Shel Trapp – Über die Dynamiken des Organizing

Lothar Stock, Hester Butterfield

Shel Trapp (1935–2010), ein angesehener US-amerikanischer Community Organizer [1], großartiger Taktiker und Stratege, bildete unzählige Organizers aus und half dabei, mehrere Community Organizations zu gründen (z. B. die National People‘s Action). Im Gegensatz zum in der deutschen Rezeption von Community Organizing umfangreich berücksichtigten Saul Alinsky ist das Wirken von Trapp hierzulande nur wenig bekannt. Steht ersterer insbesondere für das „Broad Based Organizing“ (Organisieren von Organisationen), fokussierte Trapp äußerst kreativ und ebenso wirkungsvoll auf ein „Graswurzel-Organizing“ (Organisieren von Einzelpersonen) und dessen Technik des „Door Knocking“ (Türgespräche als erste Kontaktaufnahme). In der Entwicklung des „menschlichen Geistes“ und der „inneren Haltung“ sah er den entscheidenden Weg, Macht aufzubauen, um gegen Ungerechtigkeiten in der US-amerikanischen Gesellschaft erfolgreich anzugehen. Dies führte hin bis zu landesweiten Kampagnen, z. B. gegen Rassismus, gegen diskriminierende Wohnbedingungen sowie für mehr politische Teilhabe der Menschen in der Nachbarschaft.

Der nachfolgende Beitrag zeichnet das Wirken von Shel Trapp sowie dessen Bedeutung für die Entwicklung von CO in den USA nach und illustriert dies abschließend mittels eines konkreten Beispiels. Zudem wird der Frage der Übertragbarkeit des Ansatzes auf die gegenwärtige gesellschaftliche Situation in Deutschland nachgegangen.

Ein Leben für das Organizing

Shel Trap wurde 1935 als zweiter Sohn eines Pfarrerehepaars geboren und verbrachte weite Teile seiner Kindheit in St. Paul, der am Mississippi gelegenen Hauptstadt des US-Bundesstaates Minnesota. Die Sommerferien verbrachte er über viele Jahre hinweg immer wieder auf der großväterlichen Farm in Rochester, 40 km südöstlich von St. Paul. So lernte er neben dem Leben im großstädtischen elterlichen Pfarrhaus auch jenes im ländlichen Bereich kennen. Trapp – wie er selbst gerne genannt wurde – war gerade einmal elf Jahre alt, als sein Vater während eines Angelausflugs zu den Boundary Waters, einem Wildnisgebiet im Nordosten von Minnesota an der kanadisch-amerikanischen Grenze, an einem Herzinfarkt verstarb. Die Mutter musste mit ihren beiden Söhnen das bislang bewohnte Pfarrhaus verlassen und nahm eine Stelle als Sekretärin an. Fünf Jahre später kam sein älterer Bruder Rollie, der zu dieser Zeit das Priesterseminar besuchte, bei einem Verkehrsunfall ums Leben. „Danach waren es nur noch ich und meine Mutter gegen den Rest der Welt – und wenn es nach ihr ging, würde die Welt verlieren. Das waren nicht die glücklichsten Zeiten. Das Geld war knapp“ (Trapp 2020: 61). Mit diesen Worten skizzierte Trapp die damalige Lebenssituation der Familie. Doch es sollte noch schlimmer kommen.

Ebenso wie sein Bruder Rollie litt auch Shel Trapp genbedingt an Alopecia Areata, einem kreisrunden Haarausfall, der bereits zu Zeiten seines High School Besuchs einsetzte. Im Nachhinein bewertete Trapp diesen dritten Schicksalsschlag jedoch „wie ein Segen in Verkleidung“ (ebd.), der ihm zu der Erkenntnis verhalf, „dass sich die Welt an mich anpassen musste, nicht umgekehrt“ (ebd.: 61f.).

Während seiner Zeit am North Central College in Naperville, einer Stadt in der Metropolregion Chicago, gehörte Trapp dem dortigen Football-Team an und auf dem Spielfeld lernte er etwas Entscheidendes: „Dass ich hier dem Konflikt nicht aus dem Weg gehen konnte. Entweder ich ramme meinen Gegner um oder er mich. Football hat mir dabei geholfen, mich zu demjenigen zu machen, der ich heute bin“ (ebd.: 62). Auch in seinen späteren Erzählungen griff Trapp immer wieder gerne auf Beispiele aus dem American Football zurück.

Zwischen dem Abschluss am College und dem Beginn seines ersten Jahres im Theologischen Seminar, um Pfarrer zu werden – „Welche Wahl hatte ich denn schon? Mein Vater war Pfarrer, mein Onkel war Pfarrer und mein Bruder war auf dem besten Weg dahin.“ (Ebd.: 64) – lernte Trapp auf einer Reise zu einem Freiwilligeneinsatz in Europa seine spätere Frau Anne, Tochter eines Bischofs, kennen. Noch während seiner Priesterausbildung heiraten die beiden.

