Die reflexive Community-Triade
Zur Neukonzeption der Gemeinwesenarbeit als Community-Arbeit
Elias Brandenberg, Peter Streckeisen
1. Einleitung
Totgesagte leben länger. Nachdem die Gemeinwesenarbeit (GWA) in der 1970er Jahren eine Hochblüte erlebt hatte, wurde sie in den darauffolgenden Jahrzehnten zunehmend als überholt betrachtet und durch die aufkommende Sozialraumorientierung marginalisiert (Oehler/Drilling 2013; Schubert 2012; Stövesand/Stoik 2013). Doch wie bspw. der Forschungsbericht von Fehren et al. (2023) zeigt, beziehen sich im deutschsprachigen Raum nach wie vor zahlreiche Einrichtungen und Professionelle auf Konzepte der GWA. Die GWA ist keineswegs tot, und die Sozialraumorientierung ist ihrerseits in die Kritik geraten (Fritsche et al. 2010; Kessl/Reutlinger 2013).
Vor dem Hintergrund schlagen wir vor, die durch Jean Jaak Boulet, Ernst Jürgen Krauss und Dieter Oelschlägel (1980) eingeführte Dreiteilung der GWA in eine territoriale, kategoriale und funktionale Ausrichtung zum Ausgangspunkt für eine Neukonzeption der GWA als Community-Arbeit zu nehmen. Im Geiste von Herbert Schuberts (2011; 2012) Kritik an der fehlenden konzeptuellen Weiterentwicklung der GWA angesichts gesellschaftlicher und politischer Transformationen laden wir dazu ein, sozial- und kulturwissenschaftlichen Theorien zur Konstruktion von Räumen, Problemen und Gruppen als Grundlage der Community-Arbeit zu verstehen. Diese Neukonzeption erscheint uns umso dringlicher, als kritische Zeitdiagnosen darauf hinweisen, dass neoliberale und neokonservative Spielarten des Kapitalismus seit den 2000er Jahren kollektive Identitäten, soziale Beziehungen oder lokale Solidaritäten für ihre Zwecke nutzen (Dyk/Haubner 2021; Hall 2021; Lessenich 2015; Rose 2000) – also genau die jene Ressourcen, auf welche die GWA sich seit jeher stützt.
Unser Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Das zweite Kapitel bietet eine kurze Darstellung zur GWA im deutschsprachigen Raum, in dessen Rahmen wir die unzureichende Auseinandersetzung mit der sozialen Konstruktion ihres Gegenstandes als Schwachpunkt identifizieren. Die Kapitel 3, 4 und 5 folgen der oben genannten Dreiteilung und stellen theoretische Bezüge vor, auf deren Grundlage die Community-Arbeit sich reflexiv mit der Konstruktion von Räumen, Problemen und Gruppen auseinandersetzen kann. Zum Schluss fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammen. Es zeigt sich insbesondere, dass die Konstruktion in vielen Fällen eine Dekonstruktion vorgegebener Räume, Probleme oder Gruppen erfordert: Das Doing Community ist in vielerlei Hinsicht auch eine Praxis des Undoing dominanter Klassifikationen und Repräsentationen. [1]
2. Von GWA zu Doing Community
Sabine Stövesand (2016; 2019), Dieter Oelschlägel (2017) und weitere Autor:innen haben die Geschichte der GWA ausführlich aufgearbeitet. Ursprünge der GWA finden sich sowohl im angelsächsischen als auch im deutschsprachigen Raum. So wird bspw. die aus England (Toynbee Hall in London) und den USA (Hull House in Chicago) stammende Settlement-Bewegung als eine Vorläuferin der GWA genannt (Oehler/Drilling 2013). Diese aus dem Bildungsbürgertum hervorgehende Bewegung setzte sich für eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den vor allem durch Zuwanderung aus Europa rasch wachsenden Städten ein, indem sie nachbarschaftliche Treff- und Bildungszentren etablierte. Ebenso lassen sich Ursprünge der GWA in der politischen Stadtteilarbeit und Nachbarschaftshäusern im Deutschland der 1920er- und 1930er-Jahre finden, welche u. a. durch die Kommunistische Partei organisiert wurden und eine Form von Widerstand gegen den aufkommenden Nationalsozialismus darstellten (Oelschlägel 2006).
