Bildungslandschaften raumtheoretisch betrachtet

Ermöglichende Perspektiven im Zusammenspiel von schulischen und ausserschulischen Räumen der Bildung und Erziehung

Christian Reutlinger

Das Raumverständnis im gegenwärtigen Bildungsdiskurs charakterisiert sich durch eine grosse Diffusität: Meistens wird auf die Institution oder genauer auf das Gebäude verwiesen, in der/dem Bildungs- und Erziehungsprozesse stattfinden, zum Beispiel auf die Schule, das Jugendhaus, den Hort oder das Kinder- und Jugendheim. Vermehrt wird jedoch mit räumlichen Begriffen auf die, durch neue Medien und einer veränderten Mobilität entstehenden, neuen Lernwelten von Kindern und Jugendlichen Bezug genommen. Insbesondere in der ausserschulischen Bildung und Erziehung wird Raum zudem oftmals metaphorisch verwendet, indem beispielsweise durch pädagogisches Handeln für (benachteiligte, schutz- oder erziehungsbedürftige) Menschen Räume geöffnet werden sollen. Gemeint ist dann die Erweiterung von gesellschaftlichen Zugangs- und Teilhabechancen. Oder es geht darum, für bestimmte Gruppen Räume anzubieten (im Sinne von besonderen Hilfestellungen und Zeiten) bzw. Räume zur Verfügung zu stellen, d.h. Treffpunkte oder bestimmte Orte für Bedürfnisse oder Gruppen. Des Weiteren wird zwischen räumlichen Begriffen, wie beispielsweise Kontext, Feld, Ort oder Raum nur selten unterschieden. Pädagogische Traditionen der Raumdiskussionen werden ignoriert (vgl. Reutlinger 2008a).
Vielmehr wird beliebig, meist unreflektiert mit unterschiedlichen Raumbegriffen gearbeitet, manchmal bewusst damit gespielt, um Handlungsspielräume zu erweitern, strategische Gewinne gegenüber anderen pädagogischen Bereichen zu erzielen. Durch diese Uneindeutigkeit vermischen sich die verschiedenen Bedeutungen von Raumbegriffen und -traditionen. Problematisch wird diese Praxis dann, wenn in der Bildungsdiskussion als Antwort auf die allgemein diskutierte Krise des formellen Bildungssystems (Stichwort PISA) mit räumlichen Modellen reagiert bzw. räumliche Begriffe als innovativ propagiert werden, ohne sich den mit der Verwendung nicht adäquater Konzeptionen von Raum implizierten Gefahren auseinander zu setzen.

Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Beitrag das (steuerungs)politisch-programmatische Konzept lokaler, kommunaler oder regionaler Bildungslandschaften raumtheoretisch betrachtet. Dieses Konzept wird in Deutschland unter anderem im „Diskussionspapier des Deutschen Vereins zum Aufbau Kommunaler Bildungslandschaften" 2007, in der „Aachener Erklärung" des Deutschen Städtetags 2007 oder im 12. Kinder- und Jugendbericht der deutschen Bundesregierung von 2005 propagiert. Erprobt wurde es in Projekten, wie „Selbständige Schule" der Bertelsmann Stiftung[1] oder „Ideen für mehr! Ganztägig lernen" der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Begleitforschung wurde im Projekt „Lokale Bildungslandschaften" am Deutschen Jugendinstitut umgesetzt.

1. Bildungslandschaften als eine bildungspolitische Raummetapher

In diesen Diskussionen zu Bildungslandschaften geht es um Steuerung, um Ausdifferenzierung, um Öffnung und Vernetzung und letztlich um Qualitätskontrolle, nicht aber um die Frage eines adäquaten pädagogischen Raumkonzeptes. Dem entsprechend wird keine einheitliche Definition von „Landschaft" deutlich und ist „zumindest vorerst auch nicht möglich" (Mack 2008, S. 741). Die bisherigen Texte sind alle affirmativ-programmatischer Art. Schulische und ausserschulische AkteurInnen denken sich darin zukünftig als Teil von Landschaften. Aus einer raumtheoretisch und explizit kritischen Perspektive wird im Folgenden aufgezeigt, dass zwar mit einer scheinbar neuen, d.h. modernen Raummetapher gearbeitet wird, die pädagogische Ordnung des Räumlichen jedoch eine rein territoriale bleibt. Dadurch wird eine adäquate Steuerung des Zusammenspiels unterschiedlicher Bildungsorte und Positionsgewinne marginalisierter Bildungsbereiche ebenso verhindert, wie für Kinder und Jugendliche neue Handlungsspielräume zu eröffnen. Als Fazit könnte man vorweg nehmen, dass die bildungspolitische Landschaftsdiskussion den Landschaftsbegriff als tragende Raumkategorie gar nicht braucht! Hier setzt eine ermöglichende sozialräumliche Perspektive an, indem zum Abschluss dieses Beitrags skizziert wird, wie Bildungslandschaften unter Beteiligung aller Subjekte gestaltet sein könnten.

2. Der Landschaftsbegriff: Die Ordnung des Räumlichen

In der bildungspolitischen Landschaftsdiskussion meint Landschaft erst einmal eine Gesamtschau bzw. eine Draufsicht auf eine Vielzahl von Orten der Bildung in einem bestimmten territorial abgegrenzten Gebiet. In der bildungspolitischen, schulorganisatorischen, schulplanerischen und sozialpädagogischen „Rede von der Landschaft" wird diese überblickbare, zusammenhängende und geordnete Einheit erst hergestellt. Dadurch kommt es zu einer „Neuordnung des Räumlichen" (Kessl/Reutlinger 2007). Landschaft bedeutet in diesem Kontext das Zusammenspiel der einzelnen Orte, Elemente bzw. Akteure und wird mit Harmonie, Ganzheit oder Schönheit verbunden. Diese alltagssprachlich geprägte Verbindung bildet auch den Ursprung der langjährigen Tradition in der geographischen Landschaftsdiskussion (vgl. Hard 1970; 2002). Aber auch in der Landschaftsmalerei werden seit dem 17. Jahrhundert Fragen zum optischen Erscheinungsbild einer (Erd-)Gegend, als physisch-materielle, territoriale Welt (geographischer Raum), und deren Rezeption durch einen Betrachter diskutiert (vgl. Mederer 1994). Der bildungspolitische Landschaftsbegriff lässt sich in diese eher unkritisch-romantische Tradition einordnen. So ist dann auch der Begriff Bildungslandschaft durchweg positiv konnotiert. Dies hat sicherlich auch mit dem Zusatz „Bildung" zu tun, welcher in jüngster Zeit nur positiv und in Abgrenzung zu Erziehung diskutiert wird (vgl. kritisch Winkler 2006). Die Rede von einer „lokale Erziehungs-, Lern oder Betreuungslandschaft" klänge dagegen entmündigend und überwachend, wenn nicht gar nach „Erziehungscamp" oder „Lernghetto".