Nach seiner Ordination zum Pfarrer wurde Trapp in zwei Gemeinden etwas südlich von St. Paul geschickt, deren umfassende seelsorgerische Betreuung ihm nun oblag. In dieser Zeit begann er sich selbst mit Texten von u. a. Dietrich Bonhoeffer und Paul Tillich – alles Autoren, die ihm im Theologischen Seminar vorenthalten wurden – religiös weiterzubilden. „Ich begann Religion nicht als etwas zu verstehen, das mich auf eine andere Welt vorbereiten sollte oder mir einen Haufen Richtlinien für Höflichkeit präsentierte, sondern als Leitfaden für Konfrontationen. Denn die sah ich plötzlich überall im Neuen Testament“ (ebd.: 65). Es folgte eine Anstellung bei einer kleinen Kirchengemeinde in Lake View, am Ufer des Michigansees in Chicago. Dort gründete Trapp – als Gegenpol zum gewählten und eher repräsentative Aufgaben wahrnehmenden Kirchenvorstand – ein sogenanntes „‘Gemeindekomitee‘, eine Gruppe von sechs handverlesenen Mitgliedern der Kirche. … Der Übergang zum Organizing hatte damit schon begonnen, ohne dass ich es bemerkt hatte“ (ebd.: 66).

Im Jahr 1965 besuchte Trapp, zusammen mit sieben weiteren Priestern aus Chicago ein Methodisten-College in Jackson, der Hauptstadt des Bundesstaates Mississippi im Süden der USA. In der dortigen Methodisten-Kirche wollte die Gruppe, gemeinsam mit einem schwarzen Priester, eine Predigt abhalten. Das Resultat war ein einwöchiger Gefängnisaufenthalt ohne Möglichkeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren („Anne war zuhause mit unseren beiden Kindern in Windeln und wusste nicht, was los war.“; ebd.: 67) sowie die Anprangerung der Aktion durch seinen Vorgesetzten. Er „sagte mir, dass das, was ich getan hatte, kein Weg sei, um einmal eine Vorstadtkirche zu bekommen – was dank des hohen Gehalts und der ebenso hohen Lebensqualität in seinem Weltbild wohl das ultimative Ziel eines jeden jungen Priesters sein sollte. Sein Kommentar war der Anfang vom Ende für mich. An diesem Tag begann ich, nach anderen Jobs zu suchen, und landete beinahe bei der Chicago Commission on Human Relations [2]. Zum Glück lief ich stattdessen Gaudette in die Arme und fing bei Organizing for a Better Austin an“ (ebd.: 68).

Von 1966 an hatte sich Trapp in seinem beruflichen Wirken somit explizit dem Community Organizing verschrieben. Den Anfangsjahren bei Organization for a Better Austin (1966–1970) folgte die Zeit bei der Northwest Community Organization (1970/71) mit der Herausbildung der West Side Coalition und im Jahr 1972 schließlich – zusammen mit Gale Cincotta – die Gründung von National People’s Action (NPA) als landesweiter Zusammenschluss von Community Organizations sowie des ebenfalls US-weit agierenden National Training und Information Center (NTIC). Herauszustellen ist in dieser Zeit insbesondere seine Zusammenarbeit mit der Behindertenrechtsbewegung ADAPT [3]. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben im Jahr 2000 blieb Trapp weiterhin in Chicago sowie in den gesamten USA als Organizer und Trainer aktiv. Daneben überarbeitete und vervollständigte er seine „Dynamics“-Kolumnen (vgl. Trapp 2020). Trapp starb im Oktober 2010 an einer Lungenentzündung. Im Nachfolgenden wird auf einzelne Aspekte seiner jahrzehntelangen Organizing-Aktivitäten etwas ausführlicher eingegangen.

Panic Peddling, Redlining, Community Reinvestment Act, Reclaim America

Die Wohnsituation – sowohl individuell bezogen auf die eigenen „vier Wände“ als auch ganz allgemein im Stadtteil – war eines der zentralen Themen in den 1960er/1970er Jahren und wurde daher auch zum Ausgangspunkt vieler Organizing-Prozesse. Ein zur damaligen Zeit nicht nur im Stadtteil Austin im Westen von Chicago massiv auftretendes Phänomen war das sogenannte „Panic Peddling“, bei dem Immobilienmakler*innen ungefragt bei weißen Hausbesitzer*innen an die Tür  klopften, um diese dazu zu bewegen, ihr Haus zu verkaufen, z. B. mit den Worten: „Wenn Sie heute nicht verkaufen, ist ihr Haus schon morgen weniger Wert, weil Sie wissen ja, wer hier in das Quartier ziehen wird“. Derart eingeschüchtert verkauften in der Tat viele Hausbesitzer*innen ihr Wohneigentum – in der Regel deutlich unter Wert – dann an die Immobilienmakler*innen. Diese wiederum verkauften die Immobilie mit quasi über Nacht merklichem Wertzuwachs anschließend an schwarze Familien weiter. Hatte diese Entwicklung in einem Stadtteil erst einmal eingesetzt, war sie nur noch schwer zu stoppen. Mit fantasievollen Aktionen, angefangen mit der öffentlichen Bekanntmachung der Makler*innennamen und deren zwielichtigen Praktiken, über vor Ort Besuche in deren noblen Wohngegenden bis hin zur Ausrichtung von Panic Peddling Partys gelang es Organization for a Better Austin, diesen Praktiken Einhalt zu gebieten. „Es war das erste von vielen Beispielen meines Lebens, in dem sich Menschen unterschiedlicher ethnischer Gruppen für ein gemeinsames Ziel die Hand reichten und dabei die Leute aufhielten, die ihre Nachbarschaft ‘vergewaltigen‘ wollten“ (Trapp 2020: 20), resümierte Trapp den Erfolg der von ihm mit initiierten Aktivitäten.