Besonders prominent ist der englischsprachige Begriff des Community Organizing, mit welchem sich zwei Hauptströmungen der GWA verbinden lassen (Stövesand 2019). Der Begriff wurde einerseits ab den 1930er-Jahren durch den amerikanischen Bürgerrechtler und Basisdemokraten Saul Alinsky (1971) geprägt, welcher durch die Förderung der Selbstorganisierung von Armutsbetroffenen und Arbeiter:innen das Ziel des Aufbaus einer Gegenmacht gegen die herrschenden Machtverhältnisse verfolgte. Diese Strömung wurde als «revolutionäres Community Organizing» und später auch als «konfliktorientierte», «aggressive» oder «transformative» GWA bezeichnet und folgte häufig einer marxistischen Klassenanalyse (Schubert 2012). Anderseits veröffentlichte der kanadische Soziologe Murray G. Ross (1967) in den 19050er-Jahren «Community Organizing: Theory and Principles», und begründete damit eine Tradition, die später als «harmonische» oder «integrative» GWA bezeichnet wurde, welche vielmehr die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts zum Ziel hatte (Stövesand 2019). Community Organizing wurde im deutschsprachigen Raum schliesslich mit dem Begriff der Gemeinwesenarbeit übersetzt. [2]
Ausgehend von diesen Strömungen fand im deutschsprachigen Raum eine Weiterentwicklung und Debatte über das Verständnis von GWA statt. Während sich die GWA in den 1960er-Jahren als «dritte Methode des Sozialen Arbeit» etablierte, die sich nicht primär mit Individuen oder Gruppen, sondern mit Gemeinwesen befasst (Stövesand 2019; Stövesand/Stoik 2013), wurde sie von den marxistisch geprägten Boulet et al. (1980) als übergeordnetes Arbeitsprinzip verstanden, welches für die gesamte Soziale Arbeit Gültigkeit hat (Troxler 2013). In diesem Rahmen schlugen sie eine Unterteilung in drei Ausrichtungen mit eigenen Handlungsweisen vor (Holubec 2005): territoriale GWA (Fokus auf politisch-ökologische Räume wie Stadtteile), funktionale GWA (Fokus auf Probleme im Kontext sozialer Funktionssysteme wie Wohnen, Arbeit oder Bildung) und kategoriale GWA (Fokus auf spezifische Personengruppen wie Jugendliche, Senior:innen oder Migrant:innen). Obschon die marxistische GWA-Tradition in den 1980er- und 1990er-Jahre an Bedeutung verlor (Schubert 2012; Stövesand 2019), wird bei der Gegenstandsbestimmung der GWA noch heute oft Bezug auf diese Dreiteilung genommen (bspw. Fehren et al. 2023; Kessl/Reutlinger 2013).
Nach der Hochphase in den 1970er-Jahren geriet die GWA zunehmend in die Kritik (Oehler/Drilling 2013). Einerseits halte sie an überholten Prinzipien wie dem Klassenantagonismus fest und übersehe den gesellschaftlichen Wandel, andererseits werde sie zunehmend als eine Art «Spezialeinsatzkommando» in «Problemquartieren» betrachtet (Schubert 2012). Die GWA wurde wiederholt als überholt oder gar tot bezeichnet – auch wenn dies in vielen Ländern nicht der Realität entsprach (Stövesand/Stoik 2013). Spätestens seit den 1990er- und 2000er-Jahren lässt sich im deutschsprachigen Raum eine Ablösung der GWA durch neue Konzepte und Praktiken wie die Sozialraumorientierung oder das Quartiermanagement beobachten (Stövesand 2019).
Mit der Zeit geriet aber auch die Sozialraumorientierung in die Kritik. Neben der uneinheitlichen und teils widersprüchlichen Verwendung des Sozialraumbegriffs wurde vor allem eine Vereinnahmung der Sozialraumorientierung durch neoliberale Steuerungslogiken kritisiert (Kessl et al. 2006). Sozialräumliches Quartiermanagement als Bestandteil städtebaulicher Programme (siehe das bundesdeutsche Programm «Soziale Stadt» oder die «Projets Urbains» in der Schweiz) sowie Sozialraumbudgets dienen der effizienteren Steuerung sozialer Dienste. Sozialräumlich arbeitende Fachpersonen und Organisationen befinden sich dadurch in einem Spannungsfeld zwischen einer subjektzentrierten Perspektive und den institutionell festgelegten Territorien, in denen sie aktiv sein sollen (Reutlinger 2010). Diese «Territorialisierung des Sozialen» (Stövesand 2016) führt oft zu einer problematischen Homogenisierung von Stadtquartieren (Fritsche et al. 2010; Kessl/Reutlinger 2013) sowie zum Fehlschluss, den Sozialraum als Ursache für soziale Probleme zu begreifen (Kessl et al. 2006). Die Kritik an einer angepassten und unzureichend kritisch reflektierten Sozialraumorientierung führte ab den 2010er-Jahren schliesslich zu einem wiedergefundenen Interesse an der GWA (Kessl/Reutlinger 2013; Oehler/Drilling 2013), welche «nicht im herkömmlichen sozial-planerischen Sinn von oben» (Bitzan 2016, 373), sondern von den Menschen in Gemeinwesen oder Communitys ausgeht – auch wenn sie nicht vor den genannten Instrumentalisierungsrisiken gefeit ist (Stövesand 2016).
Angesichts des neuen Interesses an der GWA sowie der Kritik an der Sozialraumorientierung ist aus unserer Sicht die Zeit reif für eine Neukonzeption der GWA als reflexive Community-Arbeit. Im Zentrum dieser Neukonzeption steht die Erkenntnis, dass die professionelle Praxis ihren Gegenstand – seien es Räume, Probleme oder Gruppen – nicht mehr als gegeben betrachten darf. Vielmehr muss sie sich mit der Frage auseinandersetzen, wie dieser Gegenstand durch Praktiken verschiedener Akteur:innen und Institutionen konstituiert wird, und welche Ziele sie sich als professionelle Praxis des Doing Community in dieser Hinsicht setzt. Fehlt diese kritische Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, läuft Community-Arbeit (genauso wie traditionelle GWA oder Sozialraumorientierung) Gefahr, politisch instrumentalisiert zu werden sowie soziale Ungleichheiten oder Ausschlüsse zu reproduzieren.
