Die subjektiven Sichtweisen von Kindern auf Schule und Stadtteil nach der Corona-Pandemie

Eine sozialräumliche Erhebung an einer Düsseldorfer Ganztagsgrundschule

Ulrich Deinet, Johannes Lünenschloß, Laura Petzold

1. Einleitung

Im diesem Beitrag zugrundeliegenden Projekt „Sicht von Kindern auf Schule und Stadtteil (SiKiSuS)“ wurde in einer mehrwöchigen Feldphase (05/22 – 06/22) die Sicht von Grundschüler:innen der Katholischen Grundschule Mettmanner Straße in Düsseldorf-Flingern auf ihren Alltag im Offenen Ganztag, Schule und Sozialraum erhoben. Die Besonderheit dieser Studie liegt darin, den Fokus nicht nur auf das Erleben der Schule bzw. des Ganztages zu legen, wie etwa durch die Studie zur Entwicklung des Ganztages StEG (StEG-Konsortium 2019) oder die Studie von Walther und Nentwig-Gesemann (Walther et al. 2021) geschehen, sondern die Verzahnung von Schule und Sozialraum aus Kindersicht in den Blick zu nehmen, wie bspw. in den Erhebungen von Deinet (Deinet et al. 2018) und besonders von Fritsche et al. (2011), die ähnliche Ansätze verfolgten.

Die Studie umfasst das Erleben von Kindern, ihre Blickwinkel, ihre spezifischen Sichtweisen auf ihre Lebenswelten besonders in Bezug auf die Schule, den Stadtteil und den öffentlichen Raum. Dabei stellt sich auch die Frage, inwieweit die Corona-Krise und die damit verbundenen Veränderungen des familiären Lebens im Lockdown und danach die Perspektive der Kinder verändert haben.

Ergebnisse von Studien zur Situation von Kindern und Familien während der Corona-Krise zeigen veränderte Familiensituationen in einem breiten Spektrum zwischen sehr gespannten familiären Verhältnissen in Familien mit erhöhtem Stress, Problemen der Arbeit und des Einkommens sowie beengten Wohnverhältnissen und kaum vorhandenen Ausweichmöglichkeiten im jeweiligen Sozialraum (Andresen et al. 2022). Bildungsforscher:innen gehen dabei auch davon aus, dass die Corona-Krise dazu führen wird, dass soziale Ungleichheiten, gerade in Bezug auf Schule, noch deutlicher hervortreten als vorher (ebd.).

Die Rolle der Kinder und Jugendlichen wurde in der Pandemie meist unter dem Gesichtspunkt der Pandemieausbreitung gesehen. Die damit einhergehenden Schul- und Kitaschließungen sowie die massive Reduktion der sozialen Kontakte wurden bislang in ihrer entwicklungspsychologischen Bedeutung nicht ausreichend beachtet.

Aufgrund der langen Schulschließungen und des Homeschoolings werden aktuell häufiger die schulischen Defizite von Kindern und Jugendlichen und die damit zu erwartenden Probleme mit Abschlüssen bis hin zu Schulabbrüchen thematisiert. Zum Ende der Pandemie verlagert sich der Stress für Kinder und Jugendliche immer mehr auf ihre Rolle als Schüler:innen. So wichtig schulische Leistung und deren Förderung jetzt ist, wird diese jedoch nur erfolgreich sein, wenn Kinder auch wieder Freiraum und Förderung für ihren Lebensabschnitt erhalten, in dem sie mehr sind als Schüler:innen, nämlich junge Menschen, die ihre Persönlichkeit entwickeln wollen. Kinder können nur dann gut lernen, wenn sie auch Möglichkeiten und Bereiche finden, um ihr Leben mit Gleichaltrigen in „Frei-Räumen“ und einem gewissen Schutz zu leben. Jugendfreizeiteinrichtungen und andere außerschulische Bildungs- und Freizeitorte sind besonders geeignet, Freizeit-, Sport- und Kulturangebote zu machen (Deinet 2004). Aber es geht ebenso um den öffentlichen Raum, Spielplätze usw. und die Möglichkeiten für Kinder, in ihrem Stadtteil auch selbstständig und ungefährdet unterwegs zu sein (Fegter/Andersen 2019).

Für Schule ist die Sicht der Kinder von besonderer Bedeutung, insbesondere in der Zeit am Ende der Corona-Pandemie. In der Post-Corona-Zeit wird es vor allen Dingen darum gehen, Schule als Lebensort zu aktivieren und die Öffnung von Schule in den Sozialraum zu fördern sowie sich den Stadtteil mit Kindern wieder anzueignen und damit zur Revitalisierung des öffentlichen Raums beizutragen.

2. Methoden

Um die Perspektive der Grundschüler:innen bestmöglich beleuchten zu können, wurde die Studie mithilfe einer Vielfalt an sozialräumlichen und sozialwissenschaftlichen Methoden durchgeführt.[1] Mit partizipativen, animativen Methoden (s. u.) werden insbesondere die Lebenswelt und die Freizeitgestaltung von Kindern in der Primarstufe sowie deren Erleben von Schule und Sozialraum in den Blick genommen. Die Kinder werden dabei als die Expert:innen ihrer Lebenswelt befragt. Es werden ausschließlich Methoden ausgewählt, die partizipativ ausgerichtet sind und Kinder im Rahmen der Aktions- und Feldforschung aktiv beteiligen. Die Methoden sind gleichzeitig analytisch (um die Sicht der Kinder zu erheben) sowie animierend (sie aktivieren die Kinder, machen Spaß) und ermöglichen die Aneignungsprozesse der Kinder in ihren sozialräumlichen Bezügen nachzuvollziehen. Durch einen Methodenmix soll ein breites Spektrum an Beteiligungsmethoden eingesetzt werden:

Bei der Nadelmethode handelt es sich um eine partizipative Methode, bei der die Kinder aufgefordert werden, verschiedenfarbige Nadeln auf Stadtkarten zu stecken, um bestimmte Orte in ihrem Sozialraum zu markieren, die für sie eine Bedeutung haben. Bei der Untersuchung lautet die Aufforderung, sowohl beliebte und unbeliebte Orte in der Freizeit als auch beliebte und unbeliebte Orte auf dem Schulweg zu markieren und mit Kommentaren zu versehen, die Aufschluss darüber geben, warum sie bestimmte Orte gerne aufsuchen oder meiden. Als Grundlage wurde der Kinderstadtplan des Sozialraums verwendet (Deinet 2009, 72ff.).

Die Methode der Subjektiven Landkarte dient dazu, die räumliche Dimension des Alltags der Kinder sichtbar zu machen. Diese Methode gibt über die Aufenthaltsorte der Kinder, die Bedeutung ihres Stadtteils und das subjektive Erleben ihres alltäglichen Lebensraumes Aufschluss. Die Kinder werden dazu angehalten, eine subjektive Karte zu malen bzw. zu zeichnen. Als Fixpunkt dient ihnen dabei ihr Zuhause. Von dem Zuhause ausgehend sollen sie bedeutsame Orte ihrer Lebenswelt einzeichnen. Die Bilder werden im Anschluss auf gemeinsame Inhalte/Themenbereiche und Bedeutungsmuster hin inventarisiert und interpretiert (Deinet 2009, 75ff.).

Bei der Subjektiven Schulkarte handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Subjektiven Landkarte. Hierzu wird an allen Schulstandorten eine detailgetreue Skizze vom Schul- und Pausengelände erstellt. Diese wird den Kindern mit der Aufforderung vorgelegt, die Skizze mit drei unterschiedlichen Farben auszumalen. Die drei Farben stehen jeweils für einen beliebten oder unbeliebten Ort oder für einen Ort, der den Kindern noch weitestgehend unbekannt ist. Über ergänzende Kommentare der Kinder zu ihren Markierungen erlaubt es diese Methode, vertiefte Einblicke dazu zu bekommen, welche Orte warum von den Kindern genutzt oder auch gemieden werden (Deinet et al. 2018, 195ff.).