Der Landschaftsbegriff suggeriert, dass man - würde man auf einen Berg steigen und vom Gipfel ins Tal schauen - „von oben" genau ausmachen könne, wo eine Landschaft aufhört und die nächste beginnt. Während diese Abgrenzungsfrage in der geographischen Landschaftsdiskussion lange Zeit das entscheidende Problem darstellte  [2], scheint dies in der bildungspolitischen Landschaftsdiskussion kein Thema zu sein. Vereinfacht meint hier Bildungslandschaft die vernetzte Tätigkeit aller Bildungsakteure sowohl schulische als auch ausserschulische, etwa eines Stadtteils, einer Kommune oder einer Region. In Anlehnung an Braun (1997) könnte man von bildungspolitisch gestalteten Arrangements als physisch-materiellen, räumlichen Gebilden sprechen.

Eine lokale, kommunale oder regionale Bildungslandschaft nimmt demnach die Kooperation verschiedener Bildungsorte unter Wahrung ihrer Eigenständigkeit in den Blick und will die Synergieeffekte der neuen Durchlässigkeit hinsichtlich Steuerung oder Finanzierung nutzen (Coelen/Oelerich/Prüß 2008, S. 377). Mit der Fokussierung auf den Steuerungsaspekt stehen bei der Etablierung dieser neuen „staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaften" (Lohre 2004, 2008) demnach „Ansätze und Konzepte kommunaler Jugend- und Bildungspolitik" (Mack u.a. 2006, S. 6) im Vordergrund.

3. Der bildungspolitische Landschaftsdiskurs als lokaler, kommunaler oder regionaler Steuerungsdiskurs

Auf zunehmende Komplexität reagieren politisch-administrative Systeme - soweit es ihre Einflusssphäre erlaubt - mit Dezentralisierung, mit partizipativen Steuerungsformen sowie mit Regionalisierung (Dürst 2004). Regionalisierung von Bildung bedeutet unter dem Fokus der Steuerung „eine andere Form öffentlicher Aufgabenerfüllung jenseits von Staat und kommunaler Selbstverwaltung" (Benz 1998, S. 101). In Regionalisierungsprozessen sollen entsprechend Bildungslandschaften entwickelt werden [3]. Schon „aus Gründen der Größenordnung" muss dieser Prozess „systematisch gesteuert werden und braucht einen organisatorischen Kern, wo Moderations- und Koordinierungsaufgaben wahrgenommen werden" (Minderop/Solzbacher 2007, S. 4). In der Regel verweist deshalb das territoriale Adjektiv vor dem Landschaftsbegriff auf die zuständige politische Einheit, bei der die Steuerungsverantwortung liegt bzw. liegen soll (Ausnahmen: „blühende Bildungslandschaft" [4] bzw. „integrierte Bildungslandschaft"). Während bis vor wenigen Jahren nur die Rede von der deutschen, österreichischen oder der schweizerischen Bildungslandschaft war und damit alle nationalstaatlichen Bildungswege und -möglichkeiten gemeint waren, scheint die Krise der formalen Bildung viel kleinere territoriale Einheiten, wie die Region, die Kommune oder den Stadtteil „als Handlungsraum und Problemkontext" (Lohre 2005, S. 34) in den Blick zu rücken. Die damit verbundene neue Überschaubarkeit, bedeutet einerseits erneute Handlungsfähigkeit. Andererseits könnte die damit verbundene Assoziation von Geborgenheit, d.h. das Gegenteil von groß, global und damit nicht-steuerbar bedeuten. In allen drei Fällen - lokal, kommunal, regional - bezieht sich die Diskussion auf den Steuerungsaspekt, d.h. es ist „eine staatlich-kommunale, d.h. regionale Verantwortungsgemeinschaft" als Verwaltungseinheit angesprochen (ebd.). Ziel ist dabei, andere Kompetenzen einzuholen und miteinander auf einer neuen Ebene zu verbinden (Synergieeffekte) und sich als kleinere Verwaltungseinheit (Kommune) gegenüber den Ländern und dem Staat neu zu positionieren [5]. „Während innerhalb wohlfahrtsstaatlicher Regierungsweisen staatliche Territorien im Mittelpunkt standen", werden diese heute zunehmend abgelöst durch neue Formen des „Regierens über Territorien" bzw. „kleinräumige Gemeinschaften", wie dies Kessl (2005, S. 141) kritisch herausgearbeitet hat:
In diesem Zusammenhang stellt die bildungspolitische Diskussion im Rahmen des Projektes „Selbständige Schule" der Bertelsmann Stiftung die Steuerungsgröße Region in den Vordergrund. Damit wird die „Entwicklungsmöglichkeit geeigneter Steuerungsstrukturen regionaler Bildungslandschaften" als Ziel definiert (Lohre 2005, S. 32, Lohre u.a. 2004; 2008). Was für Bildungsprozesse eine geeignete Grösse sein könnte, d.h. wenn man Bildung ins Zentrum stellen und von da aus sich überlegen würde, welches sinnvolle organisatorische und administrative Einheiten wären, steht in dieser Diskussion gar nicht zur Disposition. Vielmehr wird „die lokale ordnungspolitische Einheit" (Kreis, Stadt oder Regierungsbezirk) als Handlungsrahmen vorausgesetzt und gestärkt (Lohre u.a. 2008, S. 98): „[A]lle Schulen der Region, Betriebe, Volkshochschule, Kindergärten, Bibliotheken, Weiterbildungseinrichtungen, Museen, Musikschulen, Verbände und andere" kooperieren „im Sinne eines gemeinsamen Qualitätsverständnisses" (Lohre 2005, S. 34).
Im Diskussionspapier des Deutschen Vereins wird hingegen von „kommunalen Bildungslandschaften" gesprochen (2007) und damit „die Gesamtheit aller auf kommunaler Ebene vertretenen Institutionen und Organisationen der Bildung, Erziehung und Betreuung" verstanden (ebd., S. 8). „Die Kommune ist die zentrale Plattform für die Bildung junger Menschen: Sie ist der Ort, an dem schulisches, soziales und emotionales Lernen und Bilden stattfindet". Vor diesem Hintergrund gilt es, die Kommune zu stärken, sie „muss die Steuerungsverantwortung für die Verzahnung der Träger, Einrichtungen und Angeboten" wahrnehmen (ebd., S. 2). Eine kommunale Bildungslandschaft entsteht, wenn „in Federführung eines kommunalen Verantwortungsträgers" (S. 8) „alle am Prozess der Bildung, Erziehung und Betreuung beteiligten Akteure ihre Angebote miteinander verschränken und zu einem konsistenten Gesamtsystem" zusammengeführt werden (S. 3; vgl. auch „Aachener Erklärung des Deutschen Städtetages 2007).

Von „Lokalen Bildungslandschaften" spricht hingegen das gleichnamige Projekt am Deutschen Jugendinstitut, in welchem der Diskussionsstand zum Thema erstmals aufgearbeitet wurde (Mack u.a. 2006; Mack 2007, S. 16). Damit rückt zwar der Stadtteil, d.h. die Wichtigkeit „des Lokalen" im Sinne der erreichbaren, nahräumlichen Umgebung in den Blick, doch die Einheit, in der die Steuerung verortet wird, ist auch hier die Kommune (ebd.). Im Gegensatz zu den anderen Diskussionskontexten wird hier jedoch die Bedeutung der Kinder- und Jugendhilfe, als ausserschulische Bildung und Erziehung betont. Nach der Formel „Bildung ist mehr als Schule" (BJK 2002) verfügt die Schule in einer solchen Bildungslandschaft nicht mehr über das Bildungsmonopol, sondern im Vordergrund steht vielmehr die Verzahnung und Vernetzung formaler, non-formaler und informeller Lernorte und Bildungsangebote (Mack 2008, S. 742). Anknüpfungspunkte werden hier in internationalen Erfahrungen gesehen, wie bspw. in der so genannten „città educativa" oder „ciudad educatora", dem Konzept der „erziehenden Stadt" (vgl. bspw. Guerra 1997) [6].