Wir folgen Fabian Kessl und Christian Reutlinger (2007; 2013), die mit Bezug auf Raum betonen, dass die in einem Sozialraum agierenden Fachpersonen stets an der Reproduktion oder Veränderung von Ungleichheiten und Machtverhältnissen beteiligt sind. Daraus leiten sie die Notwendigkeit einer reflexiven räumlichen Haltung in der Sozialraumarbeit ab. Eine analoge kritisch-reflexive Auseinandersetzung ist auch mit Bezug auf die funktionale und die kategoriale GWA erforderlich. Kritik und Reflexivität werden aber nicht zum Selbstzweck geleistet, sondern als Voraussetzung für eine professionelle Praxis, welche die Kunst beherrscht, Prozesse der Konstruktion von Räumen, Problemen und Gruppen mitzugestalten und zu unterstützen. Anknüpfend an die klassische Dreiteilung von Boulet et al. (1980) bestimmten wir die Aufgabe der Community-Arbeit deshalb nicht über einen Gegenstand, sondern als Intervention in soziale Prozesse. Community-Arbeit beruht auf einer reflexiven Haltung und ist zugleich konkrete Praxis des Community-Machens in Zusammenarbeit mit Menschen aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen und zivilgesellschaftlichen Organisationen:
- Community wird gemacht durch die Konstruktion gemeinsamer Räume, die Menschen nutzen und sich aneignen (Doing Space).
- Community wird gemacht durch die Konstruktion gemeinsamer Ziele im Rahmen von politischen und zivilgesellschaftlichen Aktivitäten (Doing Problems).
- Community wird gemacht durch die Konstruktion gemeinsamer Identitäten, welche Solidarität und Zugehörigkeit stiften (Doing Groups).
Community-Arbeit zielt darauf, solche Konstruktionsprozesse von Räumen, Gruppen oder Problemen mitzugestalten und zu unterstützen. Sie setzt sich mit administrativen Klassifikationen, gesellschaftlichen Kategorien und sozialen Ungleichheiten auseinander, die sich auf Doing Community auswirken können. Der reflexive Ansatz dient den Professionellen als Grundlage, um sich der Prämissen ihres Handelns zu vergewissern und ihr Vorgehen fachlich zu begründen. In der Folge stellen wir ausgewählte Theoriebezüge vor, auf die sich Community-Arbeit stützen kann.
3. (Un)Doing Space
Die oben kritisierte Orientierung an institutionell festgelegten und als gegeben betrachteten Territorien in der Community-Arbeit (bspw. durch die Festlegung «sozialer Brennpunkte») knüpft an ein überholtes Raumverständnis an. Caroline Fritsche, Eva Lingg und Christian Reutlinger (2010) bezeichnen dies in ihrer «Einführung zu raumwissenschaftlichen Basics» als absolutistisches Raumverständnis. Dieser Zugang war lange Zeit auch in den Sozialwissenschaften verbreitet und zeichnet sich durch ein deterministisches Verständnis von Räumen als naturgegebenen Behälter aus, welche unabhängig von sozialen Prozessen bestehen und beliebig mit Inhalten gefüllt werden können. Dem diametral gegenüber steht das relativistische Raumverständnis, das entlang einer konstruktivistischen Erkenntnistheorie davon ausgeht, dass Raum ausschliesslich Ergebnis sozialer Beziehungen und Interaktionen ist. Ein leerer Raum existiert nach dieser Betrachtung gar nicht und gegebene (bspw. gebaute) Strukturen stehen nicht im Vordergrund.
Schon zu Beginn und insbesondere im Laufe des 20. Jahrhunderts kritisierten verschiedene Autor:innen das deterministische Denkmodell von abgrenzbaren Zonen und Territorien (bspw. Durkheim, Simmel, Arendt, Habermann, Elias, Goffman oder Giddens). Ab den 1970er-Jahren wird schliesslich von den «Aufbruchjahren» v.a. in Frankreich (Löw/Sturm 2019) und ersten Ansätzen eines dritten Zugangs gesprochen: das relationalen Raumverständnis, versteht sich als Überwindung der Opposition von absolutistischem und relativistischem Raumverständnis.. Zentral sind die Ausführungen des marxistischen Soziologen Henri Lefebvre (1974), bei welchem erste Spuren eines relationalen Raumverständnisses auftauchen. Ausgehend von einer Kritik an kapitalistischen Machtstrukturen versteht er Raum als ein Produkt sozialen Handelns und unterscheidet zwischen drei sich gegenseitig beeinflussenden Dimensionen: dem physisch-materiellen «Raum der Wahrnehmung», dem abstrakten, durch Planer:innen konstruierten und verwalteten «Raum der Konzeption» sowie dem durch soziale Praktiken entstehenden und von individuellen sowie kollektiven Erfahrungen geprägten «erlebten Raum». Zentral ist dabei, dass Raum nicht neutral, sondern immer von gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen geprägt ist.