Bei der Stadtteilbegehung handelt es sich um eine zentrale Methode zur Erforschung der lebensweltlichen Sicht der Kinder in Bezug auf bestimmte Orte in ihrem Stadtteil und die subjektiven Bedeutungen, die diese für sie haben. Mit kleinen Gruppen wird der Stadtteil auf einer von den Kindern eingeschlagenen Route begangen und zugleich werden ihre Interpretationen der sozialräumlichen Qualitäten dieser Räume dokumentiert (Deinet 2009, 68ff.). Es geht dabei auch um die Erkundung des Sozialraums und möglicher Orientierungspunkte, um die Identifizierung von Lieblings- und Angstorten und dortigen Aneignungsprozessen. Anknüpfungspunkte können sein: Orte auf dem Schulgelände, auf dem Schulweg und beliebte sowie unbeliebte Orte im Stadtteil.

Gruppeninterviews wurden in Kleingruppen von ca. sechs Kindern geführt. Die Gruppeninterviews wurden anhand eines vorab erstellten offenen Leitfadenkatalogs geführt. Hierbei wurden systematisch verschiedene Themenbereiche behandelt. In der Kleingruppe erhielt jedes Kind die Möglichkeit, sich zu den jeweiligen Fragen zu äußern (Deinet et al. 2018, 193). Die Gruppeninterviews wurden aufgezeichnet und im Anschluss an die Gespräche transkribiert. Die Auswertung erfolgte mit der qualitativen Inhaltsanalyse unter Zuhilfenahme des Auswertungsprogramms MAXQDA.

3. Stichprobe und Fragestellungen

Die Erhebung wurde in einem dreiwöchigen Zeitraum an der katholischen Grundschule Mettmanner Straße im Stadtteil Düsseldorf Flingern durchgeführt. Das Projekt richtete sich vor allem an Schüler:innen der vierten Klassen, außerdem nahmen Schüler:innen einer dritten Klasse teil. Ein Großteil der Teilnehmenden besucht die OGS und so fanden die Erhebungen überwiegend im Nachmittagsbereich statt. Insgesamt belief sich der ‚Pool‘ an zur Verfügung stehenden Schüler:innen auf vier Schulklassen. Davon nahmen die Kinder teilweise jeweils an mehreren Methoden teil (alle befragten Kinder sind in der OGS angemeldet).

Nadelmethode: n = 30, 16 m 14 w, Alter 7 – 11 Jahre
Sozialraumbegehung n = 14, 7 m 7 w, Alter 9 – 12 Jahre
Subjektive Landkarte: n = 17, 9 m 8 w, Alter 7 – 10 Jahre
Gruppendiskussion (GD) n = 18, 10 m 8 w, Alter 9 – 12 Jahre
Subjektive Schulkarten (SS2), n = 13, keine Angaben zu Geschlecht, Alter 9 – 10 Jahre
Subjektive Schulkarten (SS1), n = 8, keine Angaben zu Geschlecht, Alter 9 – 10 Jahre

Die folgenden Forschungsfragen lagen der Untersuchung zugrunde:

Der betrachtete Sozialraum

Beim untersuchten Gebiet handelt es sich um einen Sozialraum in Flingern-Süd. Das Ganztagsangebot der Schule wird von einem lokalen freien Träger verantwortet. Der sozialräumliche Nahbereich der Schule wird nach der städtischen Sozialraumanalyse beschrieben als „dicht besiedeltes, innerstädtisches Wohngebiet […]. Grün- und Freiflächen sind kaum vorhanden“ (Stadt Düsseldorf 2017, 31). Dort leben insgesamt 9.262 Menschen (Stand 2017), von denen 838 zwischen 12 und 18 Jahren alt sind und 283 eine Grundschule besuchen, die OGS-Quote liegt bei 75,3 Prozent. Aus sozioökonomischer Sicht weist das Quartier in Relation zum stadtweiten Durchschnitt eine doppelt so hohe Arbeitslosenquote sowie doppelt so hohe SGB II und SGB XII Bezugsquoten auf. Der Ausländeranteil liegt 15 Prozentpunkte über dem Stadtdurchschnitt, der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund 17 Prozentpunkte darüber.

Karte Flingern Süd

Abbildung 1: Karte Flingern Süd (Quelle: OpenStreetMap.de)

4. Ergebnisdarstellung

Die folgend präsentierten Zitate beziehen sich immer auf die Gruppendiskussionen, alle anderen Methoden sind entsprechend gekennzeichnet. Die Ergebnisse der einzelnen Methoden wurden entsprechend der Zielsetzung der Studie in ein Kategoriensystem gesetzt und ausgewertet. So wird zunächst das Erleben in Schule und Offenem Ganztag als Bestandteil von Schule dargestellt. Danach geht es um Bereiche der Lebenswelt der Kinder und die Wahrnehmung sowie die Aneignung konkreter Orte im Stadtteil und darüber hinaus.

4.1 Schule/OGS

Zur Schule im Allgemeinen wird von den Kindern kaum explizit Positives geäußert. Die positiven Markierungen in den durchgeführten Nadelmethoden stehen eher im Kontext der Schule als Ort, an dem man Freund:innen trifft, und ein hoher Grad an Detaillierung bei den Zeichnungen der Schule ist eher Indiz für die Relevanz in der Lebenswelt der Kinder.

Dabei gibt es einen speziellen Bezug auf den Unterricht an der Schule: Als in der Schule wichtig wird der mit den Noten einhergehende Bildungserfolg gesehen. So wünschen sich viele Kinder in den Gruppendiskussionen gute Noten. Der Erfolg in der Schule wird aber auch an der Beziehung zum Lehrpersonal festgemacht: „[Lehrer] ist auch sehr, sehr nett, ich mag ihn, ich hatte früher Schwierigkeiten bei Deutsch und Mathe, aber er hat uns unterrichtet und dadurch wurde ich immer besser [...], es macht sehr Spaß mit ihm, es ist einfach richtig cool mit ihm.” Dies scheint aber auch nicht immer der Fall gewesen zu sein, bzw. die Beziehung hat sich über die Zeit gewandelt: „Also früher hatten wir [Lehrer] und er hat uns angeschrien. Aber heute ist uns aufgefallen, dass er sehr nett ist und uns helfen will.“ Unterricht an sich wird jedoch in mehreren Methoden als langweilig beschrieben: „Es macht mehr Spaß in der OGS als im Unterricht. Da zu sitzen und zu schreiben und Klassenarbeiten zu schreiben, das finde ich richtig nervig.“ Im Vergleich zum vormittags stattfindenden Unterricht hebt sich der Offene Ganztag im Nachmittagsbereich positiv ab.

Was das pädagogische Handeln der Lehrkräfte betrifft, gehen die Meinungen der Schüler:innen auseinander. So wird bei Streitereien Unterstützung vermisst: „Ich sage es manchmal [Lehrer], aber [Lehrer] sagt zu mir: Egal, geh‘ spiel weiter!“ Andererseits wird auch Verständnis für Strenge geäußert: „Manchmal ist [Lehrer] sauer, weil die anderen nicht zuhören.” „Ja, aber muss er doch, sonst denken die, ich kann machen, was ich will.” Insgesamt schätzen Kinder in der Beziehung auch die emotionale Verfügbarkeit von Fachkräften, „einmal, wo jemand geweint hat, sie hat sich einfach neben sie gesetzt und hat sie aufgeheitert, bis sie aufgehört hat zu weinen“.

Teilweise wird von den Kindern ein gewisser Leistungsdruck empfunden und insbesondere Kinder, die nach dem Unterricht in die OGS gehen, spiegeln einen Mangel an (Frei-)Zeit wider. Wie durchgetaktet der Tag eines Kindes mit Schule, Ganztag und anderen Angeboten sein kann, bringt ein Viertklässler auf den Punkt: „Ich habe zuhause noch zwei Unterrichte dazu, am Samstag, am Montag und auch am Donnerstag, bin ich schon gestresst, wo ist meine Spielzeit, muss dann noch die Hausaufgaben machen, ich bin komplett tot. Ich habe Chinesisch, Malkurs am Sonntag, am Samstag muss ich immer alles fertigmachen, ich bin komplett überfordert, [...] ich habe überhaupt keine Freizeit mehr.“

Räume in der Schule (Schulhöfe + Innenräume)

In Bezug auf die Räume in der und um die Schule lässt sich durch die Subjektiven Schul- und Landkarten viel erschließen. Die meisten Karten enthalten genaue Standorte, wo die Kinder welcher Aktivität am liebsten nachgehen, auch wurde oft versucht, den Standort des eigenen Klassen- oder OGS-Gruppenraums im Schulgebäude einzuzeichnen. So gibt es speziell unter den vierten Klassen bestimmte Orte, an denen die Klassen in der Pause Fußball spielen. Auf vielen Karten lassen sich positive Bemerkungen zu Bäumen und Grünflächen auf dem Schulhof finden. Auch der Schulgarten, in dem gemeinsam mit den Kindern Gemüse angepflanzt wird, wird von den Kindern in dieser Methode oft positiv eingeordnet.

