Partizipation Jugendlicher: eine Frage von Raum und Stil? Konzeptionelle Grundlagen, Prozesse und erste Erkenntnisse des EU-Forschungsprojekts PARTISPACE
Christian Reutlinger, Andreas Walther
Partizipation von Jugendlichen stellt ein klassisches Thema in Jugendforschung und Erziehungswissenschaft dar: als Indikator gesellschaftlicher Integration und Zukunftsfähigkeit, als Ziel, als Prinzip, aber auch Grenze pädagogischen Handelns. Dass Partizipation erstrebenswert und was mit Partizipation gemeint ist, scheint dabei weitgehend Konsens zu sein. Betrachtet werden klassische Formen von gesellschaftlicher Einflussnahme wie Wahlen und Mitgliedschaft in Vereinen, Verbänden, Parteien oder Gewerkschaften – und gerade diese Formen scheinen zunehmend in eine Krise zu geraten. Dabei ist die Annahme verbreitet, Jugendliche würden sich immer weniger gesellschaftlich engagieren und für öffentliche Belange interessieren.
Somit dominiert ein Bild von Jugendlichen, die nicht genug partizipieren. Dies gilt vor allem für die sogenannten benachteiligten Jugendlichen. Selten wird das, was Jugendliche wirklich tun, um sich auszudrücken, ihren Alltag zu bewältigen, ihre Lebensentwürfe umzusetzen oder ihr Umfeld zu beeinflussen, als Versuch der Partizipation anerkannt. Dies gilt insbesondere für neue Formen der Aneignung und Schaffung öffentlicher Räume – von Blockupy [1], Guerilla Gardening, Flashmobs und Pokémon-Go-Fan-Ansammlungen über die Nutzung von YouTube Channels, konsumorientierten Szenen bis hin zum „Abhängen“ in Einkaufszentren oder an öffentlichen Plätzen.
Das internationale Forschungsprojekt „Spaces and Styles of Participation. Formal, non-formal and informal possibilities of young people’s participation in European cities” (Orte und Stile von Partizipation. Formale, non-formale und informelle Möglichkeiten der Partizipation junger Menschen in europäischen Großstädten) – kurz: PARTISPACE – untersucht, inwiefern diese selten hinterfragten Ausgangsprämissen angemessen sind und ob das Handeln Jugendlicher nicht mehr partizipatorische Potenziale enthält als gemeinhin angenommen. In der Projektlaufzeit und im international angelegten Austausch soll überlegt werden, wie ein angemessener – sozusagen inklusiverer – Partizipationsbegriff begründet werden könnte, ein Begriff, welcher insbesondere erziehungswissenschaftlich fundiert ist. Hintergrund dieses Projektziels ist die kritische Infragestellung gängiger Diagnosen zu Jugendlichen und Partizipation insofern, da vielfach von einem zu engen, weil institutionell formalisierten und letzten Endes exklusiven Partizipationsbegriff ausgegangen wird.
Die Forschungsfrage von PARTISPACE lautet daher: Wo und wie partizipieren junge Menschen? Wesentliche Ziele der Studie sind:
- unterschiedlichste Praktiken und Vorstellungen junger Menschen von Teilnahme und Teilhabe an der Gesellschaft sichtbar zu machen;
- den herrschenden Begriff und die Rede von Partizipation daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie den Bedürfnissen und Praktiken der Partizipation Jugendlicher gerecht werden, und sie dementsprechend zu erweitern;
- zu ermitteln, wie Jugendliche bei ihren Partizipationsbemühungen anerkannt und pädagogisch und politisch unterstützt werden können.
Bevor in der Folge die Eckpunkte und das Forschungsdesign dieses Projekts dargestellt werden, sollen ausgehend von den Anfangsprämissen Überlegungen zu den beiden konzeptionellen Grundlagen von PARTISPACE: Partizipation und Räumlichkeit angestellt werden.
Erste konzeptionelle Grundlage: Partizipation – diese ist erstrebenswert und wichtig, doch was Beteiligung ist und woran sich Jugendliche beteiligen sollen, ist unklar
In der ersten konzeptionellen Grundlage von PARTISPACE geht es um die Suche nach einem gegenstandsangemessenen Partizipationsbegriff. Ausgangspunkt bilden einige Beispiele, die skizzieren sollen, wie aktuell über Jugendpartizipation gesprochen und geschrieben wird. Darauf aufbauend gilt es einige Überlegungen anzustellen, die aufzeigen, welche Partizipationsverständnisse darin enthalten und welche Alternativen verfügbar sind.
Aktuelle Reden über Jugendpartizipation – einige Schnappschüsse
Schnappschuss 1: Jugend beteiligt sich wieder mehr! Erst kürzlich hat die aktuelle Shell-Studie medienwirksam einen Wiederanstieg politischen Interesses und der Bereitschaft Jugendlicher gefeiert, sich an politischen Aktivitäten zu beteiligen. In einer Zeitreihe von 1984 bis 2015 wurden Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren gefragt, ob sie sich ganz allgemein für Politik interessieren würden. Nach Jahren sinkender Werte (1991 mit 57% auf bisherigen Höchststand und 2002 mit 34% auf Tiefststand) beginnt das „politische Interesse“ wieder anzusteigen und erreicht 2015 46%. Das Fazit der Shell-Studie lautet angesichts dieser Entwicklung, dass das Interesse an Politik deutlich gestiegen ist und damit die Bereitschaft einhergeht, sich an politischen Aktivitäten zu beteiligen. (vgl. Shell 2015)
Die hinter diesem Befund stehende Frage „Interessierst Du Dich ganz allgemein für Politik?“ unterstellt dreierlei:
- Erstens, dass eindeutig sei, was Politik bzw. das Politische bedeuten,
- zweitens, dass das was Forscherinnen bzw. Forscher und Jugendliche unter politischem Interesse verstehen, im historischen Wandel stabil bleiben,
- und drittens, dass sich dies eindeutig quantifizieren ließe.