Im Zuge des so genannten «Spatial Turns» in den Sozialwissenschaften und einer Überwindung der «Raumblindheit» in den 1990er-Jahren, wurde Lefebvres Theorie breit rezipiert und das relationale Raumverständnis, nach welchem soziale Praxen weiterhin als wesentlich betrachtet werden, aber auch strukturelle Aspekte Berücksichtigung finden, setzte sich schliesslich durch (Fritsche et al. 2010; May/Alisch 2013; Rolshoven 2012). Heute wird Raum in den Sozialwissenschaften beinahe unumstritten nicht länger naturgegeben und unveränderbar betrachtet, sondern als sozial produziert, aber auch durch die Gesellschaft strukturiert und sie strukturierend betrachtet (Löw/Sturm 2019). Besonders das Raumverständnis nach Martina Löw (2001) setzt hier an. Aufbauend auf Lefebvre (1974) erkennt sie die Entstehung von Räumen im Wechselspiel zwischen sozialem Handeln und gesellschaftlichen Strukturen – dem gebauten Raum sowie staatlichen und privaten Regulationen, aber auch durch gesellschaftliche Bedeutungszuschreibungen entstehende Machtverhältnisse (vgl. auch Rolshoven 2012). Sie versteht Raum als «(An)Ordnung von Lebewesen und sozialen Gütern an Orten». Entlang sozialer Praxen wie Aneignung, Umnutzung, Verhandlung und (Neu-)Gestaltung betont sie weiter die prozesshafte Veränderbarkeit von Räumen.
Ein weiterer Aspekt, welcher bei der sozialen Produktion von Raum in den letzten Jahrzenten zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Nutzung und Konstitution virtueller (digitaler) Räume. Virtuelle Räume stellen heute – je nach Personen- und Altersgruppen – neben physischen Räumen fundamentale Bestandteile subjektiver Realitäten dar (Burgstaller/Heil 2020). Mobile Geräte dienen als Schnittstelle zwischen virtuellen und physischen Räumen, wobei ein ständiges Wechseln oder vielmehr eine Gleichzeitigkeit der Nutzung, Erfahrung und Platzierung in den beiden Sphären stattfindet (Koberg 2024). Annkathrin Schwerthelm (2021) und andere Autor:innen sprechen deshalb von einer «Verschränkung» virtueller und physischer Räume. Aufbauend auf einem relationalen Raumverständnis muss davon ausgegangen werden, dass auch in virtuellen Räumen genannten wechselseitige Konstitution von sozialem Handeln und gegebenen Strukturen (und damit auch Machtstrukturen, Ein- und Ausschlussmechanismen etc.) zum Tragen kommen. Eine gleichwertige Anerkennung der gelebten Realitäten in virtuellen Räumen – bzw. in der genannten Verschränkung – ist in einer zeitgemässen sozialräumlichen Community-Arbeit unerlässlich. Ein Anspruch, welcher in der Praxis bisher oft noch nicht erfüllt wird (Brock et al. 2024).
Wenn wir also von einem relationalen Raumverständnis ausgehen, muss eine sozialräumliche Community-Arbeit institutionell festgelegte zu bearbeitende Territorien und Gebiete, bestehende Strukturen sowie die, eigene (Re-)Produktion derselben kritisch reflektieren (Kessl/Reutlinger 2007; 2013). Sozialräume sind keine neutralen Interventionsräume, sondern auch immer Ausdruck gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Ansonsten greift die bereits eingangs formulierte Kritik an der Sozialraumorientierung: Die unkritische Übernahme von administrativen territorialen Einheiten (vgl. May/Alisch 2013; Reutlinger 2010) und die Fokussierung auf rein räumliche Lösungen bergen die Gefahr, strukturelle Ursachen sozialer Probleme auszublenden (Kessl et al. 2006). Neben der genannten Territorialisierung des Sozialen durch gesetzte Verwaltungsgebiete (bspw. Staats-, Stadt- und Quartiergrenzen) sowie der Auf-/Abwertungen von Gebieten durch Repräsentationen und homogenisierende Zuschreibungen (bspw. «Problemviertel») ist dabei insbesondere die ungleiche Verteilung von Ressourcen zur Raumaneignung in der Bevölkerung entscheidend. Kessl und Reutlinger (2007; 2013) fordern deshalb eine «reflexiv räumliche Haltung» in der von ihnen (in Abgrenzung zur Sozialraumorientierung) als «Sozialraumarbeit» bezeichnenden professionellen Tätigkeit. Die Arbeit sollte sich demnach nicht mehr primär auf festgelegte Gebiete beziehen, sondern ihren Fokus auf spezifische veränderbare Orte (bspw. öffentliche Plätze, an denen bspw. das «Betteln» verboten ist) legen und soziale Praxen (bspw. die polizeilichen Kontrollen oder administrative Regulierungen), die diesen Raum prägen, ins Zentrum stellen [3].
Dennoch ist es eine Realität, dass sozialräumlich arbeitende Organisationen und Fachpersonen nicht um den Bezug auf bestimmte Gebiete und Territorien herumkommen – ja, diese sogar benötigen. Ein Bezugsgebiet gibt der sozialräumlichen Arbeit einen Rahmen, doch v. a. ist die Legitimation von Fachstellen der Stadtteilarbeit, des Quartiermanagements, der aufsuchenden Kinder- und Jugendarbeit, der GWA oder eben der sozialräumlichen Community-Arbeit im Normalfall politisch an als zu bearbeitenden Stadtteilen, Quartieren oder Sozialräumen (im Sinne von Verwaltungseinheiten) gebunden (Kessl/Reutlinger 2007; 2013). Eine reflexiv räumliche Haltung verlangt daher neben der kritischen Reflexion der eigenen Rolle auch eine systematische sozialräumliche Kontextualisierung und eine damit verbundene politische Positionierung zu Raumordnungen sowie den damit einhergehenden Stigmatisierungen und Benachteiligungen – Grundprinzipien, die im Einklang stehen mit der oben genannten Tradition der transformativen GWA.