Bei den Klettergerüsten und sonstigen fest installierten Spielmöglichkeiten sind insbesondere die negativen Einordnungen stets unmittelbar mit einer subjektiven Erfahrung des Kindes verknüpft, so wird z. B. die Wippe rot markiert, weil sich das zeichnende Kind dort verletzt hat, oder das Klettergerüst, wenn das Kind dort gefallen ist. Die positiven Wertungen der Spielmöglichkeiten auf dem Schulhof unterstreichen den sozialen Charakter des Spiels, da nach den Angaben der Kinder dort stets gemeinsam mit Freund:innen gespielt wird. Bei der Nadelmethode wurde zudem der Schulhof auch als Freizeitaktivität und Treffpunkt angegeben, da er auch nach der Schule und am Wochenende für die Kinder geöffnet ist.

Subjektive Landkarte "Kleiner Schulhof"

Abbildung 2: Subjektive Landkarte "Kleiner Schulhof" (Quelle: Eigene Darstellung)

Die schuleigene Aula wird in den Schulkarten, aber auch in anderen Methoden, von den Kindern sehr zweigeteilt wahrgenommen. Entweder wird sie wegen der dort stattfindenden Tanz-AG als positiv gerahmt oder für den dort auch durchgeführten Sportunterricht als zu klein, eng und somit negativ empfunden.

Ein eher abgelegener Gang auf einem der Schulhöfe, der zu einem mittlerweile nicht mehr genutzten Schultor führt, wird von den Kindern auf Subjektiven Schulkarten eindeutig mit maßregelnden Interventionen durch Fachkräfte verbunden: „Hier gibt’s Ärger." Einhellig als negativ bewertet werden aufgrund mangelnder Sauberkeit die Toiletten mit Schulhofzugang.

Bei den Subjektiven Schulkarten zeichnet sich ab, dass die Kinder geschlechtsspezifische Treffpunkte haben. Die Mädchen treffen sich meist klassenübergreifend an den Tischtennisplatten auf dem großen Hof, die Jungen spielen, nach Klassen getrennt, Fußball an zwei Orten.

OGS (Offene Ganztagsschule)

Das offene Ganztagsangebot beginnt für die Kinder meist nach fünf bis sechs Stunden Unterricht mit einem gemeinsamen Mittagessen, welches die Kinder schätzen: „Ich freue mich am meisten in der OGS, wenn es Essen gibt“, „aber Mittagessen ist das Beste“. Die Kinder gehen in einer Gruppendiskussion stark auf „das Wasser vom Mittagessen“ ein, welches als besonders „gut" wahrgenommen wird. Einige der Kinder klären auf, dass sie zuhause kein Mineralwasser trinken (können). Es gibt auch keine explizit negative Äußerung über „das Essen vom Mittagessen“.

Die Kinder sehen den Offenen Ganztag auch klar als erweiterte Möglichkeit zum gemeinsamen Spiel an, nach den kurzen Pausen am Vormittag: „Ich mag es besonders, wenn wir rausgehen, weil da kriegst du halt frische Luft und da kann man mit seinen Freunden spielen und alles.“ Dazu schätzen sie auch die teils freitags unternommenen Ausflüge zu nahen Spielplätzen im Sozialraum innerhalb der OGS-Gruppen. Wie wichtig Spielen für die Kinder ist, verdeutlicht ein Mädchen auf die Frage, was ihr an der OGS am besten gefällt: „Mittagessen, spielen, mit der Gruppe spielen auf jeden Fall!“

Innerhalb der OGS scheint es üblich zu sein, dass Fachkräfte die Kinder im Rahmen einer partizipativen Alltagsgestaltung als Assistent:innen bzw. Helfer:innen für einen Tag benennen und ihnen unterstützende Aufgaben im Gruppenalltag zuweisen. Dieser Posten scheint bei den Kindern der vierten Klassen äußerst beliebt zu sein, so berichten sie, „alle wollen Assistenten sein“. Sie erleben dies nicht etwa als Mangel an pädagogischem Personal, sondern als Gelegenheit, etwas Gutes zu tun, denn „beim Helfen erlebt man was Gutes. Wenn man jemandem hilft, dann kriegt man auch wieder was zurück.“ Die Hilfsbereitschaft der Kinder kann jedoch auch in einer guten Beziehung zu den Fachkräften begründet sein. Die Gruppenleitungen und die OGS-Leitung werden in allen Gruppendiskussionen einstimmig positiv erwähnt und eingeschätzt.

Auch im OGS-Kontext äußern die Kinder, wie wichtig ihnen die Zugewandtheit und Hilfsbereitschaft des Personals sind: „Sie ist eine ziemlich nette Erzieherin. Wenn wir Probleme haben, hilft die uns direkt. Unser Streit ist dann zum Beispiel in zwei Sekunden geklärt.“

Weitere Mitbestimmungsmöglichkeiten ergeben sich für Kinder, die Geburtstag haben, welche für den Tag in der OGS zur Feier des Tages etwa über den Tag und die Gruppenaktivitäten entscheiden dürfen: „Die Geburtstag haben, dürfen aussuchen, wo wir hingehen, also vielleicht zum Beispiel Aula oder draußen oder drinnen bleiben, kleiner Schulhof.“

Auch die Strukturen bzw. Abläufe der OGS haben die meisten Kinder fest verinnerlicht und können diese problemlos wiedergeben: „Danach raus, bis 15:55, danach wird alles eingesammelt.“

Hausaufgaben

An das Mittagessen schließt sich das Erledigen der Hausaufgaben an. Hierfür stehen bei den Kindern ausreichend Zeit und Ruhe im Vordergrund. Die Kinder in einer Gruppendiskussion nehmen den Ablauf so wahr, dass sie sich beim Mittagessen beeilen müssen und „wenig quatschen, weil, das hängt von unserer Hausaufgabenzeit ab“. Sie wünschen sich dementsprechend mehr Zeit zum gemeinsamen Mittagessen und erleben den zeitlich begrenzten Rahmen beider Aktivitäten als störend bzw. nicht ausreichend. In einer anderen Gruppe wird bemängelt, dass die Hausaufgaben im selben Raum erledigt werden, in dem auch die Geschirrspülmaschine mit dem Geschirr vom Mittagessen läuft, was sie als störend und zu laut empfinden.

Die Hausaufgabenbetreuung wird grundsätzlich als hilfreich angesehen, besonders die Begleitung bei den Hausaufgaben durch Lehrpersonal als Fördermaßnahme für einige Schüler:innen wird von diesen als positiv erlebt.

Negative Äußerungen im Kontext der Hausaufgaben beziehen sich darauf, dass die Kinder angeben, zu viele Hausaufgaben zu haben, diese somit in der dafür vorgesehenen Zeit nicht schaffen zu können, oder aber auch, dass sie einfach generell „kein Bock auf Hausaufgaben“ haben.

Arbeitsgemeinschaften

Ab 15:00 Uhr starten die verschiedenen AG-Angebote des Offenen Ganztags. Die Kinder geben in den Gruppendiskussionen das bestehende Angebot gut wieder. So gibt es eine „Fußball-, Tanz-, Taekwondo-, Holzwerkstatt-, Trommel-, Inliner-, Reit-, Sing- und Häkel-AG und donnerstags kommt das Spielmobil auf den Schulhof“. Die einzelnen AGs werden von den Kindern aufgrund eines monatlich wechselnden Plans gewählt. Hierbei orientieren sie sich natürlich stark an eigenen Interessen: „Mir macht die Fußball-AG Spaß, weil ich mag Fußball und ich spiele auch in einem Verein, das ist halt, was ich liebe.“ Eine Besonderheit der Schule sind die zwei Werkstätten im Keller des Gebäudes, welche noch aus Zeiten stammen, in denen dort eine Berufsschule ansässig war. Hier schätzen die Kinder es, sich gestalterisch austoben zu können, „da kann man richtig viel Spaß haben“. So werden in der Holzwerkstatt Schwedenstühle, Vogelhäuser und Insektenhotels gefertigt, jedoch auch große Projekte umgesetzt, „und dann habe ich noch ein Auto gebaut, aber kein kleines, sondern ein großes, wo ich selbst reinpasse“. In der sog. Künstlerwerkstatt geht es eher darum, kleinere Gegenstände zu gestalten und zu basteln, „da gibt es jetzt richtig viele Sachen, da kannst du alles bauen, was du willst“.