Alle drei Diskussionszusammenhänge beziehen sich auf den 12. Kinder- und Jugendbericht der Deutschen Bundesregierung (2005). Darin wird Bildung - im Sinne eines umfassenden Prozesses der Persönlichkeitsentwicklung im Kindes- und Jugendalter - als Schwerpunkt thematisiert und auf die „neuen vernetzten, ganztägigen Bildungslandschaften" an mehreren Stellen verwiesen (vgl. etwa ebd. S. 36). Ziel ist es, ein neues Verständnis des Zusammenspiels unterschiedlicher Bildungsorte und Lernwelten politisch durchzusetzen. „Bildung von Kindern und Jugendlichen hat [...] keinen exklusiven Ort, es kommt vielmehr zu einer Entgrenzung von Bildungsorten und -gelegenheiten." (ebd., 2005, S. 333): Schule wird zwar weiterhin als zentraler, jedoch keineswegs (mehr) als ausschließlicher Ort für Bildung betrachtet. Vor diesem Hintergrund ist das Zusammenspiel unterschiedlicher Bildungsakteure und -gelegenheiten regional auszugestalten und in kommunaler Verantwortung zu organisieren: „Ziel ist der Aufbau einer kommunalen Bildungslandschaft als Infrastruktur für Kinder und Jugendliche, die getragen wird von Leistungen und Einrichtungen der Schule, der Kinder- und Jugendhilfe, von kulturellen Einrichtungen, Verbänden und Vereinen, Institutionen und Gesundheitsförderung sowie von privaten und gewerblichen Akteuren vor Ort. (...) [Dies] erfordert ein neues Selbstverständnis der Arbeit der einzelnen Institutionen. Nicht mehr nur das eigene Organisationsziel kann ausschließlicher Bezugspunkt für die Bestimmung und Bewertung institutionellen Handelns sein, es muss auch daran gemessen werden, ob und in welcher Weise die einzelne Institution zum Aufbau und zur Gestaltung einer lokalen Bildungslandschaft beiträgt, die ein produktives Zusammenspiel unterschiedlicher Bildungsorte und Lernwelten ermöglicht" (ebd., S. 42 und S. 344). Hier wird noch eine zweite Funktion der bildungspolitischen „Rede von der Landschaft" sichtbar: Neben der Zusammenschau von unterschiedlichen Bildungsorten zu einem Ganzen impliziert sie ein verändertes Selbstverständnis der einzelnen (Bildungs)Orte bzw. Teile davon. Vernetzung hat hier eine klare lokale, kommunale, regionale Zielsetzung (vgl. Minderop/Solzbacher 2007, S. 4). Das einzelne Element, d.h. die Bildungsinstitution bzw. der Bildungsort, muss sich als Teil des grösseren und rahmengebenden Ganzen denken. Dazu muss es sich auch intern verändern. Diesen doppelten Modernisierungsschritt gilt es im nächsten Abschnitt darzustellen.

4. Der bildungspolitische Landschaftsdiskurs: interne Ausdifferenzierung und externe Öffnung sowie Vernetzung von Schulen

Mit der Vorstellung von der „Selbstverantwortlichen Schule" bzw. der „Schule als lernende Organisation" (Lohre 2007, S. 44) wird ein interner Modernisierungsprozess betont: Dieser hat zum Ziel, durch Prozessoptimierung und Qualitätskontrolle das Unterrichts- und Schulmanagement zu optimieren. Dieses gilt es durch Maßnahmen der Organisationsentwicklung, durch Verbesserung des Schulklimas und der Lehrer-Schüler-Interaktion, durch kollegiumsbezogene Fortbildungsangebote, durch Festlegung von Bildungszielen, curricularen Schwerpunkten oder pädagogischen Intentionen in Schulprogrammen u.v.a.m. umzusetzen (vgl. etwa Seibert 1997). Erst wenn der interne Modernisierungsprozess gelingt, ist - so die Annahme - eine Schule „reif", sich als Teil einer Bildungslandschaft zu denken. Jetzt setzt der zweite, externe Modernisierungsprozess an: Die „Selbstverantwortliche Schule" braucht auch hinreichende äussere Bedingungen, denn „Schulen sind keine einsamen Inseln!" (Meffert 2004, S. 19). Vielmehr muss insbesondere der Unterricht geöffnet und mit „stärkeren Bezug zu den verschiedenen Lebenswelten" regional vernetzt werden, indem der „Einbezug von regionalen, kulturellen, wirtschaftlichen, natürlichen und sozialen Gegebenheiten" erfolgt (ebd.).

Im bildungspolitischen Landschaftsdiskurs wird also die schulische Integrationsfunktion als Herausforderung betont (vgl. Fend 2006) [7]. Empirische Studien zeigen, dass das regionale Umfeld „und die institutionellen Bezüge der Schule zum Stadtteil" eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der jeweiligen Schule spielen (Mack/Raab/Rademacker 2003, S. 51; Schoeder 2002; Mack/Schroeder 2005). Deshalb muss Schule die außerschulischen Bildungsorte und Lernwelten zur Kenntnis nehmen und miteinander verknüpfen und verzahnen [8]. Aus der Schulperspektive wird der Weg zur Bildungslandschaft von der Einzelschule über die Entwicklung einer „regionalen Schullandschaft" gesehen (Meffert 2004). Deshalb müssen bei der Entwicklung einer „regionalen Schullandschaft" alle in einer Region agierenden Schulen in einem Kooperationsnetz eingebunden werden. Die einzelnen Schritte zum Aufbau einer Bildungslandschaft können folgendermassen zusammengefasst werden:

  1. Aufbau regionaler Beratungs- und Unterstützungsstrukturen;
  2. Aufbau einer qualitativen Schulentwicklung in der Region insbesondere durch Kooperation der Verantwortlichen (Schulaufsicht mit Schulträgern, Schulaufsicht und Schulträger mit Schulen, Schulen gleicher und verschiedener Schulformen, Vernetzung der Bildungsakteure in der Region, Mitwirkung und Partizipation);
  3. Aufbau eines regionalen Systems der Qualitätssicherung (vgl. Lohre/Kober 2004).

Mit diesem letzten Schritt wird zugleich auch die vierte Funktion der bildungspolitischen „Rede von der Landschaft" deutlich: Es geht um Qualitätssicherung und damit um die Möglichkeit des Vergleichs bzw. der Kontrolle. Der bildungspolitische Landschaftsdiskurs kann somit als Qualitäts- und Kontrolldiskurs von Schulen gekennzeichnet werden.

