„Ich find’s cool, dass die da solche Auswertungen machen. Weil man kann’s ohne Feedback ja nicht wissen, was man gut macht und was nicht.“

Zentrale Ergebnisse einer sozialräumlichen und folgenorientierten Adressat:innenbefragung in der Rosenheimer Kinder- und Jugendhilfe

Stephan Höfer, Michael Noack

1. Einleitung

„Gibt es dazu auch Forschungsergebnisse?“ lautet eine berechtigte und nicht selten gestellte Frage zu den Zielen und Folgen sozialraumorientierter Sozialer Arbeit. Tatsächlich waren publizierte empirische Ergebnisse zur sozialraumorientierten Praxis bis vor zehn Jahren eher rar, was Fehren und Kalter mit Verweis auf den dominanten Anwendungsbezug von Studien zur sozialraumorientierten Sozialen Arbeit erklären:

„Dort, wo SRO (Sozialraumorientierung, S.H, M.N.) explizit „beforscht“ wird, geht es (…) um die jeweils umschriebenen Fragestellungen der Praxis (…). Letzteres macht nachvollziehbar, warum sich einerseits neben SRO keine Herangehensweise in der Sozialen Arbeit auf eine vergleichbare Fülle an Untersuchungen stützen kann, die Veröffentlichungen von Ergebnissen über den Verwertungskontext der beforschten Praxis hinaus aber eher selten ist.“ (Fehren/Kalter 2014, 38)

Erst allmählich werden empirische Ergebnisse aus der Praxisforschung zur sozialraumorientierten Sozialen Arbeit publiziert, um sie dem Fachdiskurs zugänglich zu machen (Noack 2020; Thiesen 2018; Noack 2017; Bittscheid/Lindberg 2013). Dieses fachliche Anliegen liegt auch diesem Beitrag zugrunde.

Das Zitat aus dem Titel entstammt einem Gespräch mit einer Person, das im Rahmen der Adessat:innenbefragung in der Rosenheimer Kinder- und Jugendhilfe durchgeführt wurde. Was aus Sicht der Adressat:innen bei der sozialraumorientierten Hilfegestaltung gut und weniger gut lief, wird nachfolgend dargestellt.

Wie kam es zu der Adressat:innenbefragung? Seit 2017 finden in der Grazer Kinder- und Jugendhilfe regelmäßig Adressat:innenbefragungen zur sozialraumorientierten Hilfegestaltung statt (vgl. Hojnik et al. 2023a; 2023b; Hojnik et al. 2022; Sandner-Koller/Weiland/Noack 2019). Von diesen Studien haben Entscheidungsträger:innen in Rosenheim erfahren. Wie die Stadt Graz hat die Stadt Rosenheim ihr Kinder- und Jugendhilfesystem sozialraumorientiert aufgestellt, um:

„Arrangement[s zu] schaffen, damit Menschen ihre Ziele erreichen können. Wir wollen dabei alle Ressourcen nutzen, die im Umfeld unserer Klienten existieren. Handlungsleitend sind dabei der erklärte Wille unserer Klienten und deren Stärken.“ (Stadt Rosenheim 2019)

Um empirisch der Frage nachzugehen, welche Veränderungsimpulse die sozialraumorientierte Hilfegestaltung bei den Adressat:innen auslöste, wurde von 2020 bis 2022 am Institut SOCIAL.CONCEPTS (SO.CON) der Hochschule Niederrhein eine Studie durchgeführt, bei der folgende Frage bearbeitet wurde:

„Welche Folgen ergeben sich aus der sozialraumorientierten Hilfegestaltung für die Lebenssituation der Adressat*innen der Rosenheimer Kinder- und Jugendhilfe?“

Wir beziehen uns mit dem Begriff ‚Folgen‘ auf die von Dollinger et al. (2017) beschriebene Folgenforschung, die von den Autor:innen folgendermaßen charakterisiert wird: „Folgenforschung nimmt zwar wie eine Evaluation ebenfalls die Durchführung von Maßnahmen in den Blick und erschließt deren Konsequenzen, dies allerdings ohne sie eine Bewertung hinsichtlich ihres Funktionierens zu unterziehen.“ (Dollinger et al. 2017, 9)

Das Studiendesign wurde orientiert an den Adressat:innenbefragungen, die in Graz stattfinden, entwickelt (siehe dazu: Hojnik et al. 2023a; 2023b; Hojnik et al. 2022; Sandner-Koller/Weiland/Noack 2019). Dadurch wurde es möglich, aus den Anwendungserfahrungen abzuleiten, welche Erfolgsfaktoren des Studiendesigns bei der Umsetzung in Rosenheim berücksichtigt und welche Stolpersteine vermieden werden können.

Zudem wurde die Erfahrung aus den Grazer Studien aufgegriffen, einen separaten Interviewleitfaden für Kinder und Jugendliche ab dem zehnten Lebensjahr in einfacher Sprache einzusetzen.

In dem hier vorliegenden Beitrag werden das Studiendesign, die Kontextbedingungen der Interviewdurchführung und die Befragungsergebnisse thematisiert. Er endet mit einem Ausblick zur Frage, wie die Studienergebnisse in die Rosenheimer Jugendhilfepraxis eingespeist wurden.

2. Studiendesign

Die vorliegende Studie hat explorativen Charakter. Explorative Studien zielen nicht auf repräsentative Ergebnisse ab, sondern dienen dazu, Forschungsfragen zu bearbeiten, zu denen bisher keine oder nur wenig Erkenntnisse vorliegen. Die Erkenntnisse explorativer Studien helfen dabei, neue Theorien zu generieren oder Fachkonzepte, wie die Sozialraumorientierung, weiterzuentwickeln.

Zu der einleitend dargestellten Fragestellung dieser Studie liegen nur wenige Erkenntnisse vor. Daher ist sie für ein exploratives Studiendesign geeignet. Adressat:innen sozialraumorientierter Erziehungshilfen wurden bis auf die regelmäßigen Adressat:innbefragungen in Graz noch nicht mit einem Mixed-Methods-Ansatz befragt.