Auch wenn nicht jede AG so konkrete Ergebnisse produziert wie die Werkstätten, wird etwa in der Gesangs- und Tanz-AG zum Zeitpunkt der Erhebung für einen Auftritt am letzten Schultag geübt. „In der Garten-AG, da kümmert man sich um den Garten“ und übernimmt somit für die gesamte Schule eine Aufgabe, konkret heißt dies: „Manchmal gießen wir auch, manchmal pflanzen wir auch Bäume oder sowas.“

Die Kinder wünschen sich, das schon breite Angebot noch um eine Basketball- und eine Eislauf-AG zu erweitern. Nimmt ein Kind zur AG-Zeit nicht an einer AG teil, besteht die Möglichkeit zum ausgedehnten freien Spiel auf dem Schulhof: „Ich spiele da, wir haben auch ein Klettergerüst und ich und meine Freundin sitzen immer auf der Tischtennisplatte und reden.“

Partizipation/Mitbestimmungsmöglichkeiten

Laut den Aussagen der Kinder in den Gruppendiskussionen spielt der Freitag im Offenen Ganztag in Bezug auf Mitbestimmungsmöglichkeiten eine besondere Rolle. Dort werden keine AGs angeboten, sondern es gibt Gruppenzeit. Diese kann, wie bereits erwähnt, zu Ausflügen genutzt werden, aber die Kinder berichten auch, dass die Fachkräfte hier die Kinder im Plenum befragen, ob es Anliegen ihrerseits gibt oder sie sich z. B. neue Spiele wünschen. Die Fachkräfte und insbesondere die Gruppenleitungen werden von den Kindern in den Gruppendiskussionen mehrfach als Ansprechpartner:innen beschrieben, eine Gruppe bezieht dies aber eher auf Probleme mit den Hausaufgaben als auf allgemeine Anliegen.

Im schulischen Vormittag scheint zudem für die einzelnen Klassen ein Klassenrat vorhanden zu sein, hierzu geben die Kinder aber auch nach gezielter Nachfrage wenig preis. Weiter wird berichtet, dass es in einer Klasse einen Briefkasten gibt, in den die Kinder im Falle eines Streites anonym in der Klasse einen Zettel einwerfen können. Im Kontext der Schule werden die Lehrer:innen, der Hausmeister und die Direktorin als Ansprechpartner:innen genannt, für die Kinder besteht zudem die Möglichkeit, sich bei Bedarf an die Klassensprecher:innen zu wenden.

4.2 Orte und Räume der Lebenswelt der Kinder

Kitas

Einige Kinder markieren in der Nadelmethode ihre ehemaligen Kitas als positive Orte, weil sie anscheinend schöne Erinnerungen damit verbinden, ein Kind nennt eine Kita außerdem als Ort zum Spielen („Nach 16:00 Uhr ist die Kita frei und dann spielen wir da“). Auch in den Subjektiven Landkarten zeichnen Kinder einen Kindergarten/eine Kita ein, teilweise weil ihre Geschwisterkinder dort hingehen oder weil sie sie früher selbst besuchten.

Schulweg

Dementsprechend haben viele Kinder einen recht kurzen Schulweg. In den Subjektiven Landkarten wird von den Kindern eine laufende Figur in Richtung Schule eingezeichnet, um den nahen Weg darzustellen, bei weiter entfernten Orten wird als Fortbewegungsmittel ein Fahrrad, Auto oder auch Zug gemalt. Die Kinder schätzen jedoch nicht nur die kurze Distanz, sondern sehen den Schulweg ebenso als Möglichkeit der sozialen Begegnung. So werden in der Nadelmethode und den Landkarten Häuser von Freund:innen markiert bzw. eingezeichnet, die auf dem Weg zur Schule abgeholt/getroffen werden. In einer Gruppendiskussion beschreibt ein Kind dies folgendermaßen: „Ich finde meinen Schulweg richtig schön. Weil ab und zu sehe ich auch die Klassenkameraden. Das Beste ist, wenn ich vorbeigehe an A. Haus, da, wo sie wohnt, danach kann ich sie ab und zu mal sehen und mit ihr reden.“

Zuhause

Das eigene Zuhause der Kinder hat methodenübergreifend eine große Bedeutung für sie und wird ausschließlich positiv gesehen. So wird es sehr oft in der Nadelmethode markiert. Die Kinder tendieren dazu, zu Anfang der Methode einen bekannten Ausgangspunkt auf der vorher meist gänzlich unbekannten Karte (Stadtplan) zur Orientierung zu suchen, bei dem es sich in der Regel um das eigene Zuhause oder die Schule handelt. Aktivitäten dort sind vor allem Zocken, Essen und Schlafen bzw. Zeit im Bett zu verbringen sowie die Familie zu sehen (Nadelmethode). Auch in den Gruppendiskussionen wird das Zuhause als Ruhe- und Rückzugsort verstanden: „Ich bin am meisten zu Hause, Schultasche abwerfen, dann nehme ich meinen Laptop und schau‘ zuerst mal YouTube-Videos und spiele.“

Bei den Subjektiven Landkarten haben alle Kinder das eigene Zuhause gezeichnet, entweder als zentralen Ort auf der Karte oder in irgendeiner Weise mit der Schule verbunden. Beim Zeichnen achten die Kinder darauf, die ‚richtige‘ Farbe für die Fassaden etc. zu wählen, und stellen vereinzelt auch den Mitarbeitenden Fragen wie: „Mein Haus ist das gelbe, kennst du das?“

Familie und Freund:innen

Im Alltag bzw. bei der Freizeitgestaltung der Kinder spielen vor allem Freund:innen sowie die eigene Familie eine große Rolle. Wie in der Nadelmethode ersichtlich wurde, treffen sich viele Kinder bereits auf dem Schulweg mit ihren Freund:innen oder holen sie ab, ebenso wird aber auch nach der Schule bzw. OGS noch mit Freund:innen gespielt. Außerdem werden von den Kindern teilweise ganze Straßen als ‚gut' markiert, „weil da mein Freund wohnt“ (Nadelmethode).

Eine Subjektive Landkarte

Abbildung 3: Eine Subjektive Landkarte (Quelle: Eigene Darstellung)

Insbesondere die Subjektiven Landkarten zeigten die dabei genutzten Orte anschaulich auf. Einige der Kinder zeichneten Häuser von Freund:innen oder Familienmitgliedern (z. B. Großeltern, Onkel und Tanten) als Orte ein, an denen sie oft Zeit verbringen, z. B. nach der Schule, bis die Eltern heimkommen. Die Kinder treffen sich allerdings nicht nur privat bei anderen Kindern zuhause, sondern suchen auch öffentliche Spiel- und Sportplätze (bspw. Stadtwerkepark) gemeinsam auf oder besuchen einen örtlichen Kiosk. In einer Gruppendiskussion bringt ein Junge dies auf den Punkt: „Ich geh [in meiner Freizeit] immer mit Freunden oder ich geh zur Icklack.“

Ein Mädchen, das erst seit ein paar Jahren in Deutschland ist, verabredet sich mit einer Freundin online, um ihre Sprachkenntnisse auszubauen: „Dann brauch ich meine Freundin, ich lese einen Text vor und sie sagt, wo ich Fehler gemacht habe. Manchmal liest sie vor und ich korrigiere dann.“

Auch bei den Begehungen gab es Hinweise darauf, dass Kinder mit ihren Geschwistern (draußen) spielen. In den Gruppendiskussionen wird darüber berichtet, dass ein Sportverein gemeinsam mit den Geschwistern besucht wird, oder auch, dass der Vater Trainer im Verein ist. Die älteren Geschwister sollen zudem auf dem Schulweg auf die Jüngeren achten. Zudem wird vereinzelt von der Übernahme von Aufgaben im Haushalt berichtet.