Schnappschuss 2: Unklar ist jedoch, was Beteiligung genau ist. Dass nicht mehr ganz so eindeutig ist, was zu Partizipation gehört und was nicht, signalisieren andere Studien wie etwa die Umfrage des Eurobarometers zur Partizipation Jugendlicher (Eurobarometer 2013) oder auch der DJI-Survey Aufwachsen in Deutschland (Gaiser et al. 2012).
Sie haben in den letzten Jahren nicht nur nach konventionellen, sondern auch nach sogenannten non-konventionellen Formen von Jugendpartizipation gefragt, wie etwa der Teilnahme an Demonstrationen, Petitionen und zeitlich begrenzten Initiativen.
Allerdings lassen sich auch diese Formen einem konventionellen Spektrum zuordnen, da sie sich auf Themen und Inhalte beziehen, denen allgemein eine Relevanz für das Gemeinwesen zuerkannt wird. Einig sind sich aber alle Studien, dass Jugendliche sich in unterschiedlicher Weise und Intensität beteiligen und dass sich hierin soziale Differenzlinien niederschlagen und reproduzieren, v. a. in Bezug auf Bildungsstand, ethnische Herkunft und Geschlecht (vgl. Simonson et al. 2016; Gaiser et al. 2016). „Beim Thema Jugend und Politik geht es neben den Effekten der Geschlechtszugehörigkeit und des Bildungsniveaus auch um Alterseffekte“ (Gaiser et al. 2016, S. 17).
Schnappschuss 3: Jugendliche müssen lernen zu partizipieren. Eine wichtige Akteurin des aktuell herrschenden Partizipationsdiskurses ist, wie in Schnappschuss 2 kurz angedeutet, die Europäische Kommission. In ihrer Jugendstrategie „Investition und Empowerment“ heißt es:
„Die europäische Jugend muss darauf vorbereitet werden, Chancen wie Bürgerbeteiligung und politische Partizipation, Freiwilligentätigkeit, Kreativität, unternehmerische Initiative, Sport und internationales Engagement zu nutzen.“ (Europäische Kommission 2009, S. 2)
Der Ministerrat fordert darauf Bezug nehmend in einer Entschließung:
„(…) Unterstützung verschiedener Formen des Erwerbs von Partizipationskompetenz von Kindheit an im Rahmen der formalen Bildung und des nicht formalen Lernens.“ (Europäischer Rat 2009, S. 8)
Der hier enthaltene Imperativ ist ein doppelter: Jugendliche sollen sich der Erwartung, sich zu beteiligen, stellen und sie müssen es erst lernen, denn es geht offensichtlich darum, auf eine bestimmte Weise (d. h. „richtig“) zu partizipieren.
Diese oberflächlichen Schnappschüsse stehen für ein paar zentrale Diskurslinien:
- Die Thematisierung von Partizipation im Sinne eines Mehr oder Weniger, und zwar sowohl im Zeitverlauf als auch im Vergleich unterschiedlicher Gruppen, unterstellt, dass sich eindeutig bestimmen ließe, was Partizipation sei, dass sie sich messen ließe und dass sie sozial erwünscht sei (Willkommenskultur ja, rechtsextreme Aktivitäten nein).
- Unterschiede in der Beteiligung und Beteiligungsintensität Jugendlicher werden unterschiedlichen Kompetenzen (und Motivationen) zugeschrieben. Deren ungleiche Verteilung wird wiederum mit dem Verweis auf Sozialisationsdefizite im Kontext sozialer Benachteiligung erklärt.
- Jugendliche partizipieren nicht oder zu wenig. Sie können es aber lernen. Mit „es“ sind bestimmte erwünschte Formen von Partizipation gemeint, z. B. Beteiligung an Wahlen, Engagement im Jugendgemeinderat oder Ehrenamt. Daraus ergibt sich ein Auftrag und Ziel von pädagogischem Handeln. Jugendliche sollen informiert und instruiert werden, wo und wie sie „richtig“ partizipieren können: in Demokratieerziehung, Partizipationsprogrammen, Freiwilligendiensten, aber auch in der Jugendarbeit.
Diese Diskurslinien deuten die pädagogische und erziehungswissenschaftliche Relevanz von Partizipation an. Das Erziehungsziel der Mündigkeit gibt es dabei sowohl in einer affirmativen Variante – Demokratiefähigkeit und Staatsbürgerschaft als Beteiligung an den bestehenden Institutionen – als auch in einer kritischen, als Emanzipation konnotierten, Variante der Hinterfragung oder auch des Widerstands gegen diese Institutionen. In der Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung sind viele Angebote freiwillig. Deshalb verfügen Adressatinnen und Adressaten über das Machtmittel der Abstimmung mit den Füßen, d. h. sie können gehen oder dem Angebot fern bleiben. Dadurch können sie – anders als in der Schule – direkt oder indirekt Einfluss auf die Angebote nehmen. Partizipation gilt außerdem als ein Mittel, durch das sich Adressatinnen und Adressaten mit Inhalten identifizieren und damit motivierter und mehr/besser lernen (Thiersch 2015, S. 56ff.).
In der Bildungstheorie ist dies mit der Vorstellung von Bildung als selbsttätige Aneignung verbunden: Menschen eignen sich die Welt handelnd an, verändern dadurch ihr Selbst-Welt-Verhältnis (vgl. Koller 2012). In der Lerntheorie war es John Dewey (1930), der Demokratielernen im Vollzug des Lebens in demokratischen Verhältnissen verortete. Darauf aufbauend reden etwa Lave und Wenger von Lernen als Identitätsentwicklung durch die Beteiligung an kollektiven Praktiken („communities of practice“; Lave und Wenger 1991). Das hieße, dass Individuen immer partizipieren, wenn sie lernen oder Bildungsprozesse durchlaufen, und stellt die Annahme, dass man Partizipation erst lernen müsse, in Frage (vgl. Walther 2014b).
Dies deckt sich auch mit radikaldemokratischen Annahmen, denen zufolge die Menschenrechte nicht an Voraussetzungen wie bestimmte Kompetenzen gebunden sind (siehe Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention zum Kindeswillen [2]).