Die Adressat:innenbefragung wurde durch die Verknüpfung einer standardisierten Befragung mit einem problemzentrierten Interview als Mixed-Methods-Studie konzipiert. Aus theoretischen Grundlagen des Fachkonzepts Sozialraumorientierung (Hinte 2020) und der Adaption dieses Konzepts für die Rosenheimer Kinder- und Jugendhilfe wurden Fragen für einen Interviewleitfaden abgeleitet. Die Fragen wurden für eine quantitative Auswertung geschlossen und für eine qualitative Auswertung offen formuliert.

Die geschlossenen Fragen dienten dazu, quantifizierbare Ergebnisse zu den von den Adressat:innen wahrgenommenen Hilfeprozessen und -folgen aufstellen zu können. Damit die Befragten ihre Antworten möglichst differenziert geben können, wurden mehrstufige Endpunkt-Antwortskalen angewendet. Im Gegensatz zu verbalisierten Skalen, bei denen jeder Skalenpunkt mit einer verbalen Benennung versehen wird (vgl. Abb. 1), werden bei Endpunkt-Antwortskalen nur die beiden extremen Skalenpunkte benannt und die Skalenpunkte dazwischen zur Orientierung mit aufsteigenden Zahlen versehen (vgl. Abb. 2).

Verbalisierte Antwortskala

Abbildung 1: Verbalisierte Antwortskala

Endpunkt-Antwortskala

Abbildung 2: Endpunkt-Antwortskala

„Endpunkt-Antwortskalen“ ermöglichen es den Befragten, ihre Antworten differenzierter vornehmen zu können, da nicht nur fünf vorformulierte Antwortmöglichkeiten angeboten werden. Für die „Endpunkt-Antwortskala“ wurde eine ungerade Anzahl an Skalenpunkten ausgewählt. Dadurch können sich die Befragten einer Mitte zuordnen, die es bei einer geraden Anzahl an Skalenpunkten nicht gäbe.

Nachdem die Befragten einen Punkt vergeben haben, wurden sie darum gebeten, die Gründe für die Punktvergabe zu schildern. Dadurch erhielten sie im Sinne des problemzentrierten Interviews die Möglichkeit, ihre ganz „subjektiven Perspektiven und Deutungen offenzulegen“ und „größere kognitive Strukturen im Interview“ (Mayring 1996, 51) zu entwickeln.

Dazu ein Beispiel:
Interviewer:in: Bei dieser Frage kannst Du eine Zahl dafür vergeben, wie stark Du die Hilfe mitgestaltet hast. Eins bedeutet, Du hast die Hilfe gar nicht mitgestaltet und neun bedeutet, stärker hättest Du nicht mitgestalten können.
Befragte:r: Da würde ich die Sechs vergeben.
Interviewer:in: Kannst Du mir erklären, warum Du die Sechs vergeben hast?

Die Fragen wurden im Erhebungsinstrument für Kinder und Jugendliche geringfügig adaptiert und angepasst. Die qualitativen Fragen in den Expert:innen-Interviews wurden einer zusammenfassenden Inhaltsanalyse unterzogen. Für die Anwendung dieses Analyseverfahrens ist es notwendig, dass die „Fragestellung der Analyse vorab genau geklärt (…) und theoretisch an die bisherige Forschung über den Gegenstand angebunden“ (Mayring 2002, 409 f.) wird. Flick (2009, 409) definiert die qualitative Inhaltsanalyse als „eine der klassischen Vorgehensweisen zur Analyse von Textmaterial (…). Ein wesentliches Kennzeichen ist die Verwendung von Kategorien, die häufig aus theoretischen Modellen abgeleitet sind: Kategorien werden an das Material herangetragen, wenngleich sie immer wieder daran überprüft und gegebenenfalls modifiziert werden.“ Neue Kategorien wurden gebildet, wenn sich die Aussagen der Befragten nicht in die aus den Grundlagen sozialraumorientierter Sozialer Arbeit abgeleiteten Kategorien zuordnen ließen, um die subjektiven Relevanzsetzungen der Befragten zu berücksichtigen.

Bei der kategoriengeleiteten Ergebnisdarstellung der zusammenfassenden Inhaltsanalyse wird nach dem Prinzip der theoretisch-konzeptionellen Sättigung gearbeitet. Dabei werden die (gebündelten oder selektierten) Paraphrasen eines jeden Interviews entlang der Kategorien verglichen, bis eine Schwelle erreicht wird, an der immer wieder dieselben „Mehrheits- bzw. Querschnittsaussagen“ zu einer Kategorie auftauchen, die sich nur noch von wenigen Außenseitermeinungen unterscheiden. Zu jeder Frage wird die Punktvergabe durch die Adressat:innen grafisch dargestellt. Anschließend wird mit den qualitativ rekonstruierten Hilfeverläufen geschildert, aufgrund welcher subjektiven Erfahrungen die Adressat:innen zu den Punktverteilungen gekommen sind. Dabei werden Antwortmuster herausgearbeitet, die unterschiedliche Adressat:innen unabhängig voneinander gegeben haben. Auch Aussagen, die nur von einzelnen oder wenigen Adressat:innen getroffen wurden, werden thematisiert.

3. Kontextbedingungen der Befragungen

Bei der Planung und Durchführung der Studie wurden die im Folgenden darstellten Kontextbedingungen thematisiert und mit reflektiert.

Atmosphäre und Antwortverhalten

Adressat:innen, die sich zur Befragung bereit erklärten, wurden zunächst durch das Jugendamt umfassend informiert und stimmten in gegebenem Falle der Befragung unter den Voraussetzungen der Freiwilligkeit, Informiertheit, Ausdrücklichkeit und Widerrufbarkeit zu. Anschließend meldete sich eine Mitarbeiterin des SO.CON, um einen Termin für die Befragung zu vereinbaren und um etwaige Fragen zu der Studie zu klären. Dadurch konnte die interviewende Person einen vertrauensvollen Kontakt aufbauen. Das Antwortverhalten der Interviewpartner:innen wirkte ehrlich und authentisch. Bei den Interviews zu Hilfen aus dem Freiwilligenbereich war die Stimmung teilweise ungezwungen und es wurde gelacht, da auch häufig von positiveren Erlebnissen mit dem Jugendamt berichtet werden konnte. Die Atmosphäre schien entspannter, wenn die Personen dem Jugendamt tendenziell positiv gegenüberstanden. Die Interviewdauer wurde maßgeblich vom Antwortverhalten, insbesondere der Art der Erklär- und Erzählweise (ausschweifend und biografisch vs. knapp, konkret und fallbezogen), bestimmt und variierte zwischen ca. 18 und 33 Minuten.