Der Wunsch nach Harmonie innerhalb des Freundeskreises und/oder der Familie wurde in einer Gruppendiskussion thematisiert: Die Kinder wünschten sich, dass die Freund:innen oder Eltern nicht so viel streiten und nett zueinander und den Kindern selbst sind.

4.3 Konkrete Orte im Stadtteil

Im Folgenden wird auf die Beschreibung des unmittelbaren sozialen Nahraums der Schule – in den Sozialdaten der Stadt Düsseldorf als Sozialraum 0205 „An der Icklack“ benannt – eingegangen. Daten zum Sozialraum wurden bereits in der Stichprobenbeschreibung dargestellt.

Öffentlicher Raum (Plätze & Straßen)

Ein von den Kindern oft genannter und negativ bewerteter Ort im öffentlichen Raum ist die ehemalige Kreuzung Höherweg/Albertstraße. Hier befand sich früher ein Kreisverkehr, der in zwei L-Abzweigungen umgebaut wurde. Der so frei gewordene Platz in der Mitte wird von den Bewohner:innen des Sozialraums als Treffpunkt genutzt und befindet sich nahe der Schule sowie eines Jugendtreffs. Am Platz sind auch ein Kiosk und ein asiatischer Imbiss vorhanden. Die Kinder berichten hier von oft sehr laut abgespielter Musik und von ihnen als bedrohlich empfundenen Hunden wie Rottweilern, welche die Besucher:innen des Platzes mit sich führen.

Der Stadtteil Flingern wird durch eine Bahntrasse in Nord und Süd geteilt. Der Bahndamm kann an zwei Hauptstraßen oder einer Fußgängerunterführung passiert werden. Die Nutzung der dunklen Fußgängerunterführung scheint für die Kinder Alltag zu sein, jedoch merkt ein Mädchen vor der Passage während einer Sozialraumbegehung an, dass sie manchmal Angst hätte, hier durchzugehen „[...], dass mich jemand entführt“. „Mehr Licht und Spraydinger neu machen“, sind Verbesserungsvorschläge für die Unterführung (Sozialraumbegehung). Ein Ende der Unterführung wird, wie die Kinder berichten, auch von der lokalen Trinkerszene als Treffpunkt genutzt. Eines der Kinder erzählt, dass der Mann im blauen T-Shirt an der unweiten Bude sie kennen würde, „die Leute kennen mich schon“ (Sozialraumbegehung). Als wir im Rahmen einer Begehung dort vorbeigehen, grüßt er sie.

Angstraum Fußgängerunterführung

Abbildung 4: Angstraum Fußgängerunterführung (Quelle: Eigene Darstellung)

An einer der Hauptstraßen, an der ebenfalls ein von den Kindern oft aufgesuchter Spielplatz liegt, befinden sich auf beiden Fußgängerwegen auch Fahrradstreifen, wodurch der verbleibende Weg eher schmal ist. Bei einer Sozialraumbegehung wird von den Kindern kritisiert, dass Fahrradfahrer:innen hier viel zu schnell unterwegs seien und auch die Parkhausausfahrt eines nahen Baumarkts für sie nicht gut einsehbar sei.

Weitere Markierungen im öffentlichen Raum beziehen sich auf die Umnutzung von etwa Treppen als Sportgeräte sowie oft auf den Wohnort der Kinder, wobei sie es als positiv sehen, nah an der Schule zu wohnen.

Spielplätze

Bei den Spielplätzen ist vor allem der Spielplatz an der Langerstraße zu nennen. Die Kinder markieren ihn bei der Nadelmethode mehrfach positiv und er wird auch bei der Subjektiven Landkarte mit eingezeichnet. Aufgrund seiner schulnahen Lage wird er im Offenen Ganztag als Ziel für die kleineren Ausflüge am Freitag genutzt, ein Mädchen gibt dazu an: „Wir machen da Picknick oder spielen Hühnerball“ (Nadelmethode). In zwei Sozialraumbegehungen ist der Spielplatz eine von den Kindern gewählte Station, die Kinder mögen es, dort im Rahmen der OGS hinzugehen, sie schätzen es, zu schaukeln und auch „abspringen” zu können. Negativ gesehen werden könnte eine Erzählung über Bänke am Rande des Spielplatzes, dort seien oft erwachsene „Gangster”, welche die Kinder teilweise auch ansprechen.

Stadtwerkepark

Als Park im Sozialraum, in dem Kinder ihre Freizeit verbringen, wird methodenübergreifend der sog. Stadtwerkepark genannt, der seinen Namen der örtlichen Nähe zu den Anlagen der Düsseldorfer Stadtwerke verdankt.

Stadtwerkepark

Abbildung 5: Stadtwerkepark (Quelle: Eigene Darstellung)

In den Sozialraumbegehungen geben Kinder an, dass der Park ein Ort ist, „wo wir jeden Tag sind“. Dies hat schon eine Art Übernutzung zur Folge: „Wir sind so oft hier, es wird schon fast langweilig.“ Die positiven Markierungen des Parks in der Nadelmethode beziehen sich vor allem auf seine Spiel- und Sportmöglichkeiten, so führen die Kinder bspw. an, dass dort Basket-, Fuß- und Volleyball gespielt wird und es einen Spielplatz, eine „große Rutsche“ und Schaukeln gibt (Nadelmethode). Bei den Begehungen bestehen die Kinder darauf, dass die Spielgeräte als besonders wichtig fotografiert werden.

Der Park dient weiter als Ziel für Ausflüge/Aufenthalte mit der Familie, was Kinder in den Landkarten einzeichnen, oder auch als Ort für den Spaziergang mit dem eigenen Haustier: „Hier gehe ich mit meinem Hund ’ne Runde“ (Sozialraumbegehung).

Die Kinder beschreiben den Stadtwerkepark jedoch auch als negativ bezüglich Kontakten mit anderen Nutzer:innengruppen. So berichten sie z. B.: Ein „Obdachloser schreit dort immer rum“ (Nadelmethode), sowie teils auch von mangelnder Sauberkeit, da einige Kinder im Park schon Spritzen gefunden haben – was auf eine Nutzung des Ortes durch Drogenkonsument:innen schließen lässt. Bei den Begehungen wird vor allem ein Schuppen mit Vordach nahe dem Skatebereich des Parks von den Kindern problematisiert. Dort seien oft betrunkene Menschen anzutreffen oder auch Menschen mit großen Taschen, die dort in den Augen der Kinder wohnen. Dieser Eindruck konnte bei einer Begehung direkt bestätigt werden.

Jugendfreizeiteinrichtung Icklack

Die bei den Kindern bekannteste Jugendfreizeiteinrichtung ist die Icklack, benannt nach der Straße, an der sie liegt. Für einen Jungen steht fest: „Icklack kennt jedes Kind.“ Dementsprechend wird die Icklack von Kindern in den Landkarten eingezeichnet und auch in der Nadelmethode häufig und überwiegend positiv markiert. Das Außengelände wird, wie die Kinder angeben, auch für AGs und zum Spielen im Offenen Ganztag genutzt, da die Icklack sehr nah an der Schule gelegen ist. Draußen spielen die Kinder dort Fußball, fahren Inliner, treffen Freund:innen und nutzen den Spielplatz (Nadelmethode). In den Sozialraumbegehungen wird der Außenbereich als langweilig beschrieben, er ähnle zu sehr einem Spielplatz.

In jeder Gruppendiskussion wird über die Icklack gesprochen: „Erst mal geh‘ ich nach Hause, lass meine Tasche zu Hause und so, geh‘ kurz essen, danach geh‘ ich direkt nach der Icklack […]. Außer sonntags gehen wir nie nach Icklack, weil es ja zu ist und dafür bleiben wir dann Diakonie.“ Die Kinder schätzen das breite Angebot der Icklack von Backen bis Boxen und auch die Möglichkeit, Videospielkonsolen gegen Pfand auszuleihen.

Ein Mädchen merkt bei einer Begehung an, dass sie die Graffitis im Außenbereich gruselig findet, in einer Gruppendiskussion wird der Außenbereich ebenfalls als nicht schön wahrgenommen. Zudem „gibt es so komische Leute, manche Leute nerven immer, wenn ich da bisschen spiele“.