Dominante Partizipationsverständnisse und -begriffe im erziehungswissenschaftlichen Diskurs
Welche Verständnisse von Partizipation stecken in den vorgestellten Diskursen? Häufig wird Partizipation als Teilhabe und/oder Teilnahme definiert (vgl. Schnurr 2011), wobei erstere die Beteiligung an „politischen Beratungen und Entscheidungen“, letztere die Beteiligung an „Politikresultaten, etwa im Sinne einer Partizipation an Freiheit, gesellschaftlicher Macht, Reichtum, Wohlstand und Sicherheit“ meint (ebd., S. 1069). Schon dieses Begriffspaar und sein ungeklärtes Verhältnis –aktive Beteiligung und Aneignung zugestandener Teilhaberechte vs. unklare Teilnahme an Machtverhältnissen –weist auf die Widersprüchlichkeit von Partizipation hin (vgl. Walther 2010).
In der Jugendforschung wird Partizipation in Bezug auf gesellschaftliche Handlungsfelder wie Wahlen, Mitgliedschaften oder Initiativen spezifiziert (vgl. Gaiser et al. 2012) und „die breite Palette partizipatorischer politischer Verhaltensweisen von der Wahl bis zur Demonstrationsteilname und zum Konsumboykott betrachtet“ (Gaiser et al. 2016, S. 13):
- zu politischer Partizipation gehören Interesse an Themen, die entsprechend eines allgemeinen Verständnisses als politisch anerkannt sind, sowie konventionelle und non-konventionelle politische Beteiligungsformen (Wahlen, Parteimitgliedschaften – punktuelle politische Aktionen).
- zu sozialer Partizipation gehören in der konventionellen Variante die Mitgliedschaft in Vereinen und Verbänden, in der non-konventionellen auch punktuelles ehrenamtliches Engagement.
- Besonders in pädagogischen Kontexten, in denen es um ein pädagogisch intendiertes Erziehungsziel der Mündigkeit geht (siehe oben), kommt als weiterer Aspekt von Partizipation die Mitsprache in öffentlichen Institutionen hinzu, vor allem dort, wo es um Entscheidungen geht, die das eigene Leben und die Nutzung dieser Institution betreffen (vgl. Bertelsmann Stiftung 2007).
Auch wenn man eine Öffnung hin zu neuen, non-konventionellen Partizipationsformen erkennen kann, dominiert insgesamt ein formal institutionalisiertes Partizipationsverständnis. Dies liegt vor allem daran, dass allgemein nur bestimmten Inhalten und Themen eine Relevanz für das Gemeinwohl zuerkannt wird.
Zur Systematisierung dieser Verständnisse bieten sich zwei Achsen an: einmal die Achse der Anerkennung und Konformität, dann die Achse der allgemeinen bzw. öffentlichen Relevanz, die über die Anerkennung als Partizipation oder Nicht-Partizipation entscheidet.
So ist das Engagement im Jugendparlament als Partizipation anerkannt, mit der relevante Themen auf konforme Art und Weise verfolgt werden.
Die Beteiligung an gewaltförmigen öffentlichen Konflikten wird zwar häufig als politisch motiviert anerkannt, aber aufgrund ihrer Nicht-Konformität kriminalisiert.
Dann gibt es Praktiken, die zwar konform sind, aber nicht als Partizipation anerkannt sind, weil sie nicht als allgemein nützlich und relevant gelten – z. B. Konsumpraktiken.
Scheinbar eindeutig ist exzessiver Alkoholkonsum im öffentlichen Raum keine Partizipation, weil weder konform noch von allgemeiner Relevanz.
Das in der Jugendforschung angesprochene Verhältnis zwischen Partizipation und den ungleichen Möglichkeiten von Jugendlichen aufgrund ihrer sozialen Herkunft zeigt sich aus dieser Perspektive andersherum: Auch in der unterschiedlichen Anerkennung von öffentlichen Praktiken als Partizipation wird Ungleichheit reproduziert und die Grenzlinie zwischen Anerkennung und Nicht-Anerkennung verläuft häufig wiederum parallel zu Differenzlinien von Herkunft und Bildung.
Versucht man Partizipationsbegriffen auf den Grund zu gehen, landet man früher oder später bei der politischen Philosophie. Volker Gerhardt (2007) bestimmt Partizipation als das Spannungsverhältnis zwischen Selbstbestimmung und Mitbestimmung. Mitbestimmung verweist auf die Frage nach Formen von Partizipation. Selbstbestimmung hingegen ist grundlegender Bezugspunkt, Inhalt und Ziel von Partizipation, denn worum geht es Menschen, die partizipieren oder versuchen zu partizipieren, wenn nicht darum, ihr Leben entsprechend ihrer Bedürfnisse, Interessen und Werte zu leben? Partizipation ist keinesfalls eine universale Form der Teilhabe – im demokratietheoretischen Verständnis als „Moment der konstitutionell verbürgten Freiheit und Gleichheit aller“ (Schnurr 2011, S. 1070) – sondern klar im Kontext moderner, individualisierter Subjektivierung verortet. Selbstbestimmung als höchste Ausprägung von Partizipation (vgl. Knauer und Sturzenhecker 2005) ist nur möglich, wenn sie die Selbstbestimmung Anderer berücksichtigt, zumal man diese Anderen zur Erreichung eigener Ziele benötigt. Deshalb wird Partizipation in der Regel mit Öffentlichkeit assoziiert, d. h. Partizipation steht für Praktiken, die den partikularen individuellen Horizont überschreiten.
Darauf, dass dies nicht erst da gelten kann, wo formale Beteiligungsformen eingehalten werden, weisen neuere theoretische Arbeiten hin, etwa Nancy Frasers Konzept einer Politik der Bedürfnisinterpretation: es genügt nicht, Menschen nach ihren Bedürfnissen zu befragen und dementsprechend Umverteilungen von Ressourcen vorzunehmen, sondern sie müssen auch an der Interpretation dieser Bedürfnisse beteiligt, Anerkennung und Umverteilung gleichermaßen gewährleistet sein (vgl. Fraser 1994; 2003).