Störfaktoren

Die Interviewende vermied es, die Interviewpartner:innen in Erzählungen zu unterbrechen. Erst in Redepausen oder im Anschluss an Antworten wurden konkrete Nachfragen zu Sachverhalten gestellt, womit Störungen im Redefluss ausblieben. In wenigen Fällen gab es technische Probleme, wie z. B. Geräusche in der Telefonleitung oder eine zu geringe Lautstärke durch zu großem Abstand zum Telefon. Darauf wies die interviewende Mitarbeiterin freundlich hin. Sehr selten waren Hintergrundgeräusche beim Interviewenden (z. B. Kirchenglocken oder Büro-Geräusche) zu vernehmen, die den Gesprächsfluss aber nicht beeinflussten. In Einzelfällen waren ebenfalls störende Geräusche im Hintergrund bei den Interviewpartner:innen zu vernehmen, sodass auch vom Interviewenden um die Wiederholung von Aussagen gebeten werden musste oder die Interviewpartner:innen kurz abgelenkt waren.

Verständlichkeit der Fragen

Die Anzahl der Fragen schien angebracht und die Fragen waren verständlich formuliert. Der Interviewende hat zumeist die Formulierungen direkt übernommen. In einigen Interviews kam es zu Verwechslungen zwischen den Mitarbeiter:innen vom Jugendamt und vom Träger, die aufgeklärt werden mussten.

Zu Beginn wurde häufig erklärt, dass und wie Fragen bepunktet werden können und diese Punktvergabe möglichst begründet werden soll. Im Gesprächsverlauf wurde die Bedeutung der Punkte für die jeweiligen Fragen erläutert, sodass es selten zu Verständnisschwierigkeiten kam.

Wenn die Interviewpartner:innen um eine Rückmeldung zu ihren Punktvergaben gebeten haben, hat der Interviewende stets darauf hingewiesen, dass dies eine persönliche Punktvergabe ist und so erfolgen sollte, wie es die Betroffenen erlebt haben.

4. Stichprobe- und Hilfethemen

Die Folgen der sozialraumorientierten Hilfegestaltung wurden mehrperspektivisch erfasst, indem alle Personen, die an einem Fall beteiligt waren, gebeten wurden, an der Befragung teilzunehmen. Dafür wurde vor dem Befragungsbeginn ein dreimonatiger „Stichprobenzeitraum“ durchlaufen. Personensorgeberechtigte, deren Hilfe in diesem Zeitfenster endete, wurden vom Jugendhilfeplaner der Stadt Rosenheim kontaktiert, um sie zur Teilnahme an der Befragung einzuladen. Die Kontaktaufnahme erfolgte schriftlich. Im Anschreiben wurden auch die entlang der EU-Datenschutzgrundverordnung notwendigen Formulare beigefügt und es wurde darauf hingewiesen, einen Einkaufsgutschein erhalten zu können, wenn an der Befragung teilgenommen wird. Von 120 Personen, deren Hilfe in diesem Zeitraum endete, erklärten sich allerdings nur 20 dazu bereit an der Befragung teilzunehmen bzw. ihre Kinder an der Befragung teilnehmen zu lassen. Unter diesen 20 Personen befinden sich überwiegend weibliche sorgeberechtigte Personen. Diese lehnten sehr häufig eine Befragungsteilnahme ihrer Kinder mit der Begründung ab, diese seien entweder zu jung oder sollten nicht an die Ursachen für die Hilfegeschehnisse erinnert werden.

Wie viele sorgeberechtigte Personen und Kinder befragt wurden, kann Tabelle 1 entnommen werden:

Befragte PersonAnzahl
Elternteil: Mutter 13
Elternteil: Vater 3
Kind: Tochter 2
Kind: Sohn 1
Pflegesohn 1
Total 20

Tabelle 1: Befragte Personen 

Dreizehn der befragten Personen erhielten eine Hilfe im Leistungsbereich und sieben im Gefährdungsbereich. Unter den 20 befragten Personen befinden sich sechs, die jeweils zu zweit in einer familiären Verbindung zueinanderstehen. Bis auf einen befragten Vater (vgl. TK_01[1]), der eine Hilfe im Freiwilligenbereich erhielt, schilderten alle Befragten das jeweilige Thema der Hilfe:

5. Befragungsergebnisse

Die Befragungsergebnisse werden entlang der folgenden Themenbereiche des Mixed-Methods-Interviewleitfadens dargestellt: Erfahrungen mit Hilfebeginn, Erfahrungen mit dem Hilfeverlauf und Erfahrungen mit der Hilfebeendigung.

Die Punktevergaben werden grafisch dargestellt. Anschließend werden sie von uns durch ähnliche Antworten, die mehrere Personen unabhängig voneinander gegeben haben (nachfolgend: Antwortmuster) und durch Aussagen, die nur von einzelnen oder wenigen Adressat:innen getroffen wurden (nachfolgend: Einzelaussagen), ausführlicher illustriert.

5.1 Erfahrungen mit dem Hilfebeginn

Wenn die Befragten angegeben haben, ihre Hilfe habe sich im Freiwilligenbereich bewegt, dann wurden sie gefragt, inwieweit[2] eigene Ideen in die Hilfegestaltung eingeflossen sind. Die Punktevergaben, die die Befragten vorgenommen haben[3], lassen sich Abbildung 3 entnehmen.

Berücksichtigung der Ideen der Adressat:innen für die Hilfegestaltung

Abbildung 3: Berücksichtigung der Ideen der Adressat:innen für die Hilfegestaltung (eigene Darstellung)

Danach wurden sie gebeten, ihre Punktevergabe zu kommentieren und zu erörtern.