5. Raumtheoretische Einwände gegen die bildungspolitische Landschaftsdiskussion

Erster Einwand: Raum wird als Ort verkürzt verstanden: Raum wird in der bildungspolitischen Diskussion im Allgemeinen und in der Bildungslandschaftsdiskussion im Speziellen als Ort aufgefasst, an dem Bildungssubjekte bzw. Bildungseinrichtungen aktiv sind und an dem verschiedene Bildungsprozesse stattfinden. Dies wird beispielsweise im Ringen um ein zeitgemässes Gleichgewicht zwischen so genannt formeller, informeller und nichtformeller Bildung deutlich, wie es etwa im Nachklang der 2000er PISA-Studie durch das deutsche Bundesjugendkuratorium provokativ eingebracht wurde (vgl. BJK 2004) und bis heute in den unterschiedlichsten Bereichen der ausserschulischen Bildung und Erziehung abgearbeitet wird [9]. Mit der Fokussierung auf den Bildungsort rücken die beiden Fragen, wo und wann Bildungs- und Erziehungsprozesse stattfinden, ins Zentrum [10]. An dieser Raum-Zeit-Vorstellung als Verschiebung von Körpern auf einem Territorium im Tagesablauf, erhalten Orte der schulischen und ausserschulischen Bildung und Erziehung eine bestimmte Bedeutung [11]. Begibt sich ein Individuum an einen anderen Ort, so wird eine örtlich-territoriale Grenze überschritten. Der institutionell definierte Erziehungs- und Bildungsort, der als Haus mit Einflusssphäre gleichsam einem Behälter gleicht, wird verlassen. Es tritt damit in einen anderen Zuständigkeitsbehälter ein [12]. Durch die pädagogische Praxis (des Animierens, Betreuens, Bildens, Erziehens oder Beratens) an diesen Orten, sind diese im Gegensatz zu anderen Orten, wie dem Bolzplatz oder der Strassenecke besonders, d.h. von einer institutionalisierten Logik durchdrungen. Aus raumtheoretischer Perspektive liegt hinter dieser Raumvorstellung die Gefahr, den Bildungsort als geographischen Ort, d.h. als territoriale und mit der Angabe von geographischer Länge und Breite genau verortbare Raumstelle oder Platz auf der Erdoberfläche, zu verkürzen. Ein solches Raumverständnis, welches Standortkonfigurationen in der Form von Punkten, Entfernungslinien und Flächenangaben beschreibt, wird als „banal" bezeichnet, da „der gesellschaftlich strukturierte Raum auf erdräumliche Standortkonfigurationen" reduziert wird (Läpple 1991, 31ff.). Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Umbruchprozesse existiert in der Bildungsdiskussion kein adäquates Raumverständnis, welches in der Lage wäre, schulische und ausserschulische Bildungsprozesse, aber auch ihr komplexer werdendes Zusammenspiel, hinreichend erklären zu können. Raumtheoretisch bestände die Herausforderung der aufgezeigten doppelten Modernisierungsprozesse darin, einen Paradigmenwechsel vom Ort zum Raum zu vollziehen

Zweiter Einwand: Bildungslandschaft als Nebeneinander von Bildungsorten im Territorium: Die Idee der Bildungslandschaften baut nun auf einem solchen banalen Raumverständnis auf, indem die verschiedenen Bildungsorte in einer Region, einer Kommune oder im Stadtteil und damit aus einer territorialen Perspektive betrachtet werden. Eine Bildungslandschaft wird als „Referenzrahmen für ein kommunal verantwortetes Gesamtkonzept von Bildung, Erziehung und Betreuung" definiert, welches „die auf örtlicher Ebene vorhandenen Bildungsressourcen systematisch" zusammenführt. Dafür ist ein „strukturiertes Zusammenwirken aller Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsorte" notwendig (Faltermeier/Mund 2008, S. 39). Raumtheoretisch würde man eine solch örtlich-territorial verstandene Landschaft als eine „besondere Auftretensform des Zusammenwirkens" einzelner Bildungsorte in „einer bestimmten Erdgegend" definieren (Werlen 2000, S. 387). Der Standpunkt, von wo in der aktuellen Bildungsdiskussion aus Landschaft „als individuellen Gesamteindruck eines Teilstücks der Erdoberfläche" beobachtet wird (ebd.), lässt sich als „von oben" definieren - es handelt sich ja auch wie aufgezeigt um eine vorderhand bildungspolitische und pragmatische Diskussion. Zentral scheint es darum zu gehen, alle Bildungsorte, d.h. Punkte im Territorium miteinander zu verbinden, vernetzen. Das Resultat ist dabei eine Fläche ohne Erhebung, d.h. eine Landschaft flach wie ein Teller. Eine Landschaft besteht jedoch in der Regel aus einer Topologie (vgl. Günzel 2007), aus Höhen und Tiefen und unterschiedlichen relationalen Punkten und bestimmbaren Positionen. Dies sichtbar zu machen gelingt erst dann, wenn das „Beobachten von Landschaften" beobachtet wird, indem nach „der wahrgenommenen Wahrnehmung von Landschaft" gefragt wird (Ahrens 2006, S. 240). „Angeregt wird damit eine Auseinadersetzung mit den Konstitutionsmechanismen von Landschaft" (ebd.). Als raumtheoretische Herausforderung wäre zu untersuchen, wer an der Konstitution von Räumen schulischer und ausserschulischer Bildung und Erziehung beteiligt ist. Diese Forschung könnte Aufschluss darüber geben, wie unter den regionalen spezifischen Rahmenbedingungen von den unterschiedlichen AkteurInnen Landschaften „erzeugt" werden, welche Landschaftstypen unter welchen Voraussetzungen hohe Durchsetzungskraft haben und welche eher übergangen werden.