Schwimmbad Düsselstrand

Das Schwimmbad ‚Düsselstrand‘ ist ebenfalls ein bekannter Ort, an dem Freizeit verbracht wird; er wird bei der Nadelmethode als solcher markiert und auf die Landkarten gezeichnet. Die Kinder schätzen ihn als Ausflugsziel mit der Familie. Es gibt hier jedoch auch viele negative Erwähnungen, die sich auf das Aneinandergeraten mit älteren Kindern und Jugendlichen beziehen. Außerdem wird der dort abgehaltene Sportunterricht von den Kindern kritisiert. Bei einer Begehung fanden die Kinder es schade, dass der Düsselstrand zu dem Zeitpunkt wegen Bauarbeiten geschlossen war.

Diakonie Flingern

Als ebenfalls zentrale Einrichtung im Sozialraum wird die Diakonie von den Kindern genannt. Sie erfreut sich anscheinend ähnlicher Popularität wie der ‚Stadtwerkespielplatz‘. Dabei geht es weniger um die dort stattfindenden Angebote (kein Angebot der OKJA vorhanden, sondern z. B. Stadtteilladen und Begegnungscafé) als vielmehr um das Gelände, welches zum Spielen, Fußballspielen oder als Aufenthaltsort genutzt wird, was nicht zuletzt am frei zugänglichen WLAN liegt. In den Gruppendiskussionen wurde außerdem erzählt, dass die Kinder zum Spielen teilweise auf das Diakonie-Gelände ausweichen, wenn die Freizeiteinrichtung Icklack am Wochenende geschlossen ist und das eingezäunte Gelände nicht betreten werden kann.

Ausstellung an der Diakonie Flingern

Abbildung 6: Ausstellung an der Diakonie Flingern (Quelle: Eigene Darstellung)

Bei einer Stadtteilbegehung verwiesen die Kinder auch stolz auf dort in einigen Fenstern ausgestellte Werke, die von Schüler:innen der KGS im Rahmen eines Projekts im Unterricht angefertigt wurden. Vereinzelte negative Äußerungen zu diesem Ort beliefen sich auf dunkle, angsteinflößende Ecken zwischen den Gebäuden und fehlende Spielgeräte.

Kommerzielle Orte

Die am häufigsten genannten kommerziellen Orte im Sozialraum lassen sich als u. a. Supermärkte wie Aldi und Netto, ein nahegelegenes Einkaufszentrum (mit Bowlingbahn) und eine Eisdiele identifizieren, die durch die verschiedenen Erhebungsmethoden immer wieder angeführt werden. Am beliebtesten oder relevantesten für die Kinder und ihren Alltag sind zwei Kioske im Sozialraum. Dabei wird ein Kiosk in unmittelbarer Nähe zur Schule als besonders positiv hervorgehoben, dort kaufen viele Kinder nach der Schule Süßigkeiten oder vereinzelt auch morgens ein Frühstück (Nadelmethode).

In den Supermärkten wird oftmals mit der Familie (Mutter) eingekauft, ein Kind erzählt im Rahmen der Nadelmethode: „Ich darf Popcorn kaufen, wenn ich mit meiner Mutter einen Film gucke, das ist billiger als im Kino!“

Die Eisdiele („Eisbär“) wird von den Kindern nicht nur privat mit Freund:innen und Familie, sondern teilweise auch mit der Schule/Klasse/einer AG besucht und ist daher relativ bekannt und beliebt.

4.4 Orte außerhalb des Stadtteils – Stadt Düsseldorf und Umgebung

Öffentlicher Raum (Plätze und Straßen)

Auch außerhalb des Sozialraums werden von den Kindern innerhalb der Methoden viele verschiedene Orte benannt, markiert, gezeichnet. Einige Kinder verweisen vor allem auf das eigene Zuhause, welches außerhalb des Sozialraums liegt; dort kann man „Fifa spielen, essen, sein Geschäft machen“, ein Junge erwähnte, dass es ein guter Ort sei, weil in der Nachbarschaft viele Familien aus seinem Heimatland leben (Nadelmethode).

Durchführung Nadelmethode

Abbildung 7: Durchführung Nadelmethode (Quelle: Eigene Darstellung)

Dass für Kinder, die im Sozialraum leben, der Radius, in welchem sie sich bewegen, nicht allzu groß ist, zeigen folgende Ergebnisse: Vor allem Orte in der Innenstadt und am Rhein/Altstadt werden vereinzelt als ‚besondere Orte‘ genannt, zu welchen die Kinder gemeinsam mit ihren Familien Ausflüge machen, z. B. mit dem Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Fortbewegungsmittel bzw. Wege zu den Ausflugsorten wurden auch in den Subjektiven Landkarten dargestellt: Als meistgenannten Ort außerhalb des Sozialraums lässt sich innerhalb der Nadelmethode der Rhein/das Rheinufer (und die -promenade) identifizieren, dabei kam auch das Thema Umweltschutz zur Sprache: „Alle lassen ihren Müll dort und Fische sterben.“ Ansonsten ist es dort „schön zum Angucken“ (Subjektive Landkarten). Negativ von den Kindern bewertet wird vereinzelt die Altstadt (zu viele Menschen, Corona-Gefahr), die Heinrich-Heine-Allee wird als Ort mit vielen Einkaufsmöglichkeiten für gut empfunden (Nadelmethode).

Als vorwiegend negativer Ort wird der Düsseldorfer Hauptbahnhof markiert, Zitate dazu: „Komische Leute, die stinken“, „Penner“, „Sowas von schlecht!“, „Da sind Betrunkene“. Auch gab ein Kind an, dort schon von einem fremden Mann angesprochen worden zu sein. Positive Kommentare beziehen sich auf das dortige McDonalds und dass man von dort aus gut in andere Städte kommt, außerdem, dass es dort Läden zum Einkaufen gibt (Subjektive Landkarten).

Das Thema wohnungs-/obdachlose Menschen und Trinkerszenen im öffentlichen Raum beschäftigt die Kinder in unterschiedlichen Kontexten. So werden auch innerhalb des Sozialraums Orte identifiziert, an denen oft Menschen verweilen, die Alkohol konsumieren, vor allem in unmittelbarer Nähe zu den Kiosken im Sozialraum – Bier und Betrunkene in der Kioskumgebung sehen die Kinder negativ (Sozialraumbegehung).

Vermutlich wohnungs- oder obdachlose Menschen („Penner“), die im öffentlichen Raum u. a. Alkohol konsumieren („Alkoholiker“), werden von den Kindern an mehreren Stellen als störend beschrieben, bspw. ebenfalls im Stadtwerkepark. Auch die Haltestelle Birkenstraße in Flingern, in unmittelbarer Nähe zu einem Kiosk, wird als negativer Ort beschrieben, an dem „komische Menschen“ sitzen, „manchmal liegen die da einfach rum“ (Nadelmethode).

Dabei lässt sich neben einer kritischen Perspektive auch Empathie für die beschriebene Gruppe feststellen. In einer Gruppendiskussion äußern Kinder Wünsche in Bezug auf den öffentlichen Raum: „Ich wünsche mir, dass die armen Menschen ihr Zuhause zurückhaben.“

Außerhalb des Sozialraums werden vielfältige Orte der Freizeitgestaltung von den Kindern ge-/benannt, darunter Parks, Spielplätze, Vereine (Fußballvereine und Musikschule) und Einrichtungen wie der Aquazoo und das Kino am Hauptbahnhof.

Kommerzielle Orte

Kommerzielle Orte außerhalb des Sozialraums, die von den Kindern besucht werden, liegen größtenteils in den Stadtteilen Flingern und Oberbilk und sind fußläufig bzw. mit Fortbewegungsmitteln wie Roller oder Fahrrad von der Schule aus zu erreichen. Dazu zählen vor allem Supermärkte wie Netto, ein Asia-Markt, Lidl und Rewe, zusätzlich Drogeriemärkte wie Rossmann, Cafés, Bäckereien (insbesondere türkische). Für die Freizeitgestaltung der Kinder sind vor allem Discountläden wie KiK und Tedi von Bedeutung, dort gehen sie im Anschluss an Schule/OGS hin, um zu ‚gucken‘ oder Spielzeug und z. B. Stifte zu kaufen, meist gemeinsam mit Freund:innen. Als kulinarische Orte/Gastronomie im Stadtteil werden ein Dönerimbiss, eine Pizzeria und ein griechischer Schnellimbiss sowie eine Eisdiele von den Kindern genannt.