Bei der Vergabe von sieben, acht oder neun Punkten sind dabei folgende Antwortmuster erkennbar. Sowohl personensorgeberechtigte Personen als auch Kinder und Jugendliche gaben an, die Fachkräfte hätten ihre Ideen angehört und sie bei der Hilfegestaltung berücksichtigt. Diese Befragten gaben unabhängig voneinander an, dass sie ihre Ideen einbringen konnten, aber auch offen für die Ideen der Fachkräfte gewesen sind, weil sie sich durch diese Ideen nicht bevormundet fühlten:

„I hob eigentlich nie das Gfuil hobt, dass I irgendwie bevormundet san oder irgendwos: Und ich fand es logisch, dass mir nicht gesagt wurde, wie ich die Erziehungsarbeit leisten kann und ich nicht erwarten kann, das Jugendamt muss jetzt das mache, sondern erst muss ich als Eltern mal schaun. Und wenn die selber Ideen hatten, wor es eigentlich immer, immer das mer Eltern gfrogt wordn san, ob mer damit einverstanden san. (…).“ (TK_16: 2; vgl. auch: TK_03: 1; TK_14: 1; TK_17: 1; TK_18: 1; TK_02: 1).

Ein weiteres Antwortmuster betrifft die konsensorientierte Haltung fallzuständiger Fachkräfte. Dazu als Beispiel der Kommentar eines Vaters, dessen Hilfe sich um die Auflösung seiner Ehe drehte:

„Ich hatte immer den Eindruck, es es war äh es ging es war immer a gute äh äh <gut-> weil ich sag mal die die die Nachfragen waren natürlich immer auf Basis von von Konfliktpotenzial oder Konflikten da, das heißt im Endeffekt wars immer letztendlich ein guter Kompromiss (…).“ (TK_12: 1; vgl. auch: TK_13: 1; TK_15).

Bei einer Verortung im mittleren Punktbereich gab es folgende Einzelantwort.Von einem anderen Vater, der sich ebenfalls im Scheidungsprozess befand, wurde diese konsensorientierte positiv erlebt, wenngleich er aufgrund der vermittelnden Haltung der Fachkraft nur sechs Punkte vergeben konnte:

IP: Ich hatte den Eindruck, dass das eigentlich immer sehr fair für beide Seiten waren so gesehen würde ich da irgendwo was in der Mitte suchen, das heißt, jeder jede jede Interessensgruppe, sprich ich und und auch meine Ex-Frau, konnten sich sich denk ich einigermaßen ähnlich einbringen. Da würd ich sagen wir mal ne sechs nehmen.

I: Mhm mhm. Also des hoaßt und für Sie selbst gesprochen, wie wie stark ham Sie erlebt, dass des Jugendamt zulässt in der Hilfegestaltung ihre Ideen einzufließen?

IP: Joa da ist ne sechs auch gut.

Bei den Kommentaren zur Vergabe von einem Punkt, zwei oder drei Punkten sind folgende Einzelaussagen aufgetaucht. Unter den Personen, die einen Punkt, zwei oder drei Punkte vergeben haben, befindet sich:

„Hot so Meinungsverschiedenheiten gegeben, do hot ma irgendwas do net gepasst. Ich hab a Nachbarin gehabt (…) sie hat aufm Jugendamt angerufen und gegen meine Seite gearbeitet.“ (TK_13: 2 f.).

„(…) irgendwie alles eher im Hintergrund war und ich auch sehr selten die Chance hatte, mit meiner Sachbearbeiterin zu reden, beziehungsweise mir einfach vorkam, dass sie auch überhaupt kein Interesse daran hat, sich darum zu kümmern.“ (TK_06: 1).

Adressat:innen, die ihre Hilfe dem Gefährdungsbereich zuordneten, wurden gebeten, die Verständlichkeit der beauftragten Ziele mit Punkten zu beurteilen[4]. Aus Abbildung 4 geht hervor, welche Punkte die Befragten vergeben haben.

Verständlichkeit der Auflagen 

Abbildung 4: Verständlichkeit der Auflagen

Antwortmuster bei der Vergabe von sieben, acht oder neun Punkten

Im hohen Punktbereich schilderten mehrere Personen unabhängig voneinander, dass die Auflagen für sie verständlich gewesen waren. Die fallzuständigen Fachkräfte haben außerdem angeboten, unverständliche Auflagen neu zu formulieren:

IP: Die Frau N. hat a gsagt ghabt zu mir, dass wenn irgendwas unverständlich ist, na dann ändert sie das so oft, also dass das holt olle verstehen im Endeffekt. Also das war echt super. (TK_08: 2; vgl. auch: TK_11: 1; TK_10: 2; TK_20: 3).

Im mittleren Punktbereich befindet sich eine Mutter, deren Hilfe sich um Sorgerechts-streitigkeiten drehte. Sie wurde zwar an der Formulierung der Auflagen beteiligt, hat sie aber als nicht fachlich fundiert wahrgenommen:

„Wobei diese Auflagen dann sehr schwammig formuliert waren. Also da ähm hat die fachliche Weiterbearbeitung gefehlt und damit ähm waren die Auflagen nachher vielleicht vier Punkte wert.“ (TK_07: 1)

Im unteren Punktbereich befindet sich die Bewertung einer Mutter, die mit ihrem Kind aufgrund von Ehestreitigkeiten in ein Frauenhaus gezogen ist. Sie konnte nicht nachvollziehen, weshalb nur ihr, nicht aber ihrem Ex-Mann Auflagen erteilt worden seien:

„Äh Auflagen erteilt, die ich eigentlich eingehalten hab, wie sie es wollten, aber mein Ex-Mann nicht. Statt ihn da irgendwie unter die Fittiche zu nehmen, haben sie mich dann noch mehr belastet. Viel mehr. (TK_10: 2)

5.2 Erfahrungen zum Hilfeverlauf

Haben sich die Adressat:innen dem Freiwilligenbereich zugeordnet, wurde auch deren Grad der empfundenen Beteiligung bei der Zielumsetzung erfragt. Sie konnten Bewertungen von einem Punkt, wenn die Ziele nur von der Fachkraft erreicht wurden, bis zu neun Punkten, wenn die Ziele alleine erreicht wurden, vergeben. Die Punktevergaben der Befragten sind in Abbildung 5 visualisiert.

Beteiligung bei der Umsetzung der Hilfeplanziele im Freiwilligenbereich

Abbildung 5: Beteiligung bei der Umsetzung der Hilfeplanziele im Freiwilligenbereich

Als Antwortmuster bei der Vergabe von sieben, acht oder neun Punkten zeigt sich, dass die Zielumsetzung sowohl von minderjährigen als auch von sorgeberechtigten Personen als ausgeglichene Teamarbeit wahrgenommen wurde.