Eine andere weit verbreitete, dieses Mal aber von den Banken angewandte Praxis dieser Zeit war das sogenannte „Redlining“, bei dem diese auf einem Stadtplan rote Linien um jene Gebiete zogen, in denen sie keine Kredite vergeben wollten. Meist handelte es sich hierbei um einkommensschwache Nachbarschaften, deren Bewohner*innen damit seitens der Bank per se von der direkten Kreditvergabe ausgeschlossen wurden. Als einzige Möglichkeit verblieb diesen dann allein der Weg über die sich in öffentlicher Hand befindende und dem U.S. Department of Housing and Urban Development unterstehende Federal Housing Administration (FHA), die den gewünschten Kredit gegenüber den privaten Kreditgebern rechtlich absicherte, im Falle des Zahlungsverzugs der Schuldner*innen an deren Stelle trat und damit die Rückzahlung des geliehenen Geldes samt angefallenen Zinsen in jedem Fall gewährleistete. Derart komfortabel abgesichert wurden an die vormals kreditunwürdigen Bewohner*innen nunmehr Kredite vergeben, deren monatlichen Rückzahlungsraten diese in nicht seltenen Fällen finanziell überforderten und somit letztlich in merklichem Ausmaß zum Verlust des eben gerade neuerworbenen Wohneigentums führten. Gale Cincotta und Shel Trapp erkannten sehr schnell, dass sich derartige Praktiken allein auf örtlicher Ebene zwar bekämpfen, aber nicht grundlegend verhindern ließen. Hierzu bedurfte es vielmehr weitergehender Strategien, die auch über die Grenzen der einzelnen Bundesstaaten hinausgehen und folglich auf die landesweite Ebene ausgerichtet sein mussten. Die Notwendigkeit einer US-weiten Organisationsform war demnach erkannt und fand in der Gründung der National People’s Action (NPA) schließlich ihren organisatorischen Ausdruck. Deren Wirken, unter maßgeblicher Beteiligung von Cincotta und Trapp sowie im engen Schulterschluss mit weiteren Organisationen, hat schließlich dazu geführt, dass das sogenannte „Redlining“ im Jahr 1977 gesetzlich verboten wurde. Der unter Präsident Jimmy Carter verabschiedete Community Reinvestment Act (CRA) verbietet seitdem die Beschränkung der Kreditvergabe auf wohlhabende Wohngegenden bzw. Schichten. Bis Anfang der 2000er Jahre „sind allein durch dieses Gesetz mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar in einkommensschwache Stadtteile im ganzen Land geflossen“ (Regina McGraw in: Trapp 2020: 2).

Trapps Organizing-Aktivitäten beschränkten sich jedoch nicht allein auf die Wohnungsthematik, ebenso ging es dabei z. B. um den öffentlichen Transport von schwarzen Schulkindern, um deren Schulbildung ganz allgemein, um Stopp-Schilder und weitere Maßnahmen der innerstädtischen Verkehrsberuhigung, um Müll und herumliegende Einkaufswagen im Stadtteil, um Jobs für lateinamerikanische Zuwander*innen oder im Fall von Menschen mit Behinderung, um deren gleichberechtigte, weitestgehend barrierefreie Teilnahme am öffentlichen Leben. [4] Eine letzte, wiederum landesweit ausgelegte, Kampagne von Trapp und NPA soll die hier beispielhafte Auflistung seiner Organizing-Aktivitäten abschließen: Reclaim Amerika.

Nach der Wahl von Ronald Reagan zum 40. Präsidenten der USA organisierte NPA, zusammen mit anderen verbündeten Organisationen, im Herbst 1982 die landesweite Kampagne Reclaim America („Wir nehmen uns unser Land zurück“), „ein monatelanger Protest, der quer durch das ganze Land wütete und umso größer wurde, je weiter er kam. Die Menschen erkannten, dass Amerika nun von Firmen regiert wurde, nicht von Politikern – und schon gar nicht vom gemeinen Volk. Reclaim America wurde zu einem der größten Erfolge von NPA – und das, obwohl wir anfangs keinen blassen Schimmer davon hatten, wie die Aktion eigentlich aussehen sollte. … Dann hatten wir einen Geistesblitz: Reclaim America sollte direkt zur Wall Street führen“ (Trapp 2020: 97f.). Entsprechend der Erkenntnis von der entscheidenden Bedeutung der Wirtschaft in der Reagan-Regierung wurden auf dem Weg dorthin mehrere Unternehmen bzw. entsprechende Vereinigungen aufgesucht, so z. B. die Zusammenkunft der American Bankers Association im McCormick Place (Kongresszentrum) in Chicago, der Vorsitzende von Standard Oil of Ohio (der im Hunt Club für Pferdeliebhaber in Cleveland mit den Forderungen der Kampagne konfrontiert wurde), der Vorsitzende der Federal Reserve Bank in Washington D.C. (um mit ihm über die gerade von der Bank vorgenommene Zinserhöhung bei Hypotheken von 18 auf 20 Prozent zu reden) oder der Vorstand der American Medical Association in Philadelphia (um mit diesem über die hohen Preise von verschreibungspflichtigen Medikamenten zu diskutieren). Schließlich waren es fast 5.000 Menschen, die zum Abschluss der Kampagne auf der New Yorker Wall Street den Kampfgesang „Wall to wall on Wall Street“ anstimmten. „Das war ein fantastischer Tag. Wenn man aber ehrlich ist, hat Reclaim America wenige echte Siege errungen. Aber es hat eine Menge Spaß gemacht. Noch Jahre später kamen Menschen auf mich zu und teilten mir mit, dass sie damals auch in der Wall Street standen – etwas, das für mich Bände dafür spricht, wie viel Selbstachtung die Leute durch die Aktion erhielten und diese bis heute mit sich tragen“ (ebd.: 99). Genau dies war es, worum es Trapp in all den Aktionen – neben den unmittelbaren Erfolgen – auch immer ging, den Menschen ihre Würde und Selbstachtung zurückzubringen.