4. (Un)Doing Problems
Die professionelle Community-Arbeit bewegt sich in Praxisfeldern, denen Politik und Gesellschaft spezifische Probleme und entsprechende Aufgaben zuweisen: Armut soll bekämpft werden, Jugendliche sollen eine Ausbildung absolvieren und sinnvollen Freizeitbeschäftigungen nachgehen, Quartiere sollen belebt werden, Menschen mit Behinderungen sollen selbstbestimmt leben, Menschen mit Migrationshintergrund sollen sich in die Gesellschaft integrieren und Alle sollen Sport treiben und sich gesund ernähren. Doch die Erfahrungen und Anliegen der Menschen, die zu den Zielgruppen entsprechender Angebote gerechnet werden, dienen kaum jemals als Grundlage der dominanten Problemkonstruktionen, und auch die Expertise der Professionellen fliesst meistens wenig in vorherrschende Repräsentationen zu sozialen Problemen ein. Nicht selten entstehen Protestbewegungen oder Solidaritätsnetzwerke denn auch zunächst einmal als Kritik an der vorherrschenden Politik mit ihren Begriffen und Lösungsansätzen. Sollen Prozesse des Doing Community angestossen, unterstützt oder begleitet werden, die sich auf die Artikulation geteilter Problemwahrnehmungen und gemeinsamer Ziele richten, ist eine kritische Auseinandersetzung mit den vorherrschenden Problemkonstruktionen unerlässlich. Professionelle Community-Arbeit übernimmt nicht unbedacht Problemdefinitionen gesellschaftlicher Funktionssysteme (wie das Bildungswesen, das Gesundheitssystem, der Arbeitsmarkt, das Sozialwesen oder die Psychiatrie u. a.), sondern übt sich in der praktischen Kunst, Menschen bei der Artikulation eigener Problemwahrnehmungen sowie der Selbstorganisation zur Erreichung gemeinsamer Ziele zu unterstützen.
Die soziologische Forschung (Albrecht/Groenemeyer 2012; Groenemeyer 2010; Peters 2022) zeigt, dass soziale Probleme nicht als (mehr oder weniger) objektive Abbildungen bestimmter Sachverhalte zu betrachten sind. Vielmehr entstehen sie durch die Problematisierungsarbeit unterschiedlicher Akteur:innen aus Politik, Wissenschaft oder Medien. Manchmal spielen auch soziale Bewegungen eine zentrale Rolle, bspw. die feministische Bewegung bei der Thematisierung von häuslicher Gewalt oder Geschlechterungleichheiten. Mit Michael Schetsche (2014, 69) lassen sich die jeweiligen «Karrieren» von Problemen analysieren: Um die oberste Stufe der Problemkarriere zu erreichen, muss ein soziales Problem durch den Staat anerkannt werden und die Politik Massnahmen ergreifen und finanzieren. Gemäss Schetsches (2014, 50) «Kokon-Modell» führt dieser Prozess oftmals dazu, dass eine vorherrschende Sichtweise auf das Problem nicht mehr hinterfragt wird und der eigentliche Sachverhalt hinter dieser dominanten Problem(lösungs)definition verschwindet: Alle einflussreichen Akteur:innen in Politik und Öffentlichkeit (sowie ein breites interessiertes oder besorgtes Publikum) glauben Bescheid zu wissen, wie dieses Problem gelöst werden kann, ohne sich ernsthaft damit auseinandersetzen zu brauchen.
Will die Community-Arbeit also bspw. das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher geografischer Herkunft oder kultureller Zugehörigkeit fördern, erfordert dies eine kritische Auseinandersetzung mit Vorgaben und Zielen, welche durch die staatliche Politik und das professionelle Hilfesystem gesetzt werden (siehe für die Schweiz: Piñeiro et al. 2023). Sie kommt nicht daran vorbei, wie Hartmut M. Griese et al. (2002) die Frage stellen: «Was ist eigentlich das Problem am Ausländerproblem?» Dieses Problem wird von einflussreichen Akteur:innen in zwei unterschiedlichen Varianten verstanden: Entweder «machen» diese «Ausländer» dem zu Folge Probleme, oder sie «haben» Probleme (ebd., 35). Während erstgenannte Position darauf zielt, Einwanderung zu begrenzen oder Zugewanderte loszuwerden, meint es zweitgenannte Position gut und möchte helfen. Aber auch diese wohlmeinende Position bleibt hinter dem Selbstverständnis politischer Bewegungen zurück, welche die Unterteilung der Menschen in «Inländer» und «Ausländer» kritisieren und sich für ein postmigrantisches Selbstverständnis gegenwärtiger Gesellschaften einsetzen (Foroutan 2019; Hill/Y?ld?z 2018). Die Auseinandersetzung mit diesen unterschiedlichen (oder gegensätzlichen) Problemkonstruktionen und Zielformulierungen ist für die Community-Arbeit nicht nur eine theoretische, sondern vor allem auch eine praktische Aufgabe, die in der konkreten Zusammenarbeit mit anderen Fachpersonen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Angehörigen unterschiedlicher sozialer Gruppen zu leisten ist.