Eine minderjährige Person, die zeitweilig in einer Psychiatrie untergebracht wurde, beschreibt dies folgendermaßen:

„Ja also ähm ich glaub wir haben so ziemlich ausgeglichen daran gearbeitet, also irgendwie beide, ich musste mich schon sehr anstrengen, aber am Ende haben beide dazu beigetragen.“ (TK_02: 3)

Ihre Mutter beschrieb die Umsetzung der Hilfeplanziele als Teamarbeit:

„Wir haben eine Teamarbeit gehabt.“ (TK_03: 2, vgl. auch: TK_12: 2; TK_13: 2; TK_14: 3; TK_17: 2; TK_15: 3)

Bei den Kommentaren von Personen, die vier, fünf oder sechs Punkte vergeben haben, handelt es sich um Einzelaussagen:

„(…) wie hieß das immer mit den – die Hilfevereinbarung? – Ne, das musste bis zum Jahresschluss oder Jahresabschluss dann irgendwie entweder erreicht sein und dann bespricht man das nochmal und dann hat man neue Zielsetzungen. Das war glaub ich so vorgeschrieben. Und das war schon eher gut, aber ja, man hatte halt den Zettel dann selber nicht zur Hand. Also das wurde dann irgendwann wieder ausgelegt und dass die Betreuer das eher für sich machen.“ (TK_06: 2)

„Also dann tat ich sagen fünf weil, wenn ich es allein erreicht hätte, dann hätte ich ja keine Hilfe gebraucht. Und also, und wenns net wenn I gor net beteiligt war, wenn es nur die Fachkräfte erreicht hätten. Also ich tat sagen fünfe, weil die Ideen sind von den Fachkräften gekommen und wir Eltern haben es natürlich umgesetzt.“ (TK_16: 3)

Personen, die angaben, ihre Hilfe habe sich im Gefährdungsbereich bewegt, wurden gefragt, wie sehr sie hinter den Aufträgen bzw. Auflagen standen. Sie konnten von einem Punkt, wenn sie nicht hinter den Aufträgen bzw. Auflagen standen, bis zu neun Punkten, wenn sie den Sinn der Aufträge bzw. Auflagen vollumfänglich geteilt haben, vergeben. In Abbildung 6 kann die Punkteverteilung der Befragten entnommen werden.

Befürwortung der Auflagen

Abbildung 6: Befürwortung der Auflagen

In den Kommentaren zur Vergabe von sieben, acht oder neun Punkten findet sich ein Antwortmuster, das anhand der Angaben einer Mutter veranschaulicht wird:

„Weil I eigentlich nach den Aufträgen und Auflagen die I kriegt hob eigentlich immer meine Kinder erzogen habe. Bis auf den Tod von meinem Vater vor vier Johren, hats die Fiaße bisschen unterm Boden wegzogen. Und dann war ich nimmer I selber. Und ja hom dadurch leider Gottes meine Kinder gelitten und ähm ja das Jugendamt hat ma im Endeffekt gholfe wieder die Olde zu werden. Sogen wir’s einmal so.“ (TK_08: 3)

Wie für dieser Mutter waren die Auflagen auch für drei weitere sorgeberechtigte Personen nachvollziehbar. Entsprechend ihrer Logik haben sie auch ihre Kinder erzogen, bis sie in eine Lebenskrise geraten sind (vgl. auch: TK_11: 2; TK_10: 2; TK_20: 4).

Im mittleren Punktbereich befindet sich eine Mutter, deren Hilfe sich um Sorgerechts-streitigkeiten drehte. Sie hat die Auflagen als widersprüchlich beschrieben, sodass es zu Missverständnissen gekommen sei:

„Das hat nur ne fünf, weil’s dann, glaub ich, nicht zielgerichtet und genau genug formuliert war und auch widersprüchlich. Also es gab Sachen, die standen zwei Sätze vor so drin und im dritten Satz stand eigentlich das Gegenteil drin. Ähm das hieß immer: ,Ja, auch der Grund, weil es jetzt schnell gehen musste.‘ Und weil wir hinten dran waren. Oder weil wir schon zwei Stunden geredet haben. Ähm. [Mhm]. Ja. Es hat einfach alles ständig immer wieder zu Missverständnissen geführt (…).“ (TK_07: 4)

Anschließend wurde die Zusammenarbeit mit den fallzuständigen Fachkräften des Jugendamts fokussiert. Die Befragten konnten einen Punkt, wenn sie überhaupt nicht mit der Zusammenarbeit zufrieden gewesen sind bis zu neun Punkte, wenn die Zusammenarbeit aus ihrer Sicht nicht hätte besser verlaufen können, vergeben. Aus Abbildung 7 geht die Punktverteilung der Befragten hervor.

Zusammenarbeit mit fallzuständigen Fachkräften

Abbildung 7: Zusammenarbeit mit fallzuständigen Fachkräften

In den Kommentaren zur Vergabe von sieben, acht oder neun Punkten findet sich ein Antwortmuster. Mehrere Befragte schilderten unabhängig voneinander, eine lösungsorientierte Zusammenarbeit und empathische Haltung der Fachkräfte erlebt zu haben, wie eine Mutter, die eine Hilfe im Gefährdungsbereich aufgrund von Auseinandersetzungen mit ihrem Ex-Partner erhielt:

„Das war eine sehr nette und war auch recht menschlich, muss ich sagen. Also die hat halt nicht nur ihre Arbeit gesehen, sondern halt auch das Menschliche. Sie hat immer versucht halt auch ne gute Lösung zu finden für jeden.“ (TK_11: 6; vgl. auch: TK_12: 5; TK_13: 5; TK_14: 6; TK_15: 5; TK_02: 5; TK_18: 4)

Drüber hinaus thematisierten mehrere Befragte, dass Gespräche auch in ihrem heimischen Haushalt stattgefunden haben und sie aus unterschiedlichen Hilfeideen auswählen konnten:

„Frau x ist hier nach Hause gekommen, sie immer hat für uns gezeigt Möglichkeit für die Verbesserung. Und ähm, sie hatte viele Ideen, was zu tun.“ (TK_03: 6; vgl. auch: TK_19: 5)

Die von den Fachkräften vermittelten Hilfeideen und Ratschläge wurden von mehreren Befragten als alltagskompatibel beschrieben, wie von einer Mutter, deren Hilfe im Gefährdungsbereich aufgrund einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit ihrem Kind eingeleitet wurde:

„Wenn ich mit meinen Kiddies nit weiter käm hat mir die zuständige Dame immer gleich einen Rat gegeben. Ich wurde immer verstanden und sie hat immer ihre Blickwinkel auch gesagt.“ (TK_08: 5 f.; vgl. auch: TK_20: 6)

Bei den Kommentaren zur Vergabe von vier, fünf oder sechs Punkten handelt es sich um Einzelaussagen.