Menschen ermutigen – die innere Haltung stärken – Macht aufbauen

Ausgangspunkt für das Organizing von Shel Trapp war immer das Individuum, der einzelne Mensch. Insofern unterschied sich sein „Graswurzel-Organizing“ schon merklich von dem was Saul Alinsky und die von ihm 1940 gegründete Industrial Area Foundation (IAF) propagierte, bei dem der Schwerpunkt auf das „Organisieren von Organisationen“ (broad based organizing) lag. Doch wie das Beispiel von NPA mit zuletzt 29 Graswurzel Community Organizations in 18 US-Bundesstaaten zeigt, blieb Trapps Wirken nicht allein auf die örtliche Ebene beschränkt. Vielmehr verstand er es in beeindruckender Weise, aus zunächst lokalen Aktivitäten immer wieder Kampagnen mit US-weiter Ausstrahlung zu initiieren. Eine gewichtige Rolle spielte dabei das von ihm gemeinsam mit Gale Cincotta gegründete National Training and Information Center (NTIC), das nicht nur unzählige Organizers ausbildete, sondern sich im gleichen Maße der Schulung der örtlichen Leaders (Schlüsselpersonen) verschrieben hatte und deren Agieren vor Ort mit Mentoring-Programmen sowie der Veranstaltung entsprechender Klausurtage unterstützte. Im Rahmen des NTIC reiste Trapp quer durch die gesamten USA „und konnte dabei sehr überzeugend sein“ (Gordon Mayer in: Trapp 2020: XI). George Goehl, einer seiner Nachfolger bei NPA (heute: People’s Action), berichtet davon, „wie Trapp für ein halbtägiges Training in eine Stadt flog und die Teilnehmer noch am Ende desselben Tages dazu brachte, das erworbene Wissen in die Tat umzusetzen“(zitiert nach: ebd.).

Im Mittelpunkt stand für Trapp dabei stets die direkte Aktion, das Handeln der Menschen. Erst dadurch war es ihnen möglich, sich wirklich für Veränderungen ihrer Lebenssituation einzusetzen. Erst dadurch – so seine Überzeugung – wurde ihre Stimme gehört, zunächst meist eher im lokalen Bereich, später gegebenenfalls aber auch auf landesweiter oder gar nationaler Ebene und nur auf diese Weise konnten die bestehenden Vorgaben und Gesetze in ihrem Sinne geändert werden. Um dies zu erreichen, galten für Trapp einige zentrale Prinzipien im Organizing:

Zu seinen eher auf den Organizer bezogenen Prinzipien kommt zum Abschluss des Beitrags Shel Trapp dann selbst zu Wort. An dieser Stelle soll stattdessen noch auf die umfangreichen Fundraising-Aktivitäten von Trapp hingewiesen werden. Dabei ging es ihm nie allein um die eigene Organisation, sondern stets auch um die bei NPA mitwirkenden Organizing-Projekten, sei es für Fahrtkosten zu gemeinsamen Aktivitäten, für Finanzierungsanteile von Trainings oder aber für lokale Organizing-Kampagnen. Seine Erfahrungen und ebenso seine Kontakte zu potentiellen Geldgeber*innen gab Trapp selbstredend immer gerne an diese Gruppen weiter.

Was wir von Shel Trapp lernen können

Welche Lehren können aus Organizing-Aktivitäten im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts – und dann noch in einem anderen Sprachraum mit dem Verständnis einer deutlich geringeren Verantwortung des Staates für den sozialen Schutz seiner Bürger*innen – für die 2020er Jahre hierzulande gezogen werden? Ist dies nicht alles „Schnee von gestern“ und inwieweit lässt sich die gesellschaftliche Situation in den USA mit derjenigen in Deutschland überhaupt vergleichen? Dies sind sicherlich berechtigte Fragen, aber es gibt doch gute Gründe, sich mit dem Wirken von Shel Trapp auch jenseits des „großen Teichs“ auseinanderzusetzen.

