Lichtentaler Perspektiven: Sozialraumanalyse in Wien-Alsergrund

Peter Kaiser, Betül Yalciner

Neun Jahre nach einer ersten Sozialraumanalyse des „Jugendzentrums „Z 9“ im 9. Wiener Gemeindebezirk (damals die erste Sozialraumanalyse des Vereins Wiener Jugendzentren!) beschloss das Team dieser Einrichtung, das sozialräumliche Umfeld der Einrichtung erneut zu untersuchen.

Die Ergebnisse der sehr aufwändigen und anschaulich dokumentierten Untersuchung, soll nicht nur den JugendarbeiterInnen, sondern auch anderen EntscheidungsträgerInnen im Bezirk neue Einblicke und mögliche Perspektiven einer entsprechenden Kinder- und Jugendförderung im Bezirk eröffnen. Die Sozialraumanalyse soll  zum besseren Verständnis der Handlungsräume junger Menschen beitragen und Anlass zu Verbesserungen der sozialräumlichen Bedingungen der Kinder und Jugendlichen im Bezirk geben.

Der „Alsergrund“, der neunte Wiener Gemeindebezirk, ist ein sehr kleiner, innerstädtischer Bezirk, der u.a. an die Ringstraße, die Hauptdurchzugsstraße Gürtel und den Donaukanal grenzt. Er ist rund 3 km2 groß und hat 39.688 EinwohnerInnen (Stand: 2011). Das Lichtental, in dem das Zentrum 9 angesiedelt ist, ist einer von acht Bezirksteilen. Obwohl „der Neunte“ häufig als bürgerlich wahrgenommen wird, sorgt mittlerweile die soziale Durchmischung und die Unterteilung in einzelne Grätzel für eine heterogene Struktur.

Das Projekt der „Lichtentaler Perspektiven“ startete im März 2010 mit strukturierten Stadtteilbegehungen, einer Institutionenbefragung und Interviews mit „Schlüsselpersonen“ des Bezirks (vgl. zu den Methoden Krisch 2009). Da es nicht Anspruch der Analyse war, den ganzen Bezirk zu erfassen, wurden die Stadtteile, in denen keine der Z 9-BesucherInnen wohnen bzw. sich aufhalten, nicht miteinbezogen. Stattdessen erstreckten sich unsere Begehungen auch in den Bereich des angrenzenden 20. Bezirks, aus dem auffällig viele BesucherInnen kommen. Viele, auch jüngere Jugendliche verfügen über große Mobilität und erweitern ihre Handlungsräume auch über Bezirksgrenzen hinweg!

Unter Anwendung verschiedener sozialräumlicher Erkundungsmethoden, wie Stadtteilbegehungen, Parkbeobachtungen, Beschreibungen von Jugendkulturen, Zeitbudgets (vgl. Krisch 2009) wurden umfangreiche Erhebungen bis Ende Juli 2010 und ab September 2010 durchgeführt. Bis November 2010 dauerten die Auswertungen und die Verschriftlichung der Eindrücke an. Dabei konnten alle jugendrelevanten Orte beschrieben werden, über Fotodokumentationen, Beobachtungen und Befragungen von Jugendlichen konnten die „sozialökologischen Qualitäten“ des Lichtentals für die Heranwachsenden fuundiert beschreiben werden.

Die wichtigsten Resultate ergaben sich aus dem Methodenmix der angewendeten Verfahren. Besonders hervorzuheben sind die Stadtteilbegehungen mit Kindern, jüngeren (Teens) und älteren Jugendlichen. Qualitativ aufschlussreiche Perspektiven über jugendliche Lebenswelten und Selbstwahrnehmungen kamen mithilfe des Jugendkulturen- und Cliquenrasters zustande.

Entscheidende Aspekte der sozialräumlichen Erhebungen bestätigten erfreulicherweise, dass eine Einrichtung wie das Zentrum 9 als fixe Alternative zu wenig jugendgerechten Lokalitäten (z.B. der zu beobachtenden Zunahme an Shisha-Lokalen) etabliert ist.

Aufgrund personaler und zeitlich begrenzter Ressourcen brauchte es einiges an organisatorischem Geschick, die Sozialraumanalyse mit dem offenen Jugend- und Kinderbetrieb zu koordinieren. Die Abschlussarbeiten wurden auf März/April 2011 gelegt. Als letztes „Updates“ fanden abschließende Stadtteilbegehungen statt, die die Aktualität der qualitativen Beobachtungen in der 80 Seiten starken Arbeit gewährleisten.

Am Mai 2011 fand die Präsentation der „Lichtentaler Perspektiven“ im Zentrum 9 statt. Das Produkt eines ressourcenintensiven, lehrreichen Prozesses wurde BezirkspolitikerInnen samt Bezirksvorsteherin, KollegInnen und anderen jugendrelevanten ExpertInnen erfolgreich vorgestellt.

PDF-IconLichtentaler Perspektiven: Sozialraumanalyse in Wien-Alsergrund
PDF-Datei, 15,1 MB

Literatur

Krisch, Richard (2009): Sozialräumliche Methodik der Jugendarbeit. Aktivierende Zugänge und praxisleitende Verfahren. Juventa Verlag, Weinheim und München.