„Da wollt I wirklich sagen, die kriegen von mir neun Punkte, aber einfach dies die Systematik, die so dahintersteckt mit dieser Falleingabe und nomal und nomal und nomal also do bin I net zufrieden. Das geht mir oft einmal a bissl flexibler sei ohne so a Riesenaufwand. Es habe ein Jahr gedauert bis die Schulbegleitung genehmigt worden sei.“ (TK_16: 6)

Während der Genehmigungszeit habe es keine Betreuungsmöglichkeit für ihr Kind an der Schule gegeben. Die Schulsozialarbeit habe sich nur punktuell um ihr Kind kümmern können. Auch bei Konflikten mit Lehrkräften habe die Schulsozialarbeit nicht helfen können. Am Klassenklima habe in der Genehmigungszeit ebenfalls nicht solide gearbeitet werden können.

Bei den Kommentaren der Befragten, die eins, zwei oder drei Punkte vergeben haben, handelt es sich um Einzelaussagen:

„Sie hat das einfach ganz schnell bearbeitet und gesagt: Is halt so, wie es is und das find ich einfach unmenschlich." (TK_06: 6)

„Also die haben halt immer den Papa sozusagen unterstützt. Haben nur ihn Sachen gefragt, was jetzt ähm Sache ist. Also uns haben sie sehr wenig gefragt, aber den Papa sehr viel. Haben ihn auch unterstützt." (TK_09: 4)

Die Mutter des Kindes berichtete, alles getan zu haben, um das Sorgerecht für ihr Kind zu behalten. Trotzdem habe sie die Sinnhaftigkeit mancher Auflage nicht verstanden, wie etwa das Anzünden einer Kerze, um den Appetit ihres Kindes zu fördern. Sie empfand die Fachkraft des Jugendamtes als nicht kompetent. Die Zusammenarbeit sei für die Befragten nicht zufriedenstellend verlaufen, weil nur ihr Auflagen erteilt worden wären, aber nicht ihrem Ex-Mann. Ihr Ex-Mann habe beispielsweise kein Gutachten zu seiner Erziehungskompetenz anfertigen lassen müssen. Dies führte die Befragte darauf zurück, dass die Mitarbeitenden des Jugendamtes Angst vor der Aggressivität ihres Ex-Mannes gehabt hätten (vgl. TK_10: 6).

Auch die Zusammenarbeit mit falldurchführenden Fachkräften wurde thematisiert. Die Befragten konnten von einem Punkt, wenn sie mit der Zusammenarbeit überhaupt nicht zufrieden waren, bis zu neun Punkten, wenn die Zusammenarbeit aus ihrer Sicht hätte nicht besser verlaufen können, vergeben. Aus Abbildung 8 geht hervor, welche Punkte vergeben wurden.

Zusammenarbeit mit falldurchführenden Fachkräften

Abbildung 8: Zusammenarbeit mit falldurchführenden Fachkräften

In den Kommentaren der Personen, die sieben, acht oder neun Punkte vergeben haben, finden sich zwei Antwortmuster. Das erste betrifft das Aktivierungsprinzip sozialraumorientierter Sozialer Arbeit. Mehrere Befragte hoben hervor, zeitlich-flexibel mit alltagskompatiblen Hilfestellungen und Tipps Hilfe zur Selbsthilfe erhalten zu haben, ohne auf sich selbst zurückgeworfen zu werden. Dazu ein Beispiel:

„Ehm, wenn ich Probleme am Wochenende gekriegt habe, wo ich gesagt habe: ‚Ich weiß nicht was, wie ich die lösen soll oder was ich machen soll.‘ Dann hab ich sie meistens in der Früh dann angerufen, montags, und hab ihr dann so acht, neun Probleme vor die Nase hingeschmissen telefonisch. (…) Und bis Mittag hab ich sie dann wieder angerufen und hab gesagt gehabt: ‚Ich hab das und das selber noch lösen können, aber an den und den Fällen häng ich nochmal.‘ Meinte Sie okay: ‚Diese hab ich hier lösen können oder hab Ideen für dich.‘ Und dann haben wir deshalb halt gemeinsam umgesetzt. Von daher wir haben immer ein offenes Ohr gehabt.“ (TK_20: 3; vgl. auch: TK_08: 4 f; TK_05: 4; TK_04: 2).

Am zweiten Antwortmuster lässt sich erkennen, wie relevant vertrauensbasierte Arbeitsbündnisse sind und wie sie sich entwickeln lassen. Einerseits waren mehrere sorgeberechtigte Personen zufrieden mit der Zusammenarbeit, weil die falldurchführenden Fachkräfte sowohl ihre Bedürfnisse als auch die ihres Kindes beachtet haben:

„Also man muss immer beide Seiten holt sehn. Und da hat er gut gemacht. So in der Lernphasen von meim Bubn ähm, wo mer des gestalten konn, wegen Hilfe für meim Bubn zum Beispiel. (…) Also der hat erst mal aufgschrieben, was wir brauchen und, ob er gern mal Basteln tun oder molen tut oder sowas so nebenbei. Aber er hat auch akzeptiert, dass ich des von der Uhrzeit nicht schaffe, dass mit dem Bubn zu machen. Da hat er dann proktisch den Kinderhort vorgeschlagen. Also bis bis 17 Uhr ist der Bub da jetzt immer und dann kann ich ihn abholen.“ (TK_13: 3f.; vgl. auch: TK_02: 4; TK_03: 3).