Im Rahmen des EU-Projektes Youth – Actor of Social Change (UP2YOUTH) hat dies – vor allem auch angesichts der entstandardisierten Übergänge Jugendlicher ins Erwachsensein – zu folgender Arbeitsdefinition geführt:
Partizipation ist als Streben nach biographischer Selbstbestimmung potenziell in jedem Handeln in der Öffentlichkeit oder Handeln, das an die Öffentlichkeit gerichtet ist, enthalten.
Potenziell, weil nur dialogisch festgestellt werden kann, ob einem bestimmten Handeln Aspekte biografischer Selbstbestimmung zugrunde liegen und falls ja welche. Gleichzeitig kann immer nur spezifisch geklärt werden, ob und welches Bewusstsein von Öffentlichkeit diesem Handeln zugrunde liegen. Das heißt, dass die Grenze zwischen Partizipation und Alltagspraxis fließend ist (Walther 2010; Loncle et al. 2012). Dies war die Ausgangssituation, vor deren Hintergrund das Projekt PARTISPACE beantragt wurde.
Zweite konzeptionelle Grundlage: Die Räumlichkeitsdimension von Partizipation – diese geht über die Frage nach dem „Wo“ hinaus
Neben dem Öffnen des bisher dominanten Partizipationsbegriffs ist das PARTISPACE-Forschungsprojekt an der Frage interessiert, in welchem Verhältnis die Beteiligungspraktiken Jugendlicher zu Öffentlichkeiten resp. öffentlichen Settings stehen. Damit wird ein zweiter Aspekt, d. h. SPACE oder eben die Räumlichkeitsdimension angesprochen. In der Folge gilt es, dieser zweiten konzeptionellen Grundlage nachzugehen, indem zuerst auf den Unterschied von Raum und Ort, danach auf die Dimension Sozialraum eingegangen wird.
Ort oder Raum? – das „Wo“ meint viel mehr als die territoriale Positionierung einer Handlung
Viele räumliche Fragestellungen im Zusammenhang mit sozialen Prozessen resp. dem sozialen Zusammenleben zielen darauf ab, „wo“ etwas stattfindet und damit eher auf Orte und nicht auf Räume. Eine Ausgangsfrage von PARTISPACE lautet entsprechend: Where do young people participate and how are the spaces related to the public? (siehe Auftaktveranstaltung vom 11. Mai 2015 in Frankfurt, www.partispace.eu) – doch wie dieses Verhältnis von Space und Place gesehen wird, ist in hohem Masse definitionsabhängig bzw. geprägt vom eingenommenen theoretischen Standpunkt. Eine heute dominierende Unterscheidung zwischen Raum und Ort geht zurück auf den deutschen Philosophen Martin Heidegger (2006 [1927]), welcher in „Die Räumlichkeit des Daseins“ Anschlüsse an den griechischen Raumbegriff des Topos im Sinne Aristoteles’ suchte. Demnach hat im Kosmos, als dem Gemeinort, alles Seiende – menschliche und tierische Wesen, wie auch Dinge und Elemente – seinen eigentümlichen Ort (kosmisches Ortsgefüge). „Der Mensch zeichnet sich einzig dadurch aus, dass er um seinen Ort weiss und dass er diesen Zielort finden oder verfehlen kann“ (Waldenfels 2007, S. 70). Verschiedene angelsächsische geographische Diskussionen (vgl. Buttimer und Seamon 1980; Cresswell 2015) bauen darauf auf und stellen „place“ (als Ort) oder den griechisch-heidnischen Raumbegriff (topos) dem „space“ (Raum) oder der römisch-christlichen Raumvorstellung (spatium, lat. für Distanz) gegenüber (vgl. Casey 1997). Französische Theoretiker wie Michel Foucault oder Henri Lefebvre lehnten hingegen diese Gegenüberstellung ab und verfolgten eine gegenläufige Begriffsbildung, die sich in der Soziologie als Konzepte von „Spatialisierung“ oder „spatial practice“ (vgl. Löw 2013; Werlen 1993) niederschlug. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Ortsbezug – die Festmachung einer sozialen Handlung an ein Territorium – nur einen Aspekt von Raum darstellt. Es handelt sich also nicht um ein oppositionelles Verhältnis. Vielmehr ist Ort eher als Platzierung oder Verortung zu verstehen. „’Ort’ begreift man am besten, wenn man sich an die Vorstellung eines lokalen Schauplatzes hält, womit auf die im geographischen Sinne verstandenen physischen Umgebungsbedingungen gesellschaftlicher Tätigkeiten Bezug genommen wird“ (Giddens 1995, S. 30). Schließlich können mit dem Place-making-Konzept (vgl. Belina 2013) Praxen auf ihre Lokalität und deren Bearbeitung analysiert werden. Lokale Schauplätze können durch die im Place-making-Konzept enthaltene Prozess- resp. Herstellungsvorstellung auf ihre Aufladung mit individueller oder kollektiver Bedeutung hin überprüft werden. In PARTISPACE geht es also nicht nur darum, „wo“ junge Menschen partizipieren, sondern vielmehr darum, welche Bedeutungen diese Orte/Schauplätze für Individuen und Gruppen einnehmen.