Dritter Einwand: Notwendigkeit zur Neupositionierung - Gleiche Augenhöhe meint nicht gleichberechtigt: Durch den aufgezeigten Modernisierungs- bzw. Entwicklungsschub besteht die Notwendigkeit zur Neupositionierung der verschiedenen Bildungs- und Erziehungsbereiche unter- und zueinander. Eher euphorisch-positiv im Sinne einer Chance wird dies im Bereich der ausserschulischen Bildung und Erziehung gesehen. Hier wird die potentielle Möglichkeit der Kinder- und Jugendhilfe aus „ihrer traditionellen Randständigkeit" herauszukommen betont (Thiersch 2002, S. 57). Aus raumtheoretischer Perspektive ist jedoch skeptisch anzumerken, dass durch die erwähnte Reduktion vom Raum auf den Ort die Gefahr besteht, blind zu werden, was Position und aktive Neupositionierung bedeuten könnte. Betrachtet man die Forderung „neuer Bildungsorte für Kinder und Jugendliche" (BJK 2004) mit der aufgezeigten Vorstellung von Landschaft als Fläche, heisst dies bezüglich der Positionierung des „eigenen" Ortes gegenüber anderen Bildungs- und Erziehungsorten lediglich, dass man mit dabei ist. Schon das Erwähnt-Sein bzw. Mit-Erwähnt-Werden bedeutet dann strategischen Gewinn. Jedoch sagt die Anwesenheit noch nichts über die absolute Lage bzw. Position eines Ortes, d.h. welche Aufmerksamkeit, Wertigkeit und Ausgangslage ein bestimmter Ort hat. Beim Bild zu bleiben hat jede Landschaft ihre Sonnen- und Schattenseiten. Gewisse Orte sind bildungspolitisch interessanter, andere werden lieber verdeckt/versteckt. „Ins Zentrum des pädagogischen und bildungspolitischen Fokus rückt die Frage des Standortes bzw. die Frage der Position(ierung)" (Reutlinger 2006).
Bei der Frage der Positionierung wäre jedoch ein aufgeklärtes Raumverständnis ein wichtiger Ausgangspunkt. Erst über eine nicht nur territoriale Auffassung von Raum wäre eine bildungspolitische Auseinandersetzung über die unterschiedlichen Wertigkeiten der verschiedenen Bildungsorte, d.h. die Grundlage sich selbst vororten zu können, überhaupt möglich. Mit der Begründung, dass nur die Schule alle Kinder und Jugendlichen einer Region, eines Stadtteils erreicht (Meffert 2004), scheint diese noch immer die privilegierteste Position in der Landschaft einzunehmen. So zielt die bildungspolitische Diskussion um Bildungslandschaften in der Regel auf das Zusammenspiel von Schulen mit Schulen. Mehr noch: im Nachklapp zu PISA scheint sich der Einflussbereich von Schulen räumlich und zeitlich sukzessive auszuweiten (Stichwort Ganztagsschulen, vgl. Coelen/Otto 2008). Im Zuge dieser Ausweitung der Sphäre der schulischen Bildung drohen alle anderen Bildungsorte, d.h. nicht formelle und informelle neben- bzw. untergeordnet (im Sinne einer Zuliefererfunktion zur Hauptaufgabe schulische Bildung) zu werden. Hier bestände die raumtheoretische Herausforderung darin, durch ein aufgeklärtes Raumverständnis diese Tatsache erst einmal aufzeigen zu können. Durch die klare Benennung von Positionen und Funktionen könnte herausgearbeitet werden, dass die Vorstellung der propagierten Bildungslandschaften nicht eine Fläche, sondern eine macht- bzw. positionsdurchdrungene Landschaft im Sinne eines System von Orten mit einer ganz klaren Hierarchie bezüglich ihrer Funktion ist. Erst danach wäre es möglich, dieser bildungspolitischen Rede von der Landschaft eine Position entgegen zu stellen, welche nicht strategisch sondern beispielsweise vom Bildungsgedanken aus argumentiert. Für den ausserschulischen Bildungs- und Erziehungsbereich würde erst eine raumthematische Erweiterung dazu führen, aus der „Nachrangigkeit" mit anderen Bildungsorten herauszukommen.

Vierter Einwand: Regional, kommunal, lokal - Gefahr der Verdinglichung von Bildungslandschaften: Auf die Analyse, dass durch die zum Teil radikalen gesellschaftlichen Wandlungsprozesse Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen fragiler werden, nicht mehr länger nur an einen geografischen Ort gebunden oder zeit-räumlich eingrenzbar sind und einen deutlich geringeren Grad an Standardisierung aufweisen, wird durch ein vernetztes Zusammenspiel unterschiedlicher Bildungsakteure in einem Stadtteil ein produktives Wechselspiel von Bildungsorten, Gelegenheiten und Lernwelten propagiert. Bildlich gesehen scheinen verschiedene Bildungs- und Erziehungseinrichtungen und -institutionen sich im Stadtteil, der Kommune oder Region nebeneinander zu einem neuen Ganzen aufzureihen und zu vernetzen. Durch eine geschickte lokale Steuerung sollen nun alle miteinander zusammenarbeiten und so gleichsam ein flächendeckendes Netz spinnen, oder es soll - so die entsprechende Terminologie - die Trias von „Bildung, Betreuung und Erziehung" umgesetzt werden (Rauschenbach 2005). „Ziel und Aufgabe kommunaler Bildungslandschaften ist es, die verschiedenen institutionellen Bildungsangebote zu einem kommunalen Gesamtkonzept von Bildung, Erziehung und Betreuung zusammenzufügen und mit dem Wissen über die nicht institutionelle Wissensaneignung zu verbinden" (Faltenmeier/Mund 2008, S. 40). Aus raumtheoretischer Perspektive ist hier das Verständnis von Lebenswelt als Kombination und Vernetzung aller institutionellen und nicht-institutionellen Lebensbereiche in einem Stadtteil kritisch zu hinterfragen. Individuelle Betreuung und Verbesserung der Lern- und damit Lebenschancen scheint sich darauf zu beschränken, alle Lern- und Bildungsorte in einem Territorium aufzusummieren. Als verbindendes Element einer Landschaft scheint Bildung zu fungieren. Damit einher scheint alles zu Bildung zu werden. Wie eine Sauce scheint sich „Bildung" über alle pädagogischen Tätigkeiten, wie Erziehung, Lernen, Betreuung oder Hilfe zu schütten. Durch einen möglichst nahtlosen Zusammenschluss von unterschiedlichen Logiken schulischer und ausserschulischer Institutionen sollen Übergänge und Brüche möglichst eliminiert werden. Die Landschaft scheint sich so dem Individuum, anzupassen, indem sie sich bewusst wird, dass sie eine Landschaft ist (reflexive Organisation). Durch die banale Raumvorstellung droht sie sich jedoch als starre Fläche langsam über die Lebenswelt zu legen, bis sie aus dieser institutionellen Perspektive scheinbar zur Lebenswelt wird. Die Welt scheint, wie im Mittelalter, wieder die Gestalt einer Scheibe anzunehmen. Vehement ist an dieser Stelle auf die Gefahr der Verdinglichung der Bildungslandschaft aufmerksam zu machen: Neben der aufgezeigten raumtheoretischen Verkürzung zu Orten, wird auch das Bildungsnetzwerk bzw. die Bildungslandschaft zum Stadtteil, Quartier oder Region verkürzt. Hinter dieser Vorstellung eines grösseren Containers Quartier, in welchem kleine Behälter Bildungsorte stehen, liegt eine absolutistische Raumvorstellung [13] (Löw 2001). Dabei ist die Gefahr der Kontrolle durch die potentielle Sichtbarmachtung sämtlicher Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen hinzuweisen. Indem sich potentiell alle erwachsenen Bezugspersonen und Settings zu einem Ganzen zusammenschliessen, könnte es zu einem totalen Informationsfluss bzw. zur totalen Kontrolle führen. Denkt man sich nun eine Person, ein Kind oder eine Jugendliche in diese Landschaft hinein, so scheint sie von Bildung umgeben zu sein - ein Entrinnen wäre unmöglich. Was ist, wenn jemandem eine Landschaft nicht gefällt? Eine andere Route wählen will? Gibt es Wahlmöglichkeiten zwischen Landschaften? Oder bleibt nur das Verharren an einem Ort, bis die Schulzeit endlich fertig ist? Droht nun für die Kinder und Jugendlichen das Gefangensein in der Bildungslandschaft?

Aus raumtheoretischer Perspektive muss deshalb sowohl vor der Verdinglichung, wie auch vor der Sichtbarmachtung gewarnt werden: Untersuchungen aus dem Bereich der außerschulischen Bildung und Erziehung zeigen, dass heute Formen des „wilden Lernens" (Böhnisch/Schröer 2001) bzw. „chaotische Lernformen", d.h. Bewältigungsformen, die sich jenseits der institutionalisierten und gesellschaftlich legitimierten Pädagogik stattfinden, eine immer größer werdende Rolle spielen. Biographische Bewältigungsformen und die sozialemotionalen Bildungsaufgaben in der Kindheit und Jugend, d.h. die Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen, die nicht auf diese funktionalisierte Logik von Bildung bezogen sind, drohen jedoch durch Verdinglichung und Sichtbarmachung in der Unsichtbarkeit zu versinken (vgl. Reutlinger 2003).