Andererseits berichteten mehrere Personen von einer empathischen, konstruktiven und wertschätzenden Haltung der falldurchführenden Fachkräfte, mit der diese dazu beigetragen haben, dass sich ein vertrauensbasiertes Arbeitsbündnis entwickelt hat:

„Weil ich habe da Gespräch gehabt, bei denen ich mich wirklich habe öffnen können, weil ich den vertraut habe. Und das fällt mir nicht leicht, fremden zu vertrauen, aber da ist es mir leicht gefallen. Mit denen habe ich mich echt gut verstanden.“ (TK_18: 3; vgl. auch: TK_19: 2; TK_16: 4 f.; TK_17: 3; TK_15: 4)

Bei den Kommentaren der Personen, die vier, fünf oder sechs Punkte vergeben haben, handelt es sich um Einzelaussagen:

„Damals hab ich sehr gute Hilfe bekommen, da hatte ich eine Betreuerin, die war im Büro, das war damals die Frau X. Und ich hatte eine Betreuerin oder mehrere Betreuerinnen eben in dieser Jugend-WG. Aber im Büro, die haben mir dann wirklich gesagt, was halt meine Chancen sind, auch dass ich auch jederzeit ausziehen kann von dort und in der Jugend-WG hat man mir gesagt: Ne, ich kann nicht ausziehen. Und die haben auch ganz viel so hinterm Rücken geredet, aber vorne rum ganz nett. Ja und das lief dann so. Eigentlich als ich dann aussteigen wollte, als ich dann gesagt hab: ,Okay, ich krieg jetzt mein eigenes Leben in die Hand, genau, zahl mir jetzt alles selber.‘, dann haben sie mich einfach im Stich gelassen. Also da haben die einfach gesagt, heute ist unser letztes Gespräch und meine Wohnung wollten sie mir auch wegnehmen. Also, da bin ich ehrlich gesagt nicht, echt, da bin ich so enttäuscht von dieser Jugendhilfe.“ (TK_06: 5)

„Unsere Helferin war eine junge Dame, die selber keine Familie hat. Das muss jetzt nichts heißen. Ich glaub, ihr hat aber auch die Erfahrung gefehlt, uns taktische Hilfe mitzugeben. Die Gespräche waren eigentlich eher Treffen, wo ausgetauscht wurde: ,Wie läuft’s. Was machen Sie, was machen Sie nicht. Wie geht’s dem Kind‘. Es war eher so was wie von meiner Seite auch ein Berichten. Ähm. Jemanden der selber, mh ja, sehr gefordert war mit der Situation. Und auch als es dann zum Schluss darum ging, eben nen Abschluss zu finden zu dieser Hilfe und ein Protokoll. Als ich ein Protokoll fürs Gericht angefragt hab, damit auch klar wird, wie ist unsere Belastung, wie hat sie das empfunden, wurde auch dieses Protokoll verweigert. Also ich finde es, ich fand das alles sehr unprofessionell.“ (TK_07: 4)

Auch die Kommentare der Befragten, die einen Punkt, zwei oder drei Punkte vergeben haben, sind Einzelaussagen:

„Es war halt mal gut und mal weniger gut. Also von dem her, wo es halt echt hätte notwendig sein müssen, um uns alle aufzufangen, nachdem ich von der Polizei erfahren hab, dass mein Mann tot aufgefunden worden ist, da war ja wirklich gar keiner da außer meiner Freundin. Als [Und] da hat dann [der Träger, M.N.] dann so wirklich extrem versagt in derer Hinsicht. (TK_11: 3 f.)

Eine Mutter, deren Hilfe sich um Konflikte zwischen ihrem Kind und den Lehrer:innen ihres Kindes drehte, war nicht zufrieden mit der Zusammenarbeit, weil sie die wichtigsten Herausforderungen allein stemmen musste (vgl. TK_014: 3 f.).

5.3 Erfahrungen mit der Hilfebeendigung

Alle Adressat:innen wurden gefragt, ob sich ihre Lebenssituation durch die Hilfe verbessert hat. Sie konnten Bewertungen von einem Punkt, wenn es zu keiner Verbesserung gekommen ist bis zu neun Punkten vergeben, wenn sich ihre Lebenssituation nicht weiter hätte verbessern können. Aus Abbildung 9 geht hervor, welche Punkte die Befragten vergeben haben.

Zustand nach der Hilfe

 Abbildung 9: Zustand nach der Hilfe

In den Kommentaren von Personen, die sieben, acht oder neun Punkte vergeben haben, finden sich drei Antwortmuster. Die Befragten haben sieben, acht oder neun Punkte vergeben, wenn:

„und wir haben zuhause viel gelernt. Wie kann man mit einem Teenager arbeiten.“ (TK_03: 7 f.; vgl. auch: TK_14: 6; TK_04: 3; TK_20: 7; TK_08: 7; TK_11: 6 f.; TK_13: 5)

„Durch das Jugendamt habe ich die Schule gewechselt, habe meinen Abschluss machen können und bin zu der Firma gekommen, zu der ich immer hin wollte. Das war mein Traumberuf und das habe ich erreicht.“ (TK_18: 4; vgl. auch TK_19: 3 f.; TK_16: 7; TK_17: 7; TK_02: 6)

Die Nachfragen waren natürlich immer auf Basis von Konfliktpotenzial oder Konflikten, aber im Endeffekt war es immer letztendlich ein guter Kompromiss.“ (TK_12: 5; vgl. auch: TK_15: 5; TK_05: 6 f.)

Eine Person, die in einer Jugend-WG lebte, hat fünf Punkte vergeben. Den Beginn der Unterbringung hat sie als unterstützend erlebt. Dann hat sie jedoch menschliche Nähe vermisst: und oftmals wurde uns auch gesagt: ,Ja wir sind kein Familienersatz’.“ Die Person gibt an, die Mitarbeitenden des Jugendamts und des Trägers hätten keine emotionale Hilfe geleistet, sondern Vertrauensverhältnisse vorrangig für pädagogische Zwecke aufgebaut:

„Die haben das so genutzt: Ja, ähm ich habe von der jetzt das und das rausgefunden, anstatt, das mal für sich zu behalten und zu versuchen, mal mit dem Kind zu reden und dem zu helfen und das nicht zum eigenen Nutzen irgendwie aufzuschreiben.“ (TK_06: 7)

Bei den Kommentaren der Personen, die einen Punkt, zwei oder drei Punkte vergeben haben, handelt es sich um Einzelaussagen. Im unteren Punktbereich befinden sich:

6. Zusammenfassung

In dieser Studie konnten die Erfahrungswerte von 20 Adressat:innen (13 im Leistungsbereich, sieben im Gefährdungsbereich) erhoben werden, die Angebote einer sozialräumlich orientierten Kinder- und Jugendhilfe in der Stadt Rosenheim erhalten haben. Differenziert nach drei Hilfephasen zeigen sich zusammenfassend die folgenden Ergebnisse.