Raum - Sozialraum - PARTISPACE – von der Herstellung von Räumen der Beteiligung durch Jugendliche
Der zweite Teil der PARTISPACE-Ausgangsfrage lautet, wie diese Räume in Beziehung mit der Öffentlichkeit (englisch: public) stehen. Mit dem Öffentlichkeitsbegriff wird ein zentraler gesellschaftlicher Kontext angesprochen. Gleichzeitig wird darüber hinaus festgelegt, dass es bei der Analyse von partizipativen Formen (Stile) nicht einfach nur um die physisch-materielle Welt gehen soll, sondern vielmehr die sozialen Zusammenhänge (die Relation mit der Öffentlichkeit) in den Blick geraten soll. Um dies zu markieren, soll deshalb nicht von Raum, sondern explizit von sozialem Raum geredet werden. „Mit Sozialraum werden […] der gesellschaftliche Raum und der menschliche Handlungsraum bezeichnet, das heisst der von den handelnden Akteuren (Subjekten) konstituierte Raum und nicht nur der verdinglichte Ort (Objekte)“ (Kessl und Reutlinger 2010, S. 199–200). Der Begriff des Sozialraums weist darauf hin, dass die erdräumlichen Anordnungsmuster immer auch das Ergebnis sozialer Aktion darstellen, weshalb viele Autorinnen und Autoren auch von einem relationalen Raum sprechen (vgl. Soja 2008, S. 252). Mit dem Verweis auf die konstitutive Relationalität soll verdeutlicht werden, dass Räume keine fixierten, absoluten Einheiten sind, die sozialen Prozessen nur vorausgehen, sondern selbst das Ergebnis sozialer Prozesse, das heißt „ständig (re)produzierte Gewebe sozialer Praktiken“ (Kessl/Reutlinger 2010, S. 21). Sozialräume sind in diesem Sinne sinnvoll als ein Gewebe zu beschreiben, also als eine heterogen-zelluläre Konstellation, da in ihnen differente historische Entwicklungen, kulturelle Prägungen und politische Entscheidungen eingeschrieben werden. Sozialräume bilden eine diese sozialen Handlungsmuster wiederum prägende und in diesem Sinne durchaus beharrliche räumliche Konstellation (vgl. Massey 1999). Diese Raumdefinition steht einer Vorstellung gegenüber, die Raum als gegebene, das heißt scheinbar unabänderliche Tatsache, als fixe Dingwelt konzipiert. Derartige absolute Raumvorstellungen unterstellen also eine dem menschlichen Handeln vorgängige physisch-materielle Welt, die auf diese sozialen Zusammenhänge eine spezifische determinierende Wirkung ausübt. Raum besteht so unabhängig vom menschlichen Handeln.
Mit diesem Raumverständnis, welches der Partizipation von Jugendlichen unterlegt wird, versucht PARTISPACE, ein grundlegendes Problem des gängigen Partizipationsdiskurses zu umgehen. Dieses besteht darin, dass nicht-adäquate Raumvorstellungen und Raumkonzepte aufgegriffen werden und dass dadurch die verschiedenen Machtstrukturen und Daseinswelten nicht getrennt werden können. Als Konsequenz führt dies mitunter zu einer Abschottung von Beteiligungsformen: Weil die Kinder und Jugendlichen in ihren Handlungen ganz andere sozialräumliche Bezüge zu ihrer Umwelt herstellen, ist für sie der politische Raum, in dem sie sich engagieren sollen, vielfach nicht existent! Beteiligungsprojekte und Initiativen zur Selbstgestaltung beschränken sich auf bestimmte gesellschaftliche Ausschnitte und bestimmte politische Verfahren. Das Partizipationsverständnis liegt also oftmals quer zu den Engagementstrukturen, die aus der Raumaneignung attraktiver Plätze oder bei der Schaffung des eigenen Territoriums durch Jugendliche resultieren (vgl. Kniffki et al. 2013; Kniffki und Reutlinger 2013; 2015; Reutlinger 2016; 2009; 2010).
Wenn in PARTISPACE von Space die Rede ist, sollen also nicht nur erdräumliche Anordnungsmuster (wie bspw. physisch-materielle Objekte) untersucht werden, also das, was wir alltagsprachlich als gegebene „Orte“ oder „Plätze“ beschreiben: Gebäude, Straßenzüge oder Stadtteile. Vielmehr rücken die von den beteiligten Akteurinnen und Akteuren permanent (re)produzierten Räumlichkeiten ins Zentrum des Interesses: die räumlichen Formate sozialer Interaktion, die hegemonialen Deutungsmuster, das heißt die dominierenden Räumlichkeitsmuster und Raumordnungen, und die historisch-spezifischen sozialen Verhältnisse (vgl. Lefebvre 1991[1974]) – Räumlichkeiten, die von den Praktiken der beteiligten Akteurinnen und Akteuren wiederum beeinflusst werden. Konkret bedeutet dies für das PARTISPACE-Projekt, dass der Blick geöffnet werden soll für die Frage von Eigentum und Zugängen zu und von unterschiedlich institutionell strukturierten Territorien. Damit geht es immer darum, die Macht- und Herrschaftszusammenhänge bei der Herstellung von sozialen Räumen zu fokussieren. Dies bedeutet einerseits, dass Konflikte genauso kritisch betrachtet werden müssen wie konfliktfreie Raumaneignungsprozesse, indem die Frage gestellt wird, wer oder welche Gruppe resp. welche Handlungen anerkannt werden, aber auch wer verdrängt wird.
In der aktuellen sozialgeographischen Diskussion wird die Abkehr vom „Raum“ und die Hinwendung zur menschlichen Tätigkeit vollzogen. Nach Benno Werlen, einem der profiliertesten sozialgeographischen Denker unserer Zeit, soll nicht „Raum“, sondern sollten „vielmehr jene Handlungen der Subjekte, über welche deren ‚Geographien‘ hergestellt und reproduziert werden“ (Werlen 1995, S. 17), zum Gegenstand sozialgeographischer Forschung gemacht werden. Mit dem sozialräumlichen Fokus der Aneignung wird deutlich, dass beim Engagement von Jugendlichen die Frage unterschiedlicher Zugehörigkeiten (zum Ort, zur Clique, zum Lebensstil etc.) relevant wird und darüber Bildungsräume geschaffen werden. „Raumaneignung (…) bedeutet in erster Linie aber nicht bloß die materielle Inanspruchnahme von Raum, vielmehr ist die Fähigkeit des Subjekts gemeint, sich Raum im Alltag zu erschließen, so dass eine Orientierung möglich wird. Mit inbegriffen ist das „Umdeuten, Verändern und Umfunktionieren der Umwelt“ (Daum 2011, S. 20–21). Gerade verdeckte Engagementstrukturen sind von zentraler biographischer wie auch gruppenspezifischer Bedeutung. Über die Frage der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit im Öffentlichen kann vertieft auf Zugehörigkeits- und Ausschlussmechanismen eingegangen werden (vgl. Reutlinger 2013). Dies ist gerade aus einer professionellen Perspektive der Jugendarbeit wichtig, bei der es darum geht, sozialräumliche Zusammenhänge (enabling spaces) und Anerkennungskontexte (recognition) zu generieren, die offen sind auch für sonst marginalisierte Positionen und Handlungen (vgl. Reutlinger 2003).