Um die Diskussion darüber anzuregen, wie Lernorte und Lernformen wieder zusammenkommen bzw. wie informelles, nichtformelles und formelles Lernen in Bezug zueinander gesetzt werden können, müssen die Kompetenzen von jungen Menschen in Quartieren als Aneignungshandeln erneut entdeckt werden. Dies gelingt über Ansätze, die vermehrt an der Handlungsebene der Heranwachsenden ansetzen, wie dies zum Beispiel der Aneignungsansatz aufzeigen kann (vgl. Deinet/Reutlinger 2003; 2005). Um die ‚wilden Lernformen‘ wahrzunehmen, ist deshalb eine „neue Empirie der Aneignung" notwendig (vgl. Reutlinger 2003b).

Die raumtheoretische Herausforderung besteht also darin, die Landschaft gleichsam von den Kindern und Jugendlichen in ihrem Bewältigungshandeln, d.h. beim Schreiben unsichtbarer Bewältigungskarten zu verstehen. Kinder und Jugendliche haben das Recht, in die Sichtbarkeit zu gehen und, wenn sie es wünschen, auch wieder unsichtbar zu werden (Reutlinger 2008d). Über dieses Erschließen der subjektiven Raumdeutungen (Reutlinger 2008d) gelänge es die Bildungslandschaften von unten zu denken.

6. Zur pädagogischen (Neu)Ordnung des Räumlichen - zusammenfassende Betrachtungen

Die aufgezeigten raumtheoretischen Einwände verdeutlichen, dass in der bisherigen pädagogischen Ordnung des Räumlichen die Frage des Ortes zu dominieren scheint. Die dahinter liegende territoriale Vorstellungen von Raum beinhaltet(e) eine besondere Erlebnisqualität: Es war möglich in Räume zu gehen. Man konnte sich außerhalb und innerhalb von Räumen befinden und es war möglich sich leere und volle Räume zu denken. Die soziale Raumkonstruktion schien mit den Orten, der physisch-materiellen Welt überein zustimmen. Gesellschaftliche Verhältnisse waren fest im Ort „verankert". „Das ‚Wann‘ (war) mit dem ‚Wo‘ und mit dem ‚Wie‘ des Handelns verbunden" (Werlen 1995, S. 96). Mit dieser Vorstellung lässt sich Landschaft - auch heute noch - als Nebeneinander von Bildungsorten als Häuser oder Kästchen im Territorium beschreiben. Eine Differenzierung zwischen Orten, Handlungen unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure, aber auch gesellschaftlichen Prozessen - aber auch nach deren komplexen Zusammenspiel - findet hier gar nicht statt. Der pädagogische Ort scheint alle anderen räumlichen Dimensionen zu übertrumpfen. Alles droht auf die territoriale Welt verkürzt zu werden.

Die aktuellen Veränderungen, die sich mit Prozessen wie bspw. Digitalisierung, Abstrahierung, Globalisierung, Entgrenzung oder Segmentierung aber auch eine zunehmende Virtualität umschreiben lassen, führen dazu, dass die Erfahrung von geschlossenen Räumen grundlegend hinterfragt wird. „Orte" werden ihrer tradierten Bedeutungskonnotationen „entleert", Orte vom Raum getrennt, wie dies der englische Soziologe Anthony Giddens beschrieben hat (Giddens 1995). Damit wird unter heutigen Bedingungen das „Was" und das „Wo" immer weniger über den Inhalt sozialer Aktivitäten festgelegt. Vielmehr scheinen die räumlichen und zeitlichen Aspekte von bestimmten Tätigkeiten jeweils von neuem kombinierbar zu sein, Rollen können so ausgehandelt werden, feste Strukturen und Gestalten geraten so in Bewegung, verflüssigen sich (vgl. Reutlinger 2008d).

Das heißt, dass man die sozialen Prozesse mit bisherigen Raumvorstellungen als „Container- bzw. Behälterräume", bzw. in der Fläche aneinandergereihter Orte nicht mehr verstehen kann: Die zunehmend globalen Zusammenhänge, der Bedeutungsverlust tradierter, territorial gebundener Standorte, der ständige Fluss und die ortsungebundene Neuformierung von Strukturen hat die Loslösung und Infragestellung der klaren Gestalten und damit auch von geschlossenen Räumen zur Folge. Die tradierte pädagogische Ordnung des Räumlichen steht heute nicht nur durch diese Veränderungen zur Disposition, sondern auch durch die unreflektierte/-kritische Haltung der Erziehungswissenschaft gegenüber Raum/Landschaft. Dadurch, dass einzelne pädagogische Orte nun daran gebunden sind, sich dem Landschaftsgedanken unterzuordnen, werden sie dazu gezwungen (im Sinne des nun gemeinsam Verbindenden), sich selbst zu hinterfragen, zu verändern und neu anzupassen. Die damit mitschwingenden Hierarchie- und Machtfragen werden bisher aber kaum bzw. gar nicht thematisiert. Damit könnte Raum auch als Metapher für eine "versteckte Neuordnung von Machtverhältnissen„ missbraucht werden. Hier setzt eine ermöglichende Perspektive auf schulische und ausserschulische Räume der Bildung und Erziehung an.
Aus einer raumwissenschaftlichen Perspektive auf die Bildungslandschaftsdiskussion rücken die Ordnungen des Räumlichen bzw. die mit den gesellschaftlichen Prozessen zusammenhängenden pädagogischen (Neu)Ordnungen in den Fokus. Mit der Verknüpfung des Raumbegriffs mit dem Begriff der Ordnung ist Raum nicht als a priori Tatsache gegebenen, sondern besteht in den Beziehungen von Phänomenen zueinander, als „Relationen von Verknüpfungen" (Löw 2001). Raum wird als „eine relationale (An)Ordnung von Körpern, welche unaufhörlich in Bewegung sind" verstanden, „wodurch sich die (An)Ordnung selbst ständig verändert". Raum ist dadurch „nie nur eine Substanz und nie nur eine Beziehung, sondern aus der (An)Ordnung, das heißt aus der Platzierung in Relation zu anderen Platzierungen entsteht Raum" (ebd., S. 131ff.). Indem Räume „als ständig (re)produzierte Gewebe sozialer Praktiken" (Kessl/Reutlinger 2007a, S. 15) verstanden werden, gelingt es, die Ambivalenz zwischen „Materialität und sozialer Konstruiertheit des Raumes" auszubalancieren (Ahrens 2006, S. 235).
Über die Verknüpfung und Platzierung geraten die Handlungen unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure, ihre sozialen Positionen, Möglichkeiten und Ressourcen ins Zentrum. Damit rücken neben den alltäglichen Konstitutionsprozessen von Raum aktuelle pädagogische Ordnungen des Räumlichen selbst ins Zentrum des Interesses.