5. Interpretation der Ergebnisse

Auf der Grundlage des Aneignungskonzeptes und mithilfe der hier dargestellten und weiteren qualitativen Methoden ist es möglich, Schule als Aneignungsraum zu untersuchen und die Bedeutung der Schule viel weitergehend zu verstehen. So konnten in den letzten Jahren in zwei vergleichbaren Studien (Deinet et al. 2018; Walter et al. 2021) zahlreiche Ergebnisse zur Sicht der Kinder auf die Schule, ihre Gestaltungselemente vom Unterricht über die Pausen und das Mittagessen bis hin zu den Angeboten am Nachmittag vorgelegt werden. In beiden Studien spielen die sozialen Beziehungen innerhalb der Peerkultur sowie die Interaktionen und Beziehungen mit den Fachkräften eine wichtige Rolle aus Sicht der Kinder. Diese suchen Freiräume und Rückzugsmöglichkeiten auch im Schulalltag und versuchen, den Modus des Spielens z. B. ebenso in den Pausen immer wieder zu finden. Ältere Kinder suchen auch riskante herausfordernde Bewegungsaktivitäten, die sie innerhalb der vorhandenen Schulmöglichkeiten kaum finden.

Die Ergebnisse zeigen gleichfalls, dass Kinder sehr deutlich das Interesse und das Potenzial zum Ausdruck bringen, sich an der Gestaltung der Schule zu beteiligen, wenn ihnen die Möglichkeiten dazu eröffnet werden. Kinder genießen es, den Modus des Bewegens und des Spielens in der Schule zu verwirklichen. In beiden Studien werden die Hausaufgaben als eher negativ bewertet und die Schule erscheint insgesamt als ein Sozialraum für die Kinder, in dem sie, soweit es die Bedingungen ermöglichen, versuchen, ihre Kinderkultur zu leben (vgl. Walter et al. 2021, 159ff. und Deinet et al. 2018, 131ff.).

Die Ergebnisse ermöglichen tiefe Einblicke in die kindliche Nutzung, aber auch Umnutzung der schulischen Räume, ihr Erleben der pädagogischen Umgebung, aber ebenso in Stressräume, kaum vorhandene Rückzugsmöglichkeiten und die hohe Lautstärke, die auch viele Kinder bemängeln. Mit den Methoden wurden die Kinder als Expert:innen ihrer Lebenswelt aktiv beteiligt und zeigten auch großes Interesse an dem Projekt. Auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse konnten Handlungsempfehlungen für eine bessere Gestaltung der Ganztagsschule entwickelt werden.

In beiden Studien spielen die sozialen Beziehungen innerhalb der Peer-Kultur, der Gleichaltrigen-Gruppe, eine zentrale Rolle. „Die grundlegenden Erfahrungs- und Relevanzbereiche, auf die die Mädchen und Jungen in unserer Studie immer wieder zurückkamen, wenn es um ihre »Erlebniszentren«, um für sie existenzielle Erfahrungen und Erlebnisse ging – die wir auch Qualitätsbereiche genannt haben –, waren die sozialen Beziehungen innerhalb der Peer-Kultur […]“ (Walter et. al. 2021, 159).

Viele Kinder bewerteten die Schule an der Mettmanner Straße als „guten“, positiven Ort, weil sie dort ihre Freund:innen und Klassenkamerad:innen sehen – bei den meisten Kindern sind diese beiden Gruppen kongruent, was daran liegen könnte, dass sie vermehrt im engen Nahraum der Schule wohnen und sich so private Kontakte und schulische Freundschaften vermischen.

Schule wird für die Kinder deshalb zu einem sozialen Lebensort, weil ihre Freund:innen dort anwesend sind und so eine Kultur der Gleichaltrigen entstehen kann. Die Studie von Deinet und anderen wird durchzogen von diesem Ergebnis, egal, ob man die Kinder fragt, was ihnen fehlen würde, wenn sie vier Wochen nicht in der Schule sind (Freund:innen, Gleichaltrige etc.), oder wenn man fragt, was das Besondere am gemeinsamen Mittagessen ist (mit den Freund:innen zu essen). Auch bei der Frage nach Ansprechpartner:innen bei Problemen in der Schule werden zunächst die Gleichaltrigen genannt und dann erst Lehrer:innen und Betreuer:innen (vgl. Deinet et al. 2018, 112).

Auch Walter und andere sehen für die Entwicklungsphase der mittleren bzw. späten Kindheit die Interaktion mit den Gleichaltrigen, neben der Interaktion und Beziehung mit den Fachkräften, als wesentliche Grundlage: „Die Gleichaltrigen stellen für Kinder im Ganztag den primordialen konjunktiven Erfahrungsraum dar: Hier agieren sie in symmetrischen Beziehungskonstellationen, in denen Rollen nicht zugeschrieben werden (wie die des Schülers oder der Schülerin), sondern ausgehandelt und ausgestaltet werden müssen. Anders als in den Interaktionen mit den Erwachsenen entwickeln Peers in Prozessen der Ko-Konstruktion gemeinsam Perspektiven und vor allem im Modus des Spielens erarbeiten sie sich konjunktives Erfahrungswissen“ (Walter et.al. 2021, 159).

Auch bei den Befragungen in der Grundschule Mettmanner Straße wurden zahlreiche Anhaltspunkte gefunden, dass die Kinder ihr Erleben im Sozialraum mit und durch Peers gestalten, was schon morgens vor der Schule durch den gemeinsamen Schulweg beginnt und sich nach der Schule durch gemeinsame Besuche kommerzieller Orte, in Einrichtungen der OKJA, Verabredungen in Parks und auf Spielplätzen sowie gemeinsame Aktivitäten im Sportverein fortsetzt – auch hier meist verbunden mit einer spielerischen oder sportlichen Aktivität als Medium der Peer-Interaktion.

Beide o. g. Studien betonen die Bedeutung von Frei- und Rückzugsräumen für Kinder, in denen sie ungestört ihre sozialen Beziehungen und Freundschaften pflegen können. Walter und andere untersuchen sehr genau die verschiedenen Tätigkeiten in diesem Bereich: „Die Palette der Themen und Herausforderungen in sozialen Beziehungen ist breit: Kräfte messen und sich raufen, gemeinsame Orte zum Spielen, Verstecken, Sich-Unterhalten und Beobachten schaffen, sich streiten und wieder vertragen, sich in unterschiedlichen Rollen und sozialen Konstellationen erproben und vieles mehr“ (ebd., 159). Die Auswertung der „Subjektiven Schulkarten“ an der Grundschule Mettmanner Straße gibt Auskunft darüber, wo dies geschieht: So zeigen sie, wo die Jungen welcher Klasse Fußball spielen, sich die Mädchen zum Unterhalten treffen, aber auch, welche Ecken und Gebüsche des Schulhofs sich als Verstecke eignen.

In Anlehnung an Derecik (2018) kann der Schulhof (bzw. im Fall der Mettmanner Straße sogar zwei Schulhöfe) als Aneignungs- und Gestaltungsraum verstanden werden, in dem, „das »wilde« Spielen, herausfordernde Bewegungsaktivitäten und das gemeinsame Imaginieren von Spielwelten thematisiert werden“ (Walter et al. 2021, 160).

Einen besonderen Aspekt betonen Walter und andere in der von den Kindern thematisierten Herausforderung, nonkonformes Verhalten und die eigenen Grenzen zu testen. „Sich in riskanten, herausfordernden Bewegungsaktivitäten und lang anhaltenden, handlungspraktischen Tätigkeiten mit Ernstcharakter bewähren. Sie erproben gemeinsam nonkonformes und nicht regelgerechtes Verhalten und testen sowohl die eigenen Grenzen als auch die der anderen aus. Dabei sind immer wieder auch Erholungsphasen notwendig, in denen sie entspannen und Späße machen und sich spielerischen, nicht ziel- oder leistungsorientierten Themen und Tätigkeiten widmen können“ (ebd., 159).