Neben der Soziologie der sozialen Probleme bieten auch Diskurs- und Dispositivanalysen (Bührmann/Schneider 2008) eine hilfreiche Grundlage für auf Doing Problems ausgerichtete Community Arbeit. So zeigt etwa der Sammelband von Ulrich Bröckling et al. (2004) auf, wie sich die Bedeutungen zentraler Begriffe der Sozialen Arbeit im Übergang zum Neoliberalismus verändert haben. Begriffe wie Partizipation, Integration oder Empowerment haben Eingang in Management- und Regierungsdiskurse gefunden, so dass die Akteur:innen aus politischen Bewegungen oder sozialen Professionen, die sie lange Zeit affirmativ propagierten, die Bedeutungshoheit darüber verloren haben. Dasselbe gilt für den Begriff der Aktivierung, der durch die Sozialpädagogik des frühen 20. Jahrhunderts geprägt wurde, heute im Fachdiskurs allerdings kritisch (oder zumindest ambivalent) diskutiert wird (Dollinger/Raithel 2006). Selbst im Feld der Behindertenpolitik, in dem die Ratifizierung der UNO-Behindertenrechtskonvention durch beinahe alle Regierungen scheinbar für klare Verhältnisse in Bezug auf die politischen Ziele sorgt, zeigen sich bei genauerem Hinsehen Widersprüche und Ambivalenzen. So stellen bspw. Christoph Tschanz und Emilie Rosenstein (2024) am Beispiel der Schweiz sowie Angela Wegscheider und Matthias Forstner (2024) mit Blick auf Österreich heraus, wie im Namen von Inklusion und Selbstbestimmung mitunter der Zugang zu Rechten und Leistungen für Personen mit Behinderungen eingeschränkt wird. Selbst in diesem Bereich kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die verschiedenen Akteur:innen sich tatsächlich für dasselbe Ziel einsetzen, wenn sie für Inklusion eintreten, oder dass Personen mit Behinderungen sich nichts mehr wünschen, als das Idealbild eines selbstbestimmten Lebens zu verwirklichen, das heute in Politik, Fachdiskurs oder Medien gezeichnet wird.
Community-Arbeit zielt darauf, Menschen in die Konstruktion von Problemen und Zielen im Kontext ihrer Lebenswelten zu involvieren. Vor dem Hintergrund ist die Berücksichtigung sozialer Ungleichheiten von zentraler Bedeutung, weil Zugänge zu politischen und zivilgesellschaftlichen Engagements wesentlich durch die ungleiche Verteilung ökonomischer, kultureller und sozialer Ressourcen determiniert sind. Bereits Pierre Bourdieu (1993) hat auf den ausschliessenden Charakter des vorherrschenden Politikverständnisses hingewiesen, das sich bspw. bei der Konzeption und Auswertung von Meinungsumfragen äussert. Doch nicht nur im Bereich der formalen politischen Partizipation, sondern auch bei bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Engagements in Vereinen und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen zeigen die einschlägigen Erhebungen immer wieder grosse Unterschiede entlang von Bildung, sozialem Status oder Nationalität. Allerdings hinterfragt Chantal Munsch (2005) die verbreitete Annahme, Menschen mit tiefen Einkommen und ohne höhere Bildungstitel engagierten sich allgemein weniger oder leisteten geringere Beiträge zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. In ihren Augen schliesst die vorherrschende, an gängigen Mittelstandsnormen und liberalen Demokratiekonzepten orientierte Vorstellung von Engagement den Blick auf die vielfältigen Praktiken aus, durch die Angehörige unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen Beiträge zum Zusammenleben oder zu sozialen Bewegungen leisten. Sie zeichnet darüber hinaus auf der Grundlage einer ethnografischen Untersuchung zur Organisation eines Stadtteilfests nach, wie die Dominanz solcher Normen die Ausgrenzung von Personen mit tieferem Sozialstatus aus den bürgerschaftlichen Initiativen befördern kann (Munsch 2011).