In Bezug auf den Hilfebeginn empfanden es die Befragte es als hilfreich, wenn:

Als weniger hilfreich wurde es am Hilfebeginn von den Befragten erlebt, wenn:

In Bezug auf den Hilfeverlauf haben die Befragten diesen positiv erlebt, wenn:

Als weniger hilfreich wurde der Hilfeverlauf erlebt, wenn:

In Bezug auf die Hilfebeendigung beurteilten die Befragten ihre Situation nach der Hilfe positiv, wenn:

Weniger positiv beurteilten die Befragten ihre Situation nach der Hilfe, wenn:

7. Ausblick

Zu den Befragungsergebnissen ist einschränkend zu sagen, dass die geringe Stichprobe von 20 Personen kaum verallgemeinerbare Schlussfolgerungen für die Fach- und Führungskräfte in Rosenheim oder in anderen sozialraumorientierten Kinder- und Jugendhilfesystemen zulässt. Dennoch enthalten die 20 Interviews interessante Hinweise und Denkanstöße für die sozialraumorientierte Gestaltung erzieherischer Hilfen in Rosenheim.

Im Sinne der Folgenforschung (vgl. Einleitung und Dollinger et al. 2017, 9) hat das Wissenschaftsteam die Befragungsergebnisse jedoch nicht bewertet, um Denkanstöße für die Fach- und Führungskräfte in Rosenheim vor zu formulieren. Stattdessen wurden die Studienergebnisse im Rahmen eines Workshops mit Fach- und Führungskräften der Rosenheimer Sozialraumteams diskutiert, um sie dabei zu unterstützen, selbständig Rückschlüsse für die sozialraumorientierte Hilfsgestaltung zu ziehen.

Ein Rückschluss bestand beispielsweise darin, den Ressourcenaufbau im Hilfeverlauf verstärkt in den Blick zu nehmen. Ausschlaggebend war, ein Ergebnis der Befragung, dass offensichtlich Maßnahmen im Bereich der fallunspezifischen Arbeit, nicht oder nur unzureichend als mögliche Ressource während, oder an eine Hilfe anschließend, wahrgenommen werden.

Abschließend wurde beim Workshop diskutiert, wie künftig noch mehr Menschen erreicht werden können. Es wird aktuell geprüft, inwiefern eine Befragung im unmittelbaren Anschluss an eine Hilfe realisiert werden kann.

Literatur

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Dollinger, Bernd/Weinbach, Hanna/Coelen, Thomas/Munsch, Chantal/Rohrmann, Albrecht (2017): Implikationen der Erforschung von Folgen sozialer Hilfen. In: Weinbach, Hanna/Coeln, Thomas/Dollinger, Bernd/Munsch, Chantal/Rohrmann, Albrecht (Hrsg.) (2017): Folgen sozialer Hilfen. Theoretische und empirische Zugänge. Weinheim: Beltz Juventa.

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Hojnik, Silvia/Kölbl, Max/Noack, Michael/Painsi, Gudrun (2023a): »Die haben uns schon ziemlich viele Ideen gegeben, wie wir Dinge besser machen können. Aber umgesetzt haben wir es halt immer.« Dritte Adressat*innenbefragung in der Grazer Kinder- und Jugendhilfe. (Teil 1). In: Blätter der Wohlfahrtspflege, 1/2023, 27–30.

Hojnik, Silvia/Kölbl, Max/Noack, Michael/Painsi, Gudrun (2023b): »Die haben uns schon ziemlich viele Ideen gegeben, wie wir Dinge besser machen können. Aber umgesetzt haben wir es halt immer.« Dritte Adressat*innenbefragung in der Grazer Kinder- und Jugendhilfe. (Teil 2). In: Blätter der Wohlfahrtspflege, 2/2023 (im Erscheinen).

Hojnik, Silvia/Kölbl, Max/Noack, Michael/Painsi, Gudrun (2022): „Im Großen und Ganzen war ich sehr positiv überrascht“. Befragung ehemaliger Adressat*innen der sozialraumorientierten Hilfegestaltung in der Grazer Kinder- und Jugendhilfe. In: Soziale Arbeit in Österreich, 4/2022, 46–51.

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Richardt, Vincent (2017): Zukunft durch Ziele. Evaluation in sozialräumlichen Erziehungshilfen. In: Noack, Michael (Hrsg.): Empirie der Sozialraumorientierung. Weinheim: Juventa, 23 –97.

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Stadt Rosenheim(2019): Sozialraumorientierte Jugendhilfe. Im Internet: https://www.rosenheim.de/stadt-buerger/jugend-familie-soziales/jugendhilfe/sozialraumorientierung.html (letzter Zugriff: 26.07.2019)

Thiesen, Andreas (Hrsg.) (2018): Flexible Sozialräume. Der Fall im Feld der Frühen Hilfen. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.


Fußnoten

[1] Um die Befragungen anonymisiert auswerten und zitieren zu können, wurden sie folgendermaßen etikettiert: TK = Transkript, 01 = erste befragte Person.

[2] 1 = Sie wurden überhaupt nicht nach den Ideen gefragt bis 9 = stärker hätten die eigenen Ideen nicht berücksichtigt werden können.

[3] Für Kinder und Jugendliche wurde ein separater Leitfaden mit altersgerechten Fragen entwickelt, die inhaltlich jedoch den Fragen entsprechen, die auch den Erwachsenen gestellt wurden. Beide Leitfäden könne bei den Autoren angefragt werden.

[4] Die Punktevergabe ging von 1 = keines der beauftragten Ziele wurde verstanden bis 9 = alle beauftragten Ziele waren klar und verständlich.


Zitiervorschlag

Höfer, Stephan und Michael Noack (2023): „Ich find’s cool, dass die da solche Auswertungen machen. Weil man kann’s ohne Feedback ja nicht wissen, was man gut macht und was nicht.“. In: sozialraum.de (14) Ausgabe 1/2023. URL: https://www.sozialraum.de/ich-finds-cool-dass-die-da-solche-auswertungen-machen.php, Datum des Zugriffs: 20.04.2024