Hinweise bekommen: ‚Hier jetzt gerade nicht daran rühren, weil da möchten wir irgendwie ein Projekt mit der Familie machen. Auf der anderen Seite, wenn [der Jugendliche] von Ihnen an DER Stelle jetzt noch Unterstützung bekäme. Also, beispielsweise das mit dem Schwimmen. Das wäre sehr, sehr gut.‘“ (Freiwilliger 2.18:68)

Die Freiwilligenmanager*innen begleiten nicht nur Freiwillige sondern auch Familien, und führen, zumindest zu Beginn und am Ende freiwilliger Unterstützungsverläufe, Gespräche mit allen Beteiligten. Die Intensität der Kontakte zwischen Freiwilligenmanager*innen und Familien variiert nach Projekt. Zumindest stehen Freiwilligenmanager*innen im Zeitraum freiwilliger Unterstützung für Rückmeldungen durch Familien zur Verfügung. Das aktive Nachfragen bei Familien, wie sie das Engagement von Freiwilligen erleben, ob es Wünsche, Beschwerden oder Anregungen gibt, erhöht die Chancen darauf, dass eventuelle Fehlentwicklungen rechtzeitig zur Sprache kommen und Freiwilligenmanager*innen rechtzeitig darauf reagieren können.

3.6 Wertschätzung

Die Wertschätzung und Anerkennung freiwilligen Engagements gestaltet sich als anspruchsvolle Aufgabe. Damit die vorhandene Wertschätzung und Anerkennung bei den Freiwilligen ankommt ist es zielführend, dass Organisationen bzw. Freiwilligenmanagement eine Anerkennungskultur entwickeln, die zu den Bedürfnissen ihrer Freiwilligen passt. Dazu zählen Feedbackkultur, Rückmeldung zum Engagement, Wahrnehmen der Freiwilligen, Ermöglichen von Partizipation und Mitbestimmung und persönliche Ansprache (vgl. Kegel 2012, 76). Manche Freiwillige fühlen sich besonders durch Ehrungen, Urkunden, Preisverleihungen und öffentliche Danksagungen wertgeschätzt. Bei den meisten steht allerdings der Wunsch nach persönlicher Wertschätzung durch unterstützte Familien und Freiwilligenmanager*innen im Vordergrund.

„Und wir haben auch eine Person, einen ‚Kopf‘, ein ‚Ohr‘ für das, was sie erleben. (…) Das hat, glaube ich, auch etwas mit Wertschätzung zu tun (…) Dieses DA sein, einmal. Und Begleitung auch. Dann können sie etwas loswerden. Ich gegebenenfalls noch einmal etwas erklärend da hinzufügen. (…) Oder auch eine Rückmeldung. Also so motivatorisch. Das kommt echt GUT an.“ (Organisation 3.13:38)

Die stärkste Form der Wertschätzung ist das authentische Interesse und die persönliche Verfügbarkeit für die Anliegen und Themen von Freiwilligen. Letztlich möchten Freiwillige, wie im Übrigen auch hauptamtliche Mitarbeiter*innen, mit ihrer ganzen Person wahrgenommen und nicht bloß auf ihre Leistungsfähigkeit und ihren Beitrag zu Erreichung eines Ziels reduziert werden. Im Trubel des Arbeitsalltags von Freiwilligenmanager*innen empfiehlt es sich daher, bewusst Zeiträume für die Wertschätzung und Anerkennung von Freiwilligen zu reservieren. Dazu genügt häufig ein Telefonanruf mit der Frage, wie es in der aktuellen Unterstützung von Familien so läuft und ob es irgendwelche Fragen gibt. Empfehlenswert ist ein offenes Ohr für Nebenbotschaften im Gespräch, die man als Freiwilligenmanager*in in authentischer Weise aufgreifen kann, um Interesse an der Person des bzw. der Freiwilligen als Ganzes zu vermitteln.

Ein weiterer, wesentlicher Aspekt der Vermittlung von Wertschätzung liegt in der zeitnahen Bearbeitung der Anliegen von Freiwilligen. Und das, ohne Ausnahme, auch dann, wenn das Anliegen aus der Sicht des Freiwilligenmanagements nicht besonders dringlich scheint. Die rasche Beantwortung einer E-Mail von Freiwilligen vermittelt mitunter mehr Wertschätzung, als die Einladung zum jährlichen Freiwilligenfestival mit Sekt, Brötchen und Applaus.