Zum einen wird Community Organizing auch hierzulande – wahrlich nicht in dem Ausmaß wie in den USA – praktiziert [6] sowie in den letzten Jahren zunehmend intensiv und durchaus auch kontrovers diskutiert [7]. Zum anderen sind auch in Deutschland bislang unangetastete sozialstaatliche Gewissheiten in jüngerer Vergangenheit ins Wanken geraten, begleitet von einer fortwährenden Umverteilung von Unten nach Oben. Hierbei gelingt es einer kleinen Minderheit der Bevölkerung (meist ohne große Widerstände), ihre eigenen Interessen und Privilegien auf Kosten der großen Mehrheit durchzusetzen. Vor dieser gesellschaftlichen Entwicklung „wird es immer wichtiger, dass Verteilungskonflikte eindeutig benannt werden“ (Hille Richers/Thomas Fues in: Trapp 2020: VII). Und genau dies tat Trapp mit allem Nachdruck und in vielfältigen sowie sehr kreativen Aktionen, ohne Dogma und schon vorab festgezurrten Strukturen. „Manchmal schien es, als ob es Trapp fast egal wäre, woraus die Tat letztlich bestand, solange die Gruppe nur irgendwie aktiv wurde“ (Gordon Mayer in: ebd.: XI), ohne dabei allerdings in blinden Aktionismus zu verfallen. Strategische Planungen waren stattdessen immer ein elementarer Bestandteil seiner Organizer-Kampagnen, jedoch wenn es die Situation verlangte, konnte und musste von den vorgedachten Strategien jederzeit abgewichen werden. Das Verlassen vermeintlich festgefahrener Bahnen ist ja gerade auch mit ein entscheidendes Merkmal der jüngeren Protestbewegungen sowohl in Deutschland bzw. Europa (z. B. Fridays for Future) als auch in den USA (z. B. Black Lives Matter).

Verteilungskonflikte sind aber immer auch Machtfragen und damit für diejenigen, die mehr haben wollen als ihnen bislang zugestandet wird, unabdingbar mit dem Aufbau eigener Handlungsmacht sowohl individuell als auch kollektiv – mittels eigenständigen Organisationen – verbunden (Empowerment). Für Trapp war das stets mit der (Zurück-)Gewinnung der eigenen persönlichen Würde der Menschen verbunden und dies war der eigentliche Antrieb seines Handelns. „Für mich sind 500 Leute in Rollstühlen, die für einen gemeinsamen Zweck am selben Ort im selben Raum sitzen, eine großartige und mächtige Erfahrung“ (Trapp 2020: 106f.). In diesem Sinne steht Trapp für ein Organizing, dass nicht allein mit den Leaders der Community Organizations arbeitet, sondern er ließ sich in besonderem Maße auch auf diejenigen ein, die (noch) nicht organisiert waren bzw. (noch) keine Führungsrolle in den Nachbarschaften übernommen hatten. Diese Menschen zu ermutigen, durch eigenständiges Handeln sich ihrer Menschenwürde bewusst zu werden und so die damit verbundene innere Haltung zu stärken, um schließlich auf diesem Wege eigene Macht aufzubauen, das ist der große Beitrag, den Trapp für die Entwicklung des Community Organizing in den USA geleistet hat.

Er hat damit entscheidend die dortige Etablierung des Graswurzel-Organizing mitinitiiert. Sein Menschenbild, sein absolutes Vertrauen in die Fähigkeiten jeder einzelnen Person sowie sein unabdingbarer Respekt vor jedem Individuum, das ist es, was auch hierzulande von Trapp gelernt werden kann und dies ist weit weg sowohl von jeglicher Form eines wie auch immer gearteten fürsorglichen Paternalismus als auch von einem Denken und Handeln nach vorher festgezurrten Mustern. Das ist Graswurzel-Organizing at its best.

Neben seiner schier unermüdlichen Organizer-, Trainer- und Beratertätigkeit, quer hinweg über die gesamte USA, war aber auch das Verfassen zahlreicher Kolumnen „Teil von Trapps Vorgehensweise und reflektierte seine Art zu denken“ (Gordon Mayer, in: Trapp 2020, S. XII). Eine davon soll in den ihm eigenen Worten diesen Beitrag abschließen.

Shel Trapp: „Was ich von meinen Hunden gelernt habe. Eine Einführung“

Ein Organizer versucht immer etwas Neues zu lernen – auch aus sehr ungewöhnlichen Quellen. Über die Jahre hinweg waren meine besten Lehrer die vielen Hunde, die meine Familie besessen hat. Sie haben mich immer begrüßt, egal wann ich nach Hause gekommen bin, und mir das Gefühl gegeben, dass alles in Ordnung sei, egal ob der Tag ein Reinfall war oder nicht. Beim Organizing sammelt man nicht allzu viele Trophäen – da ist es schön, stets warm willkommen geheißen zu werden, wenn man nach Hause kommt.

Immer wenn einer unserer Hunde hinaus wollte, kam die gleiche Taktik zum Einsatz: Er ging zur Hintertür und fing an zu winseln oder zu bellen. Innerhalb einiger Minuten haben wir ihn dann hinaus gelassen. Unser derzeitiger Hund, Big Guy, ein 40 kg schwerer Schäferhund, ist da eine Ausnahme. Von all unseren Haustieren ist Big Guy der beste Organizer. Wenn er hinaus will, verhandelt er nicht mit der Hintertür – er verhandelt mit den Personen, die die Hintertür öffnen können. Wenn er hinaus will, kommt er zu uns und macht einen „Bull Rush“. Das ist ein Manöver aus dem American Football, bei dem der defensive den offensiven Lineman [8] überrumpelt und so die gegnerische Linie durchbricht. Der Trick ist sehr direkt und sorgt für schnelle Resultate: Big Guy ist innerhalb von 30 Sekunden draußen. An der Hintertür zu winseln statt einen „Bull Rush“ zu machen, ist das Gleiche, wie bei einer Bank mit dem Wachposten an der Vordertür zu diskutieren, anstatt reinzumarschieren und ein Gespräch mit dem Direktor zu verlangen, der das Tor zu Reinvestitionen [9] in der Nachbarschaft öffnen kann. Big Guy geht direkt zu den Leuten, die die Macht haben, die Tür zu öffnen – ganz ähnlich wie eine Organisation, die nicht winselt oder bellt, sondern direkt zur Quelle der Macht geht und diese konfrontiert. Winseln ist für Memmen, der „Bull Rush“ fürs Community Organizing.