Damit lässt sich als Fazit zu den konzeptionellen Grundlagen von PARTISPACE festhalten, dass von einem breiten Partizipationsverständnis ausgegangen wird. Dies nicht nur hinsichtlich des Kontextes resp. der Räumlichkeit, sondern auch hinsichtlich der Formen bzw. Stile. Letztere sind gerade im Zusammenhang mit jugendkulturellen Überlegungen wichtig, denn Formen und Stile stellen Möglichkeiten für unterschiedliche Praktiken dar (vgl. Skelton und Valentine 1998; Callu 2005; Harris und Wyn 2009). Formalisierte Räume implizieren hingegen soziale Kontrolle, Stigmatisierung und auch Marginalisierung. Davor versuchen einige wiederum durch entsprechend jugendkulturell geprägte Stile zu fliehen (vgl. Gallant und Friche 2010). Aufbauend auf diesen Überlegungen sollen im Folgenden die Eckpunkte des Europäischen Forschungsprojekts PARTISPACE, die mit dem internationalen Forschungsverbund zusammenhängenden Prozesse, aber auch erste Ergebnisse dargestellt werden.
PARTISPACE - Eckpunkte eines internationalen Forschungsprojekts
Wie eingangs erwähnt, steht PARTISPACE für Spaces and Styles of Participation. Formal, non-formal and informal possibilities of young people‘s participation in European cities und wird im EU-Programm Horizon 2020 gefördert (Laufzeit: Mai 2015 - April 2018).
Durchgeführt wird das Projekt in jeweils einer Stadt in acht europäischen Ländern. Von Norden nach Süden sind dies:
Beteiligt sind insgesamt 10 Forschungsteams aus diesen 8 Ländern.
Wie schon erwähnt, lautet die Forschungsfrage: wo und wie partizipieren Jugendliche in europäischen Städten? Die Schlichtheit dieser Frage ist darin begründet, dass wir sie so offen wie möglich halten wollten, um keine potenziellen Partizipationspraktiken auszuschließen.
Unser Ziel ist es, die Bedeutung von Partizipation aus dem Handeln bzw. den Praktiken Jugendlicher in der Öffentlichkeit zu rekonstruieren.
Dazu wollen wir dieses Handeln bzw. diese Praktiken sozialräumlich situieren (siehe oben). Der Titel weist mit der Unterscheidung formal, non-formal, informell darauf hin, dass wir nicht nur an Orten, auf denen Partizipation drauf steht, nach Partizipation Jugendlicher suchen, sondern auch an anderen, eben informelleren Orten.
Dann wollen wir Partizipation biographisch rekonstruieren. Wie kommen Jugendliche zu spezifischen, unterschiedlichen Praktiken in der Öffentlichkeit? Welche Relevanz haben sie in ihrem Alltag und Lebensentwurf?
Und wir wollen Anerkennungsverhältnisse untersuchen, nach denen bestimmte Praktiken als Partizipation anerkannt werden, andere nicht.
Damit sind außerdem theoretische Fragen verbunden, etwa
… die Frage nach unterschiedlichen Öffentlichkeiten und Anerkennungsverhältnissen, wie sie etwa in der Unterscheidung von formaler und informeller Anerkennung angedeutet ist;
… die Frage nach dem Verhältnis zwischen individuellem biographischen Handeln, kollektiver jugendkultureller Praxis und gesellschaftlicher diskursiver Praxis.
Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive liegt auch die Frage nach dem Verhältnis von Bildung und Partizipation nahe. Die Konzepte Bildung und Partizipation beziehen sich beide auf Selbst-Welt-Verhältnisse von Subjekten, die von intersubjektiver Anerkennung abhängen, was mit dem Aneignungskonzept deutlich wird (vgl. Walther 2014a). „Man könnte also Aneignung erster, zweiter und dritter Ordnung unterscheiden: die prinzipielle Lebenstätigkeit und Handlungsfähigkeit, die sich in der aktiven Auseinandersetzung mit Selbst und Welt äußert (Aneignung erster Ordnung); Lernen als aktive (Re-)Konstruktion von Welterfahrung (Aneignung zweiter Ordnung); Bildung als reflexive Transformation von Selbst-Welt-Verhältnissen bzw. Identitätsbildung (Aneignung dritter Ordnung)“ (ebd. S. 101).
Diese Fragen erfordern einen multiperspektivischen Forschungszugang:
- Ethnographischer Zugang: Indem das Projekt der Frage nachgeht, was Jugendliche „öffentlich“ tun, aber auch wo und mit wem sie diese Praktiken durchführen, wählen wir zunächst einen ethnographischen Zugang. Darüber hinaus interessiert uns, welche Bedeutung diese Praktiken jugendkulturell, aber auch biographisch im Leben der Jugendlichen einnehmen.
- Biographischer Zugang: Deshalb ergänzen wir unseren Ansatz mit einem biographischen Zugang, welcher den biographischen Stellenwert dieser Praktiken erschließt.
- Sozialräumlicher Zugang: Indem es um Praktiken in unterschiedlichen öffentlichen Settings geht, nimmt die Frage der Verortung in sozialräumlicher Hinsicht eine große Bedeutung ein. Geeignet sind sozialräumliche Zugänge, wie sie derzeit in der Sozialraumarbeit diskutiert werden (siehe oben). Die Unterscheidung in formale, non-formale und informelle Partizipation ist dabei lediglich heuristisch aufzufassen. Es geht darum, zu verhindern, dass man nur bei den üblichen „Verdächtigen“ landet (Jugendgemeinderat oder politische Gruppen).