Über die persönliche Begleitung freiwilligen Engagements hinaus, erfolgt die Wertschätzung freiwilligen Engagements in den Freiwilligenprojekten aus Graz, Stuttgart und Rosenheim durch:

„Man geht irgendwo hin, wo etwas Besonderes geboten wird. Irgendwie ein Stadtteiltheater, das man sonst nie kennenlernen würde. Oder, dass man eine nächtliche Führung durch das alte Schloss macht. Oder, wir haben eine Kelter besichtigt, eine Weinprobe gemacht. Das ist immer sehr originell und sehr nett. Also von daher, die Teilnehmer schätzen das.“ (Freiwilliger 2.18:77)

4. Ausblick

Die Forschungsergebnisse aus Graz, Stuttgart und Rosenheim zeigen, dass das Freiwilligenmanagement im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe vom Ausbau und der Weiterentwicklung in zumindest drei Bereichen profitieren könnte:

1.) Der Dokumentation und der Evaluation der Wirkungen von freiwilligem Engagement wird erheblich viel weniger Aufmerksamkeit gewidmet als anderen Aspekten. Als Hauptgrund dürften mangelnde Zeitressourcen der zuständigen Mitarbeiter*innen bzw. mangelnde strategisch-planerische Überlegungen insgesamt anzuführen sein. Dabei wäre gerade die Untersuchung des Verhältnisses von Investition und Wirkungen freiwilliger Unterstützung von besonderem Interesse. Auf ein vielversprechendes Instrument der Wirkungsmessung, die Social Return on Investment (SROI)-Analyse, verweist z. B. More-Hollerweger (2015, 139). Biedermann (2012, 66) plädiert dafür, die Anzahl an Freiwilligen, Zeiteinsatz und Dauer des Engagements den Wirkungen ihres Engagements gegenüber zu stellen, um qualitative und quantitative Aussagen zum Beitrag der Freiwilligen treffen zu können. Organisationen würden davon im Sinne steigender Transparenz und besserer Reputation profitieren. Außerdem sorgt die Organisation dadurch für mehr Wertschätzung und Anerkennung für die Freiwilligen, wenn positiv bewertete Erkenntnisse, in Geschäfts- und Jahresberichten, im Internet oder in Medienberichten veröffentlicht werden.

2.) Ebenfalls weiter entwickelbar ist der Aspekt der Vernetzung und Kooperation von Freiwilligenprojekten untereinander bzw. mit Kooperationspartner*innen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Kunst und Kultur usw., um gemeinsame Vorhaben und Projekte zu entwickeln. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Freiwilligenmanagement im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe häufig nur schwach nach Außen vernetzt ist und sich die Investitionsbereitschaft bzw. -möglichkeiten in Grenzen hält. Auch hier dürften auf Seite der Organisationen mangelnde Zeitressourcen bzw. mangelnde strategische Planung ausschlaggebend sein.

3.) Ein weiterer Aspekt ist die Reziprozität von Helfen und Geholfen-werden. Zum Thema Partizipation von Familien am freiwilligen Engagement wurden im Zuge der durchgeführten Forschung Elternteile und Jugendliche befragt, ob sie grundsätzlich dazu bereit wären, sich auch selbst freiwillig für andere zu engagieren. Die Antworten darauf waren dann positiv, wenn die fiktive Übernahme einer zusätzlichen Tätigkeit mit den eigenen familiären, beruflichen oder ausbildungsbedingten Anforderungen als vereinbar eingeschätzt wurde. Die meisten Befragten konnten spontan konkrete Tätigkeiten nennen, die sie gerne und freiwillig (d. h. unbezahlt) für andere übernehmen würden oder bereits ausführen.

„Zum Beispiel bei Mathe, wenn jemand Hilfe braucht, mache ich gerne. Und, ja, ich gehe auch öfters in Jugendhaus vorbei. Und dort nehmen wir Lieder auf. (…) Ich versuche mit derjenige, der dort kommt, befreundet zu sein. Und das als Freundschaft machen, und nicht wegen Geld.“ (Jugendlicher 2.12:138)

Die gezielte Ermöglichung bzw. aktive Förderung von freiwilligem Engagement von Kindern, Jugendlichen und Familien im Kontext von Kinder- und Jugendhilfe steht vielerorts noch ganz am Anfang. Entsprechende Überlegungen und Investitionen könnten schlüssig zu den im Fachkonzept Sozialraumorientierung aufgestellten Prinzipien der Unterstützung von Eigeninitiative und Selbsthilfe und der Konzentration auf Ressourcen in Bezug gesetzt werden. Die Erhöhung der Partizipationsmöglichkeiten für Familien könnte außerdem dazu beitragen, dass Reziprozitätsnormen erfüllt werden, indem Familien Hilfe nicht nur annehmen, sondern auch anbieten können. Mit Bedacht auf das Risiko überhöhter Erwartungen (vgl. Heimgartner 2005, 270) könnten sich die verstärkte Partizipation und Inklusion von Familien an freiwilligem Engagement aus mehreren Gründen lohnen:

Diese drei Bereiche verweisen abschließend auf mögliche Bereiche der Weiterentwicklung des Freiwilligenmanagements im Kontext eines sozialräumlichen Verständnisses von Organisationsentwicklung. Darüber hinaus verdeutlich der vorliegende Beitrag und die ihm zu Grunde liegende empirische Studie die hohe Relevanz und Vielschichtigkeit des freiwilligen Engagements im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe. Die dabei herausgearbeiteten Beispiele verdeutlichen, wie die weitere fachliche Umsetzung und Fortentwicklung dieses relevanten Handlungsfeldes auch zukünftig gestaltet werden kann.