Der Offene Ganztag an der Grundschule Mettmanner Straße bietet nach den Hausaufgaben die Möglichkeit zum freien Spiel auf dem Schulhof oder Besuch von AGs, wie bspw. der Tanz-, Inliner- oder Fußball-AG. Im Sozialraum haben Parks und Spielplätze hier für die Kinder eine große Bedeutung. Einen eher problematischen Ernstcharakter weisen die Begegnungen mit alkoholisierten oder vermutlich auch drogengebrauchenden Menschen im Sozialraum auf. Diese sind oft ebenfalls an Orten anzutreffen, welche die Kinder eben genau zur Erholung oder zum Spiel in ihrer Freizeit aufsuchen. Auch wenn sie nicht vollends nachvollziehen können, was diese Menschen genau machen, gibt es Hinweise, dass die Kinder deren Verhalten eindeutig als nonkonform einstufen und ablehnen sowie sich die Strategie angeeignet haben, diese Menschen, so weit möglich, zu meiden.

Die besondere Bedeutung der Beziehung zwischen Kindern und Fachkräften wird ebenfalls in beiden Studien betont: „Sehr deutlich zeigt die Kinderperspektivenstudie Ganztag, dass die Kinder an positiven pädagogischen Beziehungen zu den Fachkräften orientiert sind: Erwachsene, die die Kinder unterstützen und respektieren, die sich für sie interessieren und sie als gleichwürdig anerkennen, werden von ihnen geschätzt“ (ebd., 160).

Dazu passen auch die Eindrücke aus unserer explorativen Feldstudie, bei der das Vertrauensverhältnis zwischen Kindern und OGS-Mitarbeitenden, aber, wenn auch seltener, auch Lehrkräften an einigen Stellen betont wird. Beide Studien betonen auch die Erwartung der Kinder, sich partizipativ an der Gestaltung des Schullebens mit einzubringen. Sie wollen sich „in dialogischen Prozessen bei der Aushandlung von Regeln und der Gestaltung der generationalen Ordnung beteiligen, mitreden, mitgestalten und mitbestimmen […] können, wenn ihnen Möglichkeiten dafür eröffnet werden“ (ebd., 160).

Dass dabei insbesondere die Fachkräfte am Nachmittag eine große Rolle spielen, zeigt unsere Studie an der Mettmanner Straße, denn jede Gruppe scheint hier ihr eigenes Reglement zu haben. In einer Gruppe wird freitags ein Gruppengespräch geführt, in dem sich die Kinder frei über Wünsche zur Mitgestaltung oder eigene Anliegen äußern können und auch über ein Gruppenbudget zur Anschaffung neuer Spiele bestimmen, eine andere Gruppe hat zusätzlich eine Art Kummerkasten für Streitfälle. Die Kinder werden in einer der Gruppen als „Assistent:innen“ für einen Tag von den Fachkräften ausgesucht, die Beliebtheit dessen rührt vermutlich auch daher, einen Tag dann im Rahmen der generationalen Ordnung quasi so angesehen zu sein, wie die erwachsene Fachkraft.

Die besondere Bedeutung außerschulischer Kooperationspartner:innen und ihrer pädagogischen Ansätze – so wie sie an der Mettmanner Straße durch den Kunstpädagogischen Verein Zweck e. V. realisiert werden – wird in der Studie von Walter und anderen besonders betont: „Zudem wird in der vorliegenden Studie deutlich, dass die Kinder Angebote und
Möglichkeiten schätzen, sich lang anhaltend, nicht nur theoretisch, sondern vor allem handlungspraktisch mit Projekten, Themen und Arbeiten zu beschäftigen […].Aus der Erwachsenenperspektive handelt es sich dabei um bedeutungsvolle (Selbst-)Bildungsmomente.“ (ebd., 161)

Genau dies wird durch den Zweck e. V. in der Mettmanner Straße durch ein breites Angebot an AGs gewährleistet, welches vom Verein gestaltet wird. Der Schulgarten und besonders die beiden Werkstätten in den Kellerräumen der Schule bieten den Kindern Gelegenheiten, ihre Fähigkeiten zu erproben und dabei Gegenstände zu gestalten, welche sie selbst nutzen oder an Freund:innen sowie Familienmitglieder verschenken.

Literatur

Andresen, Sabine/Lips, Anna/Rusack, Tanja/Schröer, Wolfgang/Thomas, Severine/Wilmes, Johanna (2022): Verpasst? Verschoben? Verunsichert? Junge Menschen gestalten ihre Jugend in der Pandemie. Erste Ergebnisse der JuCo III-Studie – Erfahrungen junger Menschen während der Corona-Pandemie im Winter 2021. Hildesheim: Universitätsverlag.

Deinet, Ulrich (2004): „Spacing“, Verknüfpungen, Bewegung, Aneignung von Räumen – als Bildungskonzept sozialräumlicher Jugendarbeit. In: Deinet, Ulrich/Reutlinger, Christian (Hrsg.): „Aneignung“ als Bildungskonzept der Sozialpädagogik. Wiesbaden: VS Verlag, 175-190.

Deinet, Ulrich (2009): Analyse und Beteiligungsmethoden. In: Deinet, Ulrich (Hrsg.) Methodenbuch Sozialraum. Wiesbaden: Springer VS, 65-86.

Deinet, Ulrich/Gumz, Heike/Muscutt, Christina/Thomas, Sophie (2018): Offene Ganztagsschule – Schule als Lebensort aus Sicht der Kinder. Studie, Bausteine, Methodenkoffer. Opladen, Berlin, Toronto: Verlag Barbara Budrich (Soziale Arbeit und Sozialer Raum, Band 5).

Derecik, Ahmet/Goutin, Marie-Christine/Michel, Janna (2018): Partizipationsförderung in Ganztagsschulen Innovative Theorien und komplexe Praxishinweise. Wiesbaden: Springer VS.

Fegter, Sabine/Andersen, Sabine (2019): Erziehung und Bildung in der Kindheit als sozialraumbezogenes Handlungsfeld. In: Kessl, Fabian/Reutlinger, Christian (Hrsg.): Handbuch Sozialraum, 2. Auflage. Wiesbaden: Springer VS, 401-418.

Fritsche, Caroline/Rahn, Peter/Reutlinger, Christian (2011): Quartier macht Schule. Die Perspektive der Kinder. Wiesbaden: VS Verlag (Sozialraumforschung und Sozialraumarbeit, 5).

Stadt Düsseldorf (2017): Sozialräumliche Gliederung. Fortschreibung 2017 (Statistik und Stadtforschung, 56). Online verfügbar unter https://www.duesseldorf.de/fileadmin/Amt12/statistik/stadtforschung/download/Sozialraeumliche_Gliederung_Fortschreibung_2017.pdf, zuletzt geprüft am 12.06.2022.

StEG-Konsortium (2019): Ganztagsschule 2017/2018. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung. Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen, StEG. Unter Mitarbeit von DIPF Bildungsforschung und Bildungsinformation, DJI Deutsches Jugendinstitut, IFS Institut für Schulentwicklungsforschung, Justus-Liebig-Universität Gießen: DIPF, DJI, IFS, Justus-Liebig-Universität.

Walther, Bastian/Nentwig-Gesemann, Iris/Fried, Florian (2021): Ganztag aus der Perspektive von Kindern im Grundschulalter. Eine Rekonstruktion von Qualitätsbereichen und -dimensionen. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung.


Fußnote

[1] Neben der Schulleitung und dem Kollegium der Schule wurde das Projekt in Kooperation mit dem Verein „Zweck e. V.“ und „Flingern Mobil e. V.“ als Träger des Ganztags an der Schule durchgeführt. Finanziell gefördert wurde das Projekt von der Bezirksvertretung 2 der Stadt Düsseldorf. Wir bedanken uns für die Unterstützung.


Zitiervorschlag

Deinet, Ulrich, Johannes Lünenschloß und Laura Petzold (2023): Die subjektiven Sichtweisen von Kindern auf Schule und Stadtteil nach der Corona-Pandemie. In: sozialraum.de (14) Ausgabe 1/2023. URL: https://www.sozialraum.de/die-subjektiven-sichtweisen-von-kindern-auf-schule-und-stadtteil-nach-der-corona-pandemie.php, Datum des Zugriffs: 18.04.2024