Alle Räume in unserem Haus sind durch einen Flur miteinander verbunden. Es gibt keine Möglichkeit, von einem Raum in den anderen zu kommen, ohne da durch zu gehen. Wo setzt sich Big Guy also am liebsten hin? Ganz genau – direkt in die Mitte des Flurs. Er will nichts verpassen. Die strategische Lage erlaubt es ihm sicherzustellen, dass weder ich noch meine Frau Anne das Haus verlassen oder zum Kochen in die Küche gehen können, ohne dass er darüber Bescheid weiß. Auf diese Art ist er Teil von allem, was im Haus passiert. Auch hier kann sich das Community Organizing eine Scheibe von Big Guy abschneiden. Durch das Blockieren von wirtschaftlichen Verkehrsadern macht man sich unübersehbar. Es ist wichtig, sich so in der Community zu positionieren, dass man stets den Überblick über die aktuellen Geschehnisse behält. Eine Organisation sollte immer nahe an der Aktion sein – vielleicht führt dies zu Futter, zum Gassi gehen oder im Fall von Community Organizing zu einem Sieg.

Hier sind noch einige andere Lernerfahrungen, mit freundlicher Genehmigung von Big Guy:

Angriff. Wenn die Tür, das Telefon oder die Eieruhr klingelt, fängt Big Guy an zu bellen und herumzuspringen. Er spürt Gefahr und das instinktive Verlangen, sein Revier und sein Rudel zu verteidigen. Wie ließe sich Community Organizing besser beschreiben? Politikwissenschaftler würden uns gerne glauben lassen, dass es der Job von Politikern und anderen innerhalb der Machtstrukturen von Städten, Bezirken, Schulen, des Staates oder der Regierung ist, die Menschen in ihrer Obhut zu beschützen. Jeder, der das wirklich glaubt, geht wohl noch zur Sonntagsschule. Nur die in Gruppen organisierten Menschen in der Nachbarschaft können sich selbst beschützen! Daher muss man sich stets im Angriffsmodus befinden, immer bereit sein zuzuschlagen, wenn der Community eine Gefahr droht.

Ein Kind wurde an einer Straßenecke von einem Auto angefahren. Die Bewohner organisierten eine Petition, um dort ein Stoppschild anzubringen und reichten diese beim Stadtrat ein. Einige Zeit verging und nichts hat sich getan. Als darüber diskutiert wurde, kam man auf neue Ideen und wir entwickelten eine aggressivere Strategie. Am nächsten Tag stand eine Frau mit Kinderwagen an der gleichen Ecke. Im Kinderwagen befand sich ihr „Baby“ – eine Fünf-Liter-Flasche voll roter Flüssigkeit mit offenem Deckel. Beim nächsten Auto, das die Straße entlangraste, schob sie den Kinderwagen in den Weg. Die rote Farbe explodierte meterweit und sie schrie: „Mein Baby! Mein Baby!“ Dreißig Anwohner kamen schockiert von ihren Terrassen gerannt und versperrten die Straße. Kurz darauf kam auch die Polizei und die Situation wurde aufgeklärt. Am nächsten Tag wurde ein Stoppschild an der Ecke errichtet. Der Angriffsmodus hatte funktioniert.

Ich bin nicht da, wo du mich haben willst. Big Guy hat Angst vor Donner. Er wird dann sehr nervös und springt immer auf unser Bett. Man hat nicht wirklich gelebt, wenn man noch nie von 40 kg purer Unruhe aus dem Tiefschlaf gerissen worden ist. In einer dieser Nächte sperrten wir ihn im Badezimmer ein. Am nächsten Morgen fanden wir eine Schranktür nur noch in Teilen vor und die Badezimmertür war von Kratzern übersät. Er wollte nicht an dem Ort sein, den wir ihm zugewiesen haben, und wir haben den Preis dafür bezahlt. Die Rolle eines Community Organizer ist ähnlich. Die Organisation bleibt nicht da, wo die Machtstrukturen sie gerne hätte, still in einer Ecke oder irgendwo weggesperrt. Sie lässt die Machtstrukturen für den Versuch bezahlen, sie dort hin zu stecken, wo sie nicht sein will.