Literatur

Bestmann, S. (2014): Fallunspezifische Arbeit in sozialräumlich organisierten Leistungsfeldern. In: Hinte, W./Fürst, R. (Hrsg.): Sozialraumorientierung. Ein Studienbuch zu fachlichen, institutionellen und finanziellen Aspekten. Wien: Facultas,  85–100.

Biedermann, C. (2012): Freiwilligen-Management. Die Zusammenarbeit mit Freiwilligen organisieren. In: Rosenkranz, D./Weber, A. (Hrsg.): Freiwilligenarbeit. Einführung in das Management von Ehrenamtlichen in der Sozialen Arbeit. 2. Auflage. Weinheim, Basel: Juventa, 57–66.

Fischer-Martin, P. (2012): Betreuungshilfe für Kinder und Familien in Notsituationen“ des Kinderschutzbundes Würzburg. In: In: Rosenkranz, D./Weber, A. (Hrsg.): Freiwilligenarbeit. Einführung in das Management von Ehrenamtlichen in der Sozialen Arbeit. 2. Auflage. Weinheim, Basel: Juventa, 243–254.

Heimgartner, A. (2005): Bürgerschaftliches Engagement trifft Sozialraum. In: Projekt „Netzwerke im Stadtteil“ (Hrsg.): Grenzen des Sozialraums. Kritik eines Konzepts – Perspektiven für die Soziale Arbeit. Wiesbaden: VS Verlag, 261–276.

BMASK (2017): Biografien und freiwilliges Engagement. URL: http://www.freiwilligenweb.at/de/article/neue-studie-biografien-und-freiwilliges-engagement. [11.05.2018].

Hinte, W./Treeß, H. (2014): Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe. Theoretische Grundlagen, Handlungsprinzipien und Praxisbeispiele einer kooperativ-integrativen Pädagogik. 3. Auflage. Weinheim, München: Juventa.

Herweg, O./Pfeifle, B. (2014): Zentrale Erfolgsfaktoren bei der Umgestaltung der Erziehungshilfelandschaft in der Landeshauptstadt Stuttgart. In: Jugendhilfe, Jg. 52, 2014, Nr. 2, 123–128.

Reifenhäuser, C. et al. (2016): Freiwilligenmanagement in der Praxis. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.

Kegel, T. (2012): Perspektive Strategisches Freiwilligenmanagement. In: In: Rosenkranz, D./Weber, A. (Hrsg.): Freiwilligenarbeit. Einführung in das Management von Ehrenamtlichen in der Sozialen Arbeit. 2. Auflage. Weinheim, Basel: Juventa, 67–77.

Krammer, I./Punkenhofer, S. (2014): Sozialräumliche Finanzierung in der Kinder- und Jugendhilfe. In: Hinte, W./Fürst, R. (Hrsg.): Sozialraumorientierung. Ein Studienbuch zu fachlichen, institutionellen und finanziellen Aspekten. Wien: Facultas, 244–253.

More-Hollerweger, E. (2015): Ökonomische Bedeutung von freiwilligem Engagement und Freiwilligenorganisationen. In: BMASK (Hrsg.): Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des Freiwilligen Engagements in Österreich. 2. Freiwilligenbericht. Wien, 143–145.

Pichlmeier, W./Rose, G. (2010): Sozialraumorientierte Jugendhilfe in der Praxis. Handreichung für kommunale Entscheidungsträger am Beispiel der Stadt Rosenheim. Kommunal Verlag GmbH: Rosenheim.

Schaden, E. et al. (2018): Freiwilliges Engagement in der sozialräumlichen Kinder- und Jugendhilfe Graz. Erfahrungsbericht. Graz.

Schaden, E. (2019): Freiwilliges Engagement in der sozialräumlichen Kinder- und Jugendhilfe. Perspektiven aus Graz, Stuttgart und Rosenheim. Opladen, Berlin, Toronto: Budrich Academic Press.


Fußnote

[1] http://www.stuttgart.de/img/mdb/publ/9476/106957.pdf [22.07.2020]


Zitiervorschlag

Schaden, Elias (2020): Freiwilligenmanagement in der Kinder- und Jugendhilfe – Perspektiven aus Graz, Stuttgart und Rosenheim. In: sozialraum.de (12) Ausgabe 1/2020. URL: https://www.sozialraum.de/freiwilligenmanagement-in-der-kinder-und-jugendhilfe.php, Datum des Zugriffs: 02.12.2024