7. Aktive bildungspolitische Positionierung

Als Abschluss der vorliegenden raumtheoretischen Betrachtung von Bildungslandschaften steht die Notwendigkeit eines Plädoyers für mehrere Optiken und Perspektiven auf Orte, Räume und Landschaften. Durch die Aktivität verschiedener gesellschaftlicher Teilgruppen können an einem Ort als „lokalem Schauplatz" (Giddens 1995, 30) mehrere Räume entstehen (Löw 2001, 65).

Da der pädagogische Akt in der ausserschulischen Bildung und Erziehung immer an einen Ort gebunden ist - wenn dieser Ort heute auch ein virtueller Raum sein kann, beispielsweise eine Beratungsplattform für Kinder und Jugendliche - stellt sich die Frage der aktiven und expliziten Verortung. In diesem bewussten Prozess gilt es, die Bedeutungen des konkreten Ortes „für die verschiedenen Handelnden auf den unterschiedlichen politischen, praktischen und alltäglichen Ebenen" zu erschliessen. Gleichzeitig muss geklärt werden, welche Ressourcen in einem Ort stecken, „welche durch ihn verbaut werden und wie diese oder andere unzugängliche Ressourcen im Sinne einer Erweiterung oder Eröffnung von Handlungsoptionen für die Akteure genutzt werden können" (Kessl/Reutlinger 2007, S. 128). Der Ort wird damit als eine Verhandlungsressource betrachtet, wie Encarnación Gutiérrez Rodríguez einmal schreibt, an dem sich die herrschenden Verteilungs-, Arbeits- und offiziellen Zugehörigkeitsmodelle reflektieren und von dem aus sich Zugangsmöglichkeiten ebenso wie Schließungsmechanismen eröffnen: „Im Prozess der Verortung werden damit neue Positionen, die die spezifische Situation der beteiligten Akteure auszeichnen, möglich. Diese Positionen bilden dann wieder die Grundlage von Handlungs- und Verortungsstrategien auch für politische Auseinandersetzungen. Verortungsprozesse stellen insofern soziale Praktiken dar, mit denen spezifische räumliche Kontexte, die das Ergebnis vormaliger sozialer Praktiken sind, verändert, bestätigt oder verworfen werden" (ebd.). Ins Zentrum müsste die Frage gestellt werden, ob ein Bildungsort geeignet ist, um die Handlungsspielräume für alle Individuen zu öffnen, ob unterschiedliche Wege möglich sind und Gleichzeitigkeiten zugelassen werden.

Durch einen solchen Perspektivwechsel gelänge es bei der Gestaltung von schulischen und ausserschulischen Räumen der Bildung, d.h. nicht nur auf die strukturelle oder steuerungspolitische Logik reduzierten Standpunkte, (bildungs)politisch mitzuwirken. Ins Zentrum der Bildungs- und Erziehungsforschung und daraus hervorgehenden Bildungspolitik geraten dann auf allen Ebenen der Aus- und Aufbau von ermöglichenden Kontexten: Je nach Standort verändert sich der Blickwinkel und damit das, was wir sehen, aber auch, was wir nicht sehen. Im Rahmen der (Neu)Ordnung des Räumlichen sind insbesondere außerschulische Räume der Bildung und Erziehung gezwungen, sich durch eigene Sichtweisen in den gegenwärtigen bildungs- und bildungspolitischen Diskursen zu positionieren. Dazu bedarf es unter Umständen Standortwechsel und Standpunktveränderungen. Durch Standortwechsel gelingt es, nicht nur Standpunkte zu verändern, sondern über veränderte Standpunkte auch den Standort zu Veränderungen zu zwingen und damit (bildungs)politisch etwas bewirken zu können: Beim dahinter liegenden Anspruch geht es um die (Er)Öffnung neuer Möglichkeitsräume. D.h. es geht um die Schaffung von sozialräumlichen Bedingungen und Ermöglichungskontexten, die es dem einzelnen Menschen gestatten, seine Fähigkeiten zu realisieren und sein Leben zu gestalten. Diese Ermöglichungsräume dürften jedoch nicht nur örtlich und sozialräumlich auf den physisch-materiellen Raum beschränkt bleiben, sondern ihrer bedarf es in allen möglichen Formen und Ebenen wie zum Beispiel als virtuelle, institutionelle und digitale Ermöglichungsstrukturen, mit den diversen Sprachcodes. Dazu müssten die bisherigen Konzepte und Ideen von Raum und Räumlichkeit durchbrochen werden. Dazu kann an den aktuellen Bewältigungs- und Gestaltungsleistung aller Menschen, die außerhalb ökonomisch-zweckrationaler Handlungslogiken liegen, angesetzt werden (vgl. Reutlinger 2003). Diese sollen als eigenständige Leistung anerkannt und in Verbindung zu allen Bereichen - von virtuellen bis zu privaten - gebracht und die nötigen Übergänge angeboten werden.

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Fussnoten

[1] In der gemeinsamen Initiative „Lernen vor Ort" zwischen dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung und einem Verbund deutscher Stiftung sollen die Ergebnisse aus dem Piloten flächendeckend umgesetzt werden. Im Zentrum soll dabei der Aufbau „eines lokalen Bildungswesens sowie eines regionalen Bildungsmanagement zu fördern, um die Bildungsbiografien der BürgerInnen vor Ort erfolgreich gestalten zu können" (Lohre u.a. 2008, S. 120)

[2] In der Geographie wird insbesondere über den ontologischen Status von Landschaft als ein geographisches Gebiet diskutiert, welches sich durch unterschiedliche Merkmale von anderen Gebieten abgrenzt. Einige VertreterInnen sehen die landschaftliche Einheit in den kulturellen Gegenständen und geologischen Formationen selbst. Für andere entsteht diese erst im Bewusststein der BetrachterInnen (Burckhardt 1985). In der „räumlichen Landschaftskunde" (Passarge 1929), welche die Größengliederung von Landschaft zum Ziel hat (Einteilung der Erdräume in Landschaftsgebiete, Großlandschaften, Teillandschaften und Landschaftsteile), wird eine sinnvolle Abgrenzung derselben problematisiert.

[3] Hier wird auch der Zusammenhang von Regionalisierung, Region und Bildung angesprochen. Parallel zur Landschaftsdiskussion ist bildungspolitisch auch die Rede von „neuen Bildungsnetzwerken", von „Bildungsregionen" oder von „Regionen des Lernens" bzw. von „Lernenden Regionen" (vgl. etwa Solzbacher/Minderop 2007). Der damit verbundene räumliche Begriff der Region ist jedoch - ähnlich zum Landschaftsbegriff - theoretisch nur schwach fundiert (vgl. kritisch Reutlinger 2008c).

[4] Bei der Bilanzierung des Projektes „Selbständige Schule in regionalen Bildungslandschaften" ist von „blühende Bildungslandschaft" die Rede (Lohre u.a. 2008, S. 9). Mit diesem Bild aus der Agronomie (Helmut Kohl, der ehemalige deutsche Bundeskanzler, hat dieses Bild am 1. Juli 1990 in seiner Fernsehansprache zur Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland populär gemacht) wird Landschaft als Nutzlandschaft gesehen, welche bebaut werden kann. Die Frage stellt sich sofort, ob Bildung bewirtschaftet, d.h. „gemacht" werden kann. Was wird genau angebaut? Bildung? Und was wird geerntet und wer erntet? Sofort wird deutlich, dass die Verwendung des Landschaftsbildes für die bildungs(politische) Diskussion schnell an ihre Grenzen stösst (oder zumindest droht die Gefahr Schülerinnen und Schüler mit Kartoffeln gleichzusetzen).