Wir waren einmal hinter einem Slumlord her – relativ erfolglos, bis wir entdeckten, dass er ein wichtiges Mitglied seiner Kirche war und sonntags die Predigt übernahm, wenn der Pfarrer im Urlaub war. An einem dieser Sonntage gingen wir also zum Gottesdienst und hatten Flyer dabei, die von den zehn Geboten inspiriert waren. „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden: Mr. Jones, der gerade die Predigt abhält, lügt, wenn er seinen Mietern sagt, er würde das Gebäude reparieren. Du sollst nicht stehlen: Mr. Jones, der gerade die Predigt abhält, stiehlt von seinen Mietern, indem er ihr Geld nimmt, aber den Müll nicht entsorgt, die Flure nicht aufräumt oder wichtige Reparaturen aufschiebt.“ An diesem Ort wollte uns Mr. Jones nicht haben. Er musste den Preis bezahlen und begann alsbald mit den Reparaturen am Gebäude. Wenn du still an dem Platz bleibst, den andere dir zuweisen, verlierst du! Wenn du deinen Platz verlässt und deinen Gegenüber dafür bestrafst, gewinnst du. Ich ziehe den Sieg der Niederlage vor.

Wo ich hin will. Beim Gassi gehen mit Big Guy ist jede Ecke eine Herausforderung. Wir haben eine Idee und – nachdem er etwas in der Luft geschnüffelt hat – hat er für gewöhnlich eine andere. Schon einmal probiert, einen sitzenden 40 kg schweren Schäferhund zu bewegen? Uns bleibt oft nichts anderes übrig, als uns seinem Willen zu beugen und in seine Richtung zu gehen. Als sein Herrchen bin ich wie die Machtstruktur, die denkt, sie kennt den besten Weg. Die Organisation ist wie Big Guy, der uns partout sagt: „Nein, ich weiß, wohin ich will und ich gehe auch dorthin.“

Die Behindertenrechtegruppe ADAPT [10] hat einmal eine Aktion gegen die American Public Transportation Association (APTA) [11]organisiert. Mitglieder von ADAPT fanden heraus, dass APTA eine Busreise entlang eines vierspurigen Highways [12] unternehmen würde, um eine Touristenattraktion zu besuchen. Wir kamen ihnen zuvor und blockierten den Highway mit Rollstühlen. Die Busse waren gezwungen, quietschend anzuhalten. ADAPT sagte: „Nein, nicht auf eure, sondern auf unsere Art.“ Letztlich haben sie es damit geschafft, die Finanzierung für behindertengerechte Lifte in den Bussen durchzusetzen.

Nur zu meinen Bedingungen. Viele der Hunde, die wir hatten, waren sehr gesellig und wollten immer da sein, wo auch wir waren. Big Guy gibt gerne selbst den Ton an. Nach dem ersten Gassi gehen am Tag und dem Frühstück zieht er sich in den Flur zurück und schläft erst einmal eine Stunde. Dann kommt er mit seinem typischen „Bull Rush“ zurück, diesmal nicht, um wieder raus zu dürfen, sondern als Aufforderung, seine Ohren gekrabbelt zu bekommen. Das ist ein morgendliches Ritual. Er legt die Zeit fest, wann und wie dies abzulaufen hat. Es geht nach seiner Pfeife. Wenn eine Organisation an Macht gewinnt, können auch die Mitglieder bestimmen, wie die Dinge abzulaufen haben. Wann und wo Meetings stattfinden, welche Forderungen gestellt werden und welcher Preis gezahlt werden muss, wenn der Gegner es versäumt, diese zu erfüllen.

Eine Bürgerrechtsgruppe der amerikanischen Ureinwohner in Nord-Minnesota war einmal in Aufruhr, weil ein örtliches College [13] sein Native American Studies Departement [14] schließen wollte. Die Gruppe hatte mehrere Wochen lang versucht, ein Treffen mit dem College-Vorstand zu arrangieren, bekam aber immer nur zu hören, der Präsident sei gerade nicht in der Stadt. Jemand in der Gruppe erkannte, dass man mit höflichen Anfragen nicht weiterkam und schlug vor, dass man einfach zum Verwaltungsgebäude marschieren sollte, um ein Gespräch zu verlangen. Als sie im Gebäude die Rezeptionistin fragten, ob sie wüsste, wo sich das Büro des Präsidenten befindet, antwortet sie etwas naiv: „Sicherlich, folgen Sie mir einfach.“ Was für eine Überraschung es für den Präsidenten – der eigentlich gar nicht in der Stadt war – gewesen sein muss, als dreißig Mitglieder der Gruppe einen symbolischen Stammestanz vor seinem Schreibtisch aufführten. Sie haben ihre Forderungen präsentiert und erlangten am Ende den Sieg. Native American Studies bleibt Teil des Curriculums. Sie haben die Rahmenbedingungen ihres Handelns selbst festgelegt und gewonnen.

Leg dich nicht mit mir an. Wenn wir mit Big Guy einen Spaziergang machen und er Leute sieht, die uns entgegenkommen, fängt er an zu bellen. Dann überqueren sie für gewöhnlich die Straße und weichen uns weiträumig aus - es sei denn, sie mögen Hunde; dann gibt es Streicheleinheiten. Sie zeigen ihm dabei Respekt und das mag er. Community Organizations müssen die gleiche Botschaft senden: Du solltest dich nicht mit uns anlegen, solange du uns nicht respektierst. Beim Community Organizing geht es vor allem um den Respekt vor der Community. Mir ist es wirklich egal, ob die Stadt meine Organisation mag. Wichtig ist, dass sie uns und unsere Macht respektiert. Andernfalls wird sie diese zu spüren bekommen.