- Diskurskritischer Zugang: Dieses Bemühen, wegzukommen von ausgefahrenen Hauptpfaden des Partizipationsdiskurses (siehe oben), verweist darüber hinaus auf einen diskurskritischen Zugang. Dieser fragt danach, wie Jugendliche durch europäische, nationale, kommunale Politiken und Programme adressiert und wie ihre Anliegen und Praktiken anerkannt werden.
- Vergleichender Zugang: Diese Adressierung wiederum hängt von politischen, institutionellen und kulturellen Rahmungen auf lokaler, nationaler und transnationaler Ebene ab. Die Unterschiedlichkeit dieser Rahmungen begründet den vergleichenden Zugang verschiedener Länder (von Nord bis Süd und Ost bis West) in PARTISPACE.
Das Forschungsdesign von PARTISPACE
Die Datenerhebung erfolgt mittels folgender Erhebungsschritte und -instrumente:
- Kontextanalyse: Analysen nationaler und europäischer Diskurse, institutioneller Strukturen und politischer Programme zur Partizipation Jugendlicher sowie eine Sekundäranalyse internationaler Surveys zu den Orientierungen und Einstellungen Jugendlicher;
- Entwicklung vernetzter Karten der sozialen Partizipationslandschaft durch ExpertInneninterviews sowie Gruppendiskussionen und Stadtteilbegehungen mit Jugendlichen;
- Qualitative Fallstudien zu formalen, non-formalen und informellen Konstellationen von Partizipation bestehend aus teilnehmender Beobachtung, Gruppendiskussionen und biographischen Interviews zu den Partizipationsmotiven, -erfahrungen und -biographien der Beteiligten (Beispiele sind Schülermitverwaltungen oder Jugendgemeinderäte, Jugendverbände und Jugendhäuser sowie politische jugendkulturelle Szenen wie etwa Blockupy oder die Gezi-Park-Bewegung [3], aber auch solche, die sich auf den ersten Blick rein über Freizeitinteressen definieren wie z. B. Skater oder konsumorientierte Jugendkulturen).
- Anregung und Unterstützung kleinerer (Forschungs)Projekte von Jugendlichen zu für sie wichtigen Fragen gesellschaftlicher Teilhabe.
Der dauerhafte Austausch und die Vernetzung der einbezogenen Akteurinnen und Akteure, politischer Entscheidungsträger und anderer Beteiligter vor Ort sowie im europäischen Kontext ist dabei ebenso eingeplant wie der stetige Kommunikationsfluss der Projektbeteiligten untereinander.
Diese Erhebungsschritte lassen sich in schematischer Form in folgendes Forschungsdesign aufteilen, ein Gesamtgebilde, welches sich in sieben ineinandergreifende bzw. aufeinander aufbauende Arbeitspakete (sogenannte Workpackages, WP’s) aufteilt. Die Arbeitspakete 2-6 umfassen den Forschungsprozess im engeren Sinne:
Gesamtstruktur von PARTISPACE (Walther 2014c, S. 30)
Stand des Forschungsprozesses
Im September 2016 sind 16 Monate seit Projektbeginn vergangen und WP 2 und 3 sind abgeschlossen. In diesen beiden Arbeitspaketen ging es um die nationalen und europäischen Kontexte, d. h. um jugendpolitische Strukturen, Partizipationsdiskurse und Forschungsstand (auf nationaler Ebene sowie Partizipationsdiskurse und Surveyergebnisse auf europäischer Ebene.)
Der Kern des Projektes liegt im WP 4, d. h. in den lokalen Fallstudien. Dieses Arbeitspaket lässt sich wiederum in eine Mapping-Phase sowie in eine Phase zur Durchführung von jeweils 6 Fallstudien pro Stadt einteilen.
In der Mapping-Phase geht es darum, über Experteninterviews und Gruppendiskussionen mit Jugendlichen in möglichst unterschiedlichen Settings Einblicke in lokale Konstellationen von Jugendpartizipation und somit einen Überblick zu gewinnen. Im Projektantrag lautete der Auftrag doppelt, d. h. in dieser Phase inbegriffen ist das „Social mapping of formal, non-formal and informal spaces of participation” einerseits sowie das „Social mapping of actors, infrastructures and issues of youth participation” andererseits (Walther 2014c, S. 19).
Task
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Methods
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Purposes Get an overview over
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Principles
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Im Projektantrag wird der Begriff Mapping eingeführt, aber nicht genauer definiert. Vor diesem Hintergrund stellte sich im Projekt die Frage, was genau mit Mapping gemeint ist und wie Mapping im Projekt methodisch umgesetzt werden kann. Diese Fragen beschäftigte das Projektkonsortium an den Projekttreffen, die jeweils zweimal pro Jahr in einer anderen Stadt stattfanden. Dieser Verständigungsprozess ist ein wichtiges Element eines international vergleichend angelegten Projekts wie PARTISPACE. Einige konzeptionelle Überlegungen hierzu waren folgende:
Im Projektantrag war die Rede von der Haltung, die in dieser Phase eingenommen werden sollte: „The concept of mapping is used in the sense of human and social geography or ethnography refers to giving an overview of and exploring the construction of territories through social relationships and practice. Rather than material maps, ’maps of (in)visible youth’ (Reutlinger 2003; 2004a; 2004b) or ‘living maps’ (Cohen 2014) are (re)constructed through expert interviews, focus group discussions and city walks with young people.” (Walther 2014c, S. 19)
Als gemeinsames Verständnis stellte sich heraus, dass die beteiligten Forscherinnen und Forscher zwischen dem technischen Akt des Zeichnens, Kartierens oder Map making und dem Mapping, also offenem Sammeln von Informationen als Prozess, unterschieden [4]. Vor diesem Hintergrund könnte man das offene Sammeln als Arbeitsdefinition auffassen.