Vor diesem Hintergrund ist für die Praxis des Doing Problems entscheidend, nicht nur mit den allseits anerkannten Partizipationsformaten liberaler Demokratien zu arbeiten, sondern die ganze Bandbreite und Vielfalt der möglichen Formen von Engagement zu berücksichtigen. Dazu gehört neben der Förderung und Wertschätzung des oftmals wenig sichtbaren informellen Engagements (Jepkens/Rießen 2024) insbesondere auch die Bereitschaft, jene Formen der «Partizipation ohne Einladung» (Müller/Munsch 2021, 97) als solche zu erkennen (und anzuerkennen), die durch Personen gewählt werden, die sich durch die üblichen Formate nicht angesprochen oder ausgeschlossen fühlen: Solche Formen des Engagements werden durch Institutionen und Fachpersonen mitunter vorschnell als Widerstand oder Verweigerung abgetan. Wie die Forschung zeigt, setzt formelles wie informelles Engagement sowohl lebensweltliche als auch biografischen Passungen voraus (Jakob 2018; Munsch 2005; 2011): Menschen engagieren sich nachhaltig und mit Überzeugung, wenn sie einen Rahmen vorfinden (oder gestalten können), der anschlussfähig an ihre Lebenswelt ist, und wenn sie Ziele verfolgen können, die vor dem Hintergrund ihrer Biografie Sinn machen. Diese Lebenswelten und Biografien sind denn auch der Stoff, aus dem sich das Doing Problems nährt, wenn Probleme und Ziele nicht durch Expert:innen oder Politiker:innen definiert werden, sondern aus Prozessen des Doing Community hervorgehen. Um diesen Stoff zur vollen Entfaltung bringen zu können, setzt sich Community-Arbeit mit jenen Schwellen auseinander, die dem Zugang zu Engagement im Wege stehen, und versucht diese abzubauen. Der Vierte Engagementbericht des Deutschen Bundestags (2024, 138–200) beschreibt diese Schwellen ausführlich. Sie bestehen nicht nur aus fehlenden finanziellen, materiellen oder zeitlichen Ressourcen, sondern umfassen auch sprachliche und kulturelle Dimensionen (bspw. herabwürdigende Ansprache oder fehlende Anerkennung von Diversität).
5. (Un)Doings Groups
Nichts scheint natürlicher zu sein, als Menschen in Gruppen einzuteilen. Im Alltag sprechen wir über Männer und Frauen, Alte und Junge, Arme und Reiche, Italiener:innen und Deutsche oder Menschen mit oder ohne Behinderungen. Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass entsprechende Unterscheidungen von Allen verstanden werden. Bei einigen dieser geläufigen Gruppen handelt es sich direkt um Adressat:innen spezifischer Programme oder Institutionen: Dies gilt etwa für Schüler:innen, Patient:innen und Rentner:innen, die es ohne Schulen, Gesundheitseinrichtungen und Sozialversicherungen nicht geben würde. Allgemeiner gesagt stützt sich die Existenz sozialer Gruppen in vielen Fällen auf soziale Institutionen, rechtliche Begriffe und staatliche Kategorien. So sind etwa Geschlechtsidentitäten und Staatszugehörigkeiten in zahlreichen Ländern ebenso gesetzlich geregelt wie Alterskategorien, Religionszugehörigkeiten oder Aufenthaltsrechte. In den üblichen Unterscheidungen der Alltagssprache lassen sich dem zu Folge Spuren dessen erkennen, was Bourdieu (2014, 17) als «Staatsdenken» bezeichnet: Wie keine andere gesellschaftliche Instanz besitzt der Staat die Fähigkeit, Kategorien festzulegen, Menschen entsprechend einzuteilen und vor allem sie dazu anzuhalten, sich diesen Kategorien entsprechend zu verhalten.
Die professionelle Community-Arbeit kann nicht darauf verzichten, sich bewusst mit solchen Gruppenzugehörigkeiten auseinanderzusetzen. Gerade wenn sie mit Menschen arbeitet, die zu den Zielgruppen (sozial-)staatlicher Programme zählen, muss sie stets berücksichtigen, dass die Konstruktion sozialer Probleme jeweils auch eine Konstruktion «gefährlicher Gruppen» (Negnal 2019; 2020) mit sich bringt, die das Problem gemäss vorherrschender Sichtweise als eigentliche Problemgruppen «personifizieren» (Negnal 2019; 2020). Entsprechend sind Zielgruppenbegriffe wie Armutsbetroffene, Arbeitslose, Bildungsferne oder Geflüchtete nicht neutral, sondern mit Zuschreibungen und Abwertungen verbunden, welche die soziale (und mitunter auch die persönliche) Identität der betroffenen Personen beeinträchtigen (ATD Vierte Welt 2023; Barankow/Baron 2022; Goffman 2024). Insbesondere werden Menschen durch die Zuordnung zur Zielgruppe zu Fällen für professionelle Hilfe oder Intervention gemacht, wodurch ihre Fähigkeit zu autonomem Handeln und Entscheiden eingeschränkt wird (Aghamiri et al. 2018; Hall et al. 2007; Nadai 2012). Gerade an solchen Abwertungen und Einschränkungen kann sich aber auch Widerstand und Solidarität entzünden, bspw. indem Kategorien umgedeutet oder Zuschreibungen parodiert werden. So zeigt Stefan Wellgraf (2013. 53f.) auf, wie Schüler:innen einer «stigmatisierten Schule» die Zuschreibung, «dumm zu sein», durchaus strategisch einsetzen, um sich gegen Abwertungen und schulische Zumutungen zu verteidigen. Auch Anne Waldschmidt (2005, 11) erinnert daran, dass Menschen mit Behinderungen sich einst unter dem Begriff «Krüppelgruppe» (oder Krüppelbewegung) zusammenschlossen, um für ihre Rechte einzustehen.