Eine örtliche Community Organization, die wir beraten haben, protestierte gegen das Vorhaben der Stadt, eine kleine Wohngebietsstraße in eine Einbahnstraße umzuwandeln, um den Autofahrern so eine schnelle Umgehung einer überfüllten Kreuzung in Richtung Stadtzentrum zu ermöglichen. Besorgt über die Kinder, die gerne auf der Straße spielten und querfeldein zu Fuß zur Schule gingen, hielten die Anwohner mehrere Meetings ab und demonstrierten gegen die Entscheidung, allerdings ohne Erfolg – die Nebenstraße wurde zur Einbahnstraße. Also platzierten die Anwohner eines späten Sonntags mehrere Schrottwagen mitten auf der Straße. Am nächsten Morgen dauerte es nicht lange bis der Verkehr auf der Straße im Berufsverkehr hoffnungslos zum Erliegen gekommen war, Stoßstange an Stoßstange mit schallendem Hupen. Die Polizei brauchte vier Stunden, um die Autos zu beseitigen und den Verkehr wieder zu entknoten. Zwei Tage später kamen die sichtlich genervten städtischen Verkehrsingenieure erneut zu einem Meeting, wo sie auf einmal davon überzeugt waren, dass die Sicherheit der Kinder absoluten Vorrang gegenüber jeder Umgehung hat. Sie hatten gelernt, dass man die Community respektieren muss, und der Verkehrsfluss wurde wieder in den Originalzustand versetzt.

Nach all den Geschichten drängt sich vielleicht die Frage auf: „Warum schlägst du dich überhaupt noch mit dem Biest herum? Er ist stur, aufdringlich und macht, was er will.“ Aber er hat uns auch viel über das Leben und über das Organizing beigebracht. Wie eine Community Organization ist er ein Beschützer, der sich immer durchsetzt. Er ist ein Lehrer. Ein guter Organizer versucht also, von allen Quellen zu lernen – von der Natur, von den Kindern, von Büchern und ja, auch von Haustieren.

(Aus: Trapp, Shel (2020): Dynamiken des Organizing. Menschen ermutigen – Die innere Haltung stärken – Macht aufbauen. Norderstedt: BoD – Books on Demand, 6–11. Diese Passage erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

Literatur

Forum Community Organizing e.V (FOCO)/Stiftung Mitarbeit (Hrsg.) (2014): Handbuch Community Organizing. Theorie und Praxis in Deutschland. Arbeitshilfen für Selbsthilfe- und Bürgerinitiativen Nr. 46. Bonn: Verlag der Stiftung Mitarbeit.

Rosa Luxemburg Stiftung (Hrsg.) (2019): Transformative Organizing. Reading the Praxis. Buch/Broschur 03/2019. Berlin.

Trapp, Shel (2020): Dynamiken des Organizing. Menschen ermutigen – Die innere Haltung stärken – Macht aufbauen. Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von: Jane Addams Zentrum e.V. (jaz) & Forum Community Organizing e.V. (FOCO). Norderstedt: BoD – Books on Demand.


Fußnoten

[1] Begriffe, die aus dem Englischen übernommen wurden, werden im Text ausschließlich in maskuliner Form verwendet; gleichfalls wird der Genitiv in der englischsprachigen Form belassen. Eigennamen verbleiben in der Regel ebenfalls in englischer Sprache, in den Fußnoten hierzu finden sich weitere Erläuterungen.

[2] Die Kommission ist für die Einhaltung der Verordnungen zu Menschenrechten und Wohnen zuständig.

[3] American Disabled for Attendant Programms Today.

[4] Zu den Einzelheiten der hier angeführten Organizing-Aktivitäten siehe Trapp 2020.

[5] Zur damaligen Zeit waren die Stühle in den McDonald’s-Filialen am Boden festgeschraubt und die Tische in den Restaurants somit für Rollstuhlfahrer*innen nicht zugänglich.

[6] Vgl. u. a. Forum Community Organizing e.V. (FOCO)/Stiftung Mitarbeit (Hrsg.) (2014): Handbuch Community Organizing. Theorie und Praxis in Deutschland. Arbeitshilfen für Selbsthilfe- und Bürgerinitiativen Nr. 46.

[7] Vgl. u. a. Rosa Luxemburg Stiftung (Hrsg.) (2019): Transformative Organizing. Reading the Praxis.

[8] Spieler der defensiven bzw. der offensive Linie.

[9] Reinvestitionen meint, dass die Banken dazu verpflichtet sind, proportional der Spareinlagen der Bewohner*innen eines Quartiers auch Kredite an diese zu vergeben.

[10] American Disabled for Attendant Programs Today: Militanter Flügel der US-Behindertenrechtsbewegung.

[11] Bundesweiter Interessenverband öffentlicher und privater Anbieter im Bereich des öffentlichen Verkehrs.

[12] Hauptverkehrsstraße, die dem Fernverkehr dient.

[13] Einrichtung des tertiären Bildungsbereichs, die auf dem sekundären Bildungssektor aufbaut.

[14] Abteilung zum Studium der indianischen Nationen und Kulturen.


Zitiervorschlag

Stock, Lothar und Hester Butterfield (2021): Shel Trapp – Über die Dynamiken des Organizing. In: sozialraum.de (13) Ausgabe 2/2021. URL: https://www.sozialraum.de/shel-trapp-ueber-die-dynamiken-des-organizing.php, Datum des Zugriffs: 19.04.2024