Übereinstimmung der Akteurinnen und Akteure der untersuchten Standorte zur Bedeutung des Begriff Mapping:
- Zweck: Informationsbeschaffung und Datensammlung
- Darstellungsform: Nicht zwingend eine Karte, interaktive Darstellung
- Konstruktivistische, kritische Grundhaltung
Kartieren |
Mapping |
Vollständigkeit |
Fokus |
Objektivität |
Mehrdeutigkeit |
Ort |
„Kosmos“ Jugendliche, Partizipation |
Technischer Akt |
Offenes Sammeln |
Methode |
Haltung |
Keine Interaktion |
Ko-Konstruktion |
Mit dem dritten Konsortium-Netzwerktreffen in Göteborg im April 2016 wurde die erste Phase des Mappings abgeschlossen. In einem gemeinsam abgestimmten Prozess wurden auf der Basis der acht Mapping-Reports in jeder Stadt sechs Fallstudien zu unterschiedlichen Praktiken Jugendlicher in der Öffentlichkeit, u. a. mittels teilnehmender Beobachtung und biographischen Interviews, durchgeführt. Derzeit befinden sich die einzelnen Forscherinnen- bzw. Forscherteams in der Durchführung der zweiten Phase von WP 4, d. h. bei den 6 Fallstudien.
An den Ergebnissen von WP4 setzt WP 5 an, im Zuge dessen wir mit einzelnen Gruppen in kleine Handlungsforschungsprojekte einsteigen wollen. Diese Gruppen werden im kommenden Konsortium-Meeting Anfang November 2016 in Manchester bestimmt.
Sind die beiden Arbeitspakete abgeschlossen (Frühjahr 2017) werden in WP 6 vergleichende und thematische Analysen quer zu den Fallstudien durchgeführt. Entsprechende Ergebnisse werden in den unterschiedlichen Formaten und in den nationalen Fachdiskursen publiziert (WP 7).
Mit diesem Einblick in die konzeptionellen Grundlagen, laufenden Prozesse und ersten Erkenntnissen zum EU-Forschungsprojekts PARTISPACE endet dieser Beitrag. Dies stellt jedoch lediglich eine Momentaufnahme dar. Gleichzeitig laufen die Arbeiten in den einzelnen Arbeitspaketen und an den acht Standorten weiter. Auch der vernetzte Austausch zwischen den involvierten Disziplinen und sprachlich-diskursiven Denktraditionen wird fortgesetzt, wodurch neue Erkenntnisse zum Verhältnis von Partizipation von Jugendlichen hinsichtlich ihrer räumlichen Ausprägung und ihrer Stilformen entstehen.
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Fussnoten
[1] Räumlich verortet sich das linkspolitische, anti- und globalisierungskritische Netzwerk „Blockupy“ in der hessischen Metropole Frankfurt/Main. Sein Name leitet sich aus den Handlungszielen, d. h. Blockade (engl. to block „blockieren“) und von der Occupy-Bewegung (engl. to occupy „besetzen“) ab. (https://blockupy.org/, 30.08.2016)
[2] Kritisch wird jedoch angemerkt, dass die Bezugnahme auf die Kinderrechtskonvention – wie auch § 8 des KJHG – als Hintertür für die Begrenzung von Partizipation den Hinweis auf Beteiligung „entsprechend des Entwicklungsstandes“ enthält und entsprechend in der Praxis vielfältig genutzt wird (vgl. Liebel 2015).
[3] Am 28. Mai 2013 begannen in Istanbul Demonstrationen gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks (in der Nähe des zentral gelegenen Taksim-Platzes). Diese im öffentlichen Raum sichtbaren Demonstrationen und Aktionen wurden getragen von einer breiten Bürgerbewegung und richteten sich gegen die verschiedensten Aspekte der Regierung Recep Tayyip Erdogans.
[4] Zur Vorbereitung des Workshops zu PARTISPACE im Rahmen des DGfE-Kongresses in Kassel im März 2016 führte ein Teil des Zürcher Forschungsteams eine kleine Untersuchung mit den in Kassel anwesenden Projektpartnern (Deutschland, Italien und die Schweiz) durch. Die jeweiligen Projektpartner und -partnerinnen wurden über ihr Verständnis von Mapping, aber auch über ihr konkretes Vorgehen befragt. Diese Ergebnisse waren die Basis für den Input zu Mapping im Rahmen des Workshops. Einige Ergebnisse hierzu: Die Zürcher Akteurin bezeichnete Kartieren als geowissenschaftliche Herangehensweise. Es werde an Daten Festgemachtes physisch möglichst genau abgebildet, so dass ein gewisser Anspruch auf Richtigkeit und Exaktheit entstehe.
Auch die Akteurin aus Bologna unterschied Doing a Map und Mapping: „Doing a map is a strictly descriptive action which aims at reproducing a reality in a totally exhaustive way and which imply a focus on what physically exists.“
Die deutsche Akteurin fasste den Mapping-Prozess in Frankfurt wie folgt zusammen: Sammeln von Informationen, systematisch ablegen und später in einer Form zusammenbringen und darstellen.
Nach diesem Verständnis ist beim Kartieren also keine Interaktion notwendig, es komme dementsprechend zu keiner Ko-Konstruktion zwischen Forschenden und Beteiligten.
„Mapping, on the contrary, is a constructive action which does not aim at being exhaustive and complete, but at giving voice to a specific interpretation/representation of a reality.“
Beim Mappen (im Sinne der gemeinsamen Herstellung einer konkreten Karte) entstehe eine Ko-Konstruktion zwischen Forschenden und Beteiligten. Mapping ist mehr als eine Methode, Kartieren hingegen ist eine Feldmethode zur möglichst objektiven Abbildung der Welt.
Zitiervorschlag
Reutlinger, Christian und Andreas Walther (2016): Partizipation Jugendlicher: eine Frage von Raum und Stil? Konzeptionelle Grundlagen, Prozesse und erste Erkenntnisse des EU-Forschungsprojekts PARTISPACE. In: sozialraum.de (8) Ausgabe 1/2016. URL: https://www.sozialraum.de/partizipation-jugendlicher-eine-frage-von-raum-und-stil.php, Datum des Zugriffs: 02.12.2024