[5] Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass insbesondere Stiftungen (vgl. etwa Bertelsmann- oder Deutsche Kinder- und Jugendstiftung) derzeit besonders aktiv werden das Fenster, welches sich über das Konstrukt Bildungslandschaft auftut, zu nutzen, um gestaltend auf lokaler Ebene einzugreifen. Damit besteht ein strategischer Gewinn, überhaupt als Akteur in der Bildungsdiskussion wahrgenommen zu werden.

[6] Die deutsche Bildungslandschaftsdebatte verweist an machen Stellen auf parallel laufende internationale Diskussionen, wie beispielsweise die holländische Diskussion um „Brede School, Community Center, Vensterschool, Forumschool, Art Magnet School" (vgl. Gerard van de Burgwal, Teamleiter für Jugendpolitik/OOG Onderwijs en jeug Amsterdam - www.ganztagsschulen.org), oder Grossbritannien. Wie diese in anderen lokalen und bildungspolitischen Kontexten gemachten Erfahrungen im deutschen Kontext sinnvoll genutzt werden könnten, steht kaum zur Debatte (vgl. Baumheier/Warsewa 2008).

[7] Durch die Öffnungsdiskussion werden Schulentwicklungsmodelle wieder aktuell, die die Integrationsfunktion schon immer stärker gewichtet haben, sich selbst als Teil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen sahen und deshalb das unmittelbare und mittelbare soziale Umfeld der Schule, d.h. das Außen, zum Ausgangspunkt von Schulentwicklungsprozessen machten. Aus dieser Tradition, deren Wurzeln sich bis zu reformpädagogischen Ansätzen nachzeichnen lassen, gibt es mittlerweile eine Vielzahl von theoretischen Konzeptionen und praktischen Umsetzungsprojekten wie beispielsweise die Konzepte der Stadtteil- oder Gemeinwesenschule (Wittmann 1991), der community-education (Buhren 2000), oder der Nachbarschaftsschule (Zimmer/Niggemeyer 1986), bei welcher Schule sich in ihrer bisherigen Form gänzlich auflöst.

[8] International wird der Paradigmenwechsel von Deregulierung (interne Modernisierung) und regionalen Initiativen (externe Modernisierung) gefordert, was beispielsweise im OECD-Vorstoß „Community based education renewal" in Richtung regionale Vernetzung von Bildungsinstitutionen deutlich wird (OECD 2001).

[9] Aber auch in der erneuten Thematisierung der Bedeutung von Familie als „vergessenen Bildungsort" (Büchner/Brake 2006) bzw. von Bildungsprozessen „vor und neben der Schule", wie dies im Rahmen der jüngsten Bildungsberichterstattung getan wird, ist ein solches Raumverständnis sichtbar. Schließlich wird die Frage, „wie und wo junge Menschen die für ein selbstbestimmtes und sozial verantwortliches Lebe notwendigen Erfahrungen und Kompetenzen in einer sich beschleunigt verändernden Gesellschaft erwerben können", mit informellem Lernen oder Lernen an informellen Bildungsorten beantwortet (Rauschenbach u.a. 2006, S. 8).

[10] Da Schule zumeist am Morgen und mit zunehmendem Alter auch am Nachmittag, Freizeit eher am Nachmittag, am Wochenende oder in den Ferien und Familie über Mittag und in der verbleibenden Zeit gelebt wird, zielt die Frage nach dem wann auf eine bestimmte Zeit bzw. Zeitspanne, d.h. einen Stundenplan, einen Tages-, Wochen- Jahres- aber auch Lebensalterverlauf. Die Veränderungen der Zeiten von Kindern wurden beispielsweise im Forschungsprojekt „Was tun Kinder am Nachmittag?", welches vom Deutschen Jugendinstitut in München durchgeführt wurde, mittels Zeitbudgetuntersuchungen erhoben (DJI 1992).

[11] Diese örtlich-territoriale Vorstellung der Welt liesse sich weiter mit Hilfe eines Raum-Zeit-Modells bildlich darstellen. Auf der horizontalen Ebene befinden sich dann die zwei Dimensionen der territorialen Welt und auf der vertikalen Ebene die Zeit. Auf diese Weise lassen sich die Aufenthaltsorte der menschlichen Körper in der Zeit darstellen. Solche Darstellungen sind in der so genannten norwegischen bzw. nordamerikanischen „time geography" bzw. Zeitgeographie und haben da eine längere Tradition (Hägerstrand 1984).

[12] Am deutlichsten wird dies an teilstationären und stationären Formen der Heimerziehung, also der Erziehung „an einem anderen Lebensort" - eine Hilfeform, welche in der Schweiz übrigens bei aller Heterogenität und Komplexität der Entscheidungsstrukturen, auf die ich später noch zu sprechen komme, am weitesten verbreitet ist (Piller/Schurr 2006). Heime sind in der Regel vollständig ausserhalb der bisherigen Lebenspraxis Heranwachsender verortet. Gleichzeitig - dies im Sinne einer Klammerbemerkung - werden diese Orte als Lebensorte bzw. „als gute pädagogische Orte" diskutiert, die zwei Ansprüche erfüllen müssen. Sie müssen einerseits „wie andere Orte, an denen Kinder in unserer Gesellschaft aufwachsen" gestaltet sein und gleichzeitig besondere Orte sein, an denen Kinder und Jugendliche „besondere Ressourcen - also Menschen, Anregungen und günstige Entwicklungsbedingungen vorfinden" (Wolf 2007, S. 3)

[13] Ein Raumbegriff kann als ‚absolutistisch‘ bezeichnet werden, wenn entweder dem Raum eine eigene Realität jenseits des Handelns, der Körper oder der Menschen zugeschrieben wird, oder wenn als unumgängliche Voraussetzung jeder Raumkonstitution der dreidimensionale euklidische Raum angenommen wird. Der Raum scheint dann, wie eine Schachtel oder ein Behälter, das soziale Geschehen zu umschließen. Albert Einstein (1960, S. XIII) hat diese Raumvorstellung mit der Kurzformel „Container" verbildlicht, was in der deutschen Rezeption mit „Behälterraum" übersetzt wird.

Der vorliegende, leicht erweiterte Text ist im Sammelband Jeanette Böhme (Hrsg.): „Schularchitektur im interdisziplinären Diskurs. Territorialisierungskrise und Gestaltungsperspektiven des schulischen Bildungsraums" unter dem Titel „Bildungslandschaften - eine raumtheoretische Betrachtung" im Sommer 2009 beim VS-Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden (Seiten 119-139) erschienen.


Zitiervorschlag

Reutlinger, Christian (): Bildungslandschaften raumtheoretisch betrachtet. In: sozialraum.de (2) Ausgabe 1/2010. URL: https://www.sozialraum.de/bildungslandschaften-raumtheoretisch-betrachtet.php, Datum des Zugriffs: 15.10.2024