Die Auseinandersetzung mit Gruppenkonstruktionen und entsprechenden Zuschreibungen ist allerdings nicht nur bei sozialpolitischen Zielgruppen erforderlich. In unseren postmigrantischen Gesellschaften der Gegenwart (Foroutan 2019; Hill/Y?ld?z 2018) finden zum Beispiel laufend Auseinandersetzungen um kulturelle Vielfalt, Identitäten und Zugehörigkeiten statt, in denen sich die professionelle Community-Arbeit zurechtfinden und positionieren können muss. Stuart Hall (2021) stellt heraus, dass Identitäten heute in zunehmendem Ausmass als plural oder hybrid (sowie stets in Veränderung) begriffen werden. Die Figur der Diaspora verkörpert für ihn nicht nur ein Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Identitäten auf Grund von Migrationserfahrungen, sondern auch neuartige Möglichkeiten der Verbindung, der Befruchtung und der Übersetzung. Zugleich wird kulturelle Identität in der Politik strategisch eingesetzt, mitunter durch Rückgriff auf traditionelle Identitätskonzepte, die auf Spaltung und Hierarchisierung von Bevölkerungsgruppen zielen. So setzt Rogers Brubaker (2007) sich kritisch mit dem «ethnischen Gruppismus» auseinander, der Menschen in ethnische Gruppen unterteilt. Am Beispiel der Balkankriege der 1990er Jahre zeigt er auf, wie verschiedene politische Akteur:innen Ethnizität als strategische Ressource einsetzten, um diese Kriege als ethnische Konflikte darzustellen. Wie alle Gruppen sind ethnische Gruppen das Ergebnis sozialer Konstruktionsprozesse. Nur wenn sich Ethnizität als vorherrschende Sicht auf die Welt durchsetzt, werden Menschen in entsprechende Kategorien eingeordnet bzw. ordnen sich selbst den ethnischen Kategorien zu (Brubaker et al. 2004). Herrscht diese Perspektive in der Sozialpolitik vor, findet eine «Ethnisierung sozialer Probleme» statt (Streckeisen 2023), zum Beispiel wenn Gesetzesverstösse als sogenannenten «Ausländerkriminalität» problematisiert oder migrantische Stadtviertel als soziale Brennpunkte beschrieben werden.
Brubakers Charakterisierung von Ethnizität als spezifischer Sichtweise erinnert an Bourdieus (1997, 124) Analyse der Kämpfe um die «legitime Weltsicht und ihre Teilungen», die den jeweils vorherrschenden Bildern der Gesellschaft und der Gruppen, aus denen sie besteht, zu Grunde liegt. Die Frage, ob es soziale Klassen gibt und ob die westlichen Gesellschaften Klassengesellschaften sind, beschäftigte die Intellektuellen in den 1970er Jahren wohl genauso virulent, wie sich die heutige Generation mit Identitätspolitik auseinandersetzt. Bourdieu (ebd.) beantwortete diese Frage nicht direkt, sondern erläuterte, wie soziale Klassen entstehen. Natürlich lassen sich gestützt auf statistische Daten zu Einkommen und Bildung Klassenunterschiede aufzeigen und Grenzen zwischen sozialen Klassen zeichnen. Dies sind jedoch nur «theoretische Klassen» oder «Klassen auf dem Papier» (ebd., 113). Ohne eine politische Arbeit der «Klassenherstellung» (ebd., 117) lassen sich soziale Klassen nicht zum Leben erwecken. «In den Köpfen» gibt es sie nur, wenn es gelingt, zahlreiche Menschen als Angehörige dieser Klassen anzusprechen und sie dazu zu bewegen, sich für gemeinsame Interessen einzusetzen. Es gibt aber keine Gewähr dafür, dass sich Menschen, nur weil ihre soziale Position den Kriterien der theoretischen Klassen entspricht, als Angehörige dieser Klassen wahrnehmen oder diese Klassenzugehörigkeit für wichtig halten. Mitunter zielt die politische Arbeit darauf, etwas in ihren Köpfen zu bewegen und hervorzubringen, was in der marxistischen Tradition als Klassenbewusstsein bezeichnet wird. Genauso wird eine Person, die sich als Frau versteht, nicht selbstverständlich zur Feministin. Wäre dies der Fall, hätte es nicht Jahrzehnte politischer Mobilisierung gebraucht, um Geschlechterungleichheiten in Frage zu stellen.
Bei Bourdieus (1997) Aufsatz «Wie eine soziale Klasse entsteht» handelt es sich auch um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Marxismus. Dieser Aspekt ist hier insbesondere relevant, weil die GWA in Deutschland wie eingangs erwähnt durch marxistische Einflüsse geprägt war. Wie andere Vertreter:innen der neuen Linken nach 1968 kritisierte Bourdieu den orthodox-marxistischen Klassenrealismus und betonte, dass sozialen Klassen nicht gegeben sind, sondern gemacht werden. Ein ähnliches Argument hatte Edward P. Thompson (1987) mit seiner historischen Studie zur «Entstehung der englischen Arbeiterklasse» vertreten. Einen Schritt weiter gingen Ernesto Laclau und Chantal Mouffe (1991) mit ihrem Buch «Hegemonie und radikale Demokratie», in dem sie erläuterten, dass es problematisch ist, einer sozialen Klasse (oder einer anderen sozialen Gruppe) objektive Interessen zuzuschreiben und von fehlendem (oder falschem) Klassenbewusstsein zu sprechen, wenn die Angehörigen dieser Klasse diese Interessen nicht als ihre eigenen wahrnehmen. Interessen sind nicht objektiv gegeben, sondern emergent: Sie werden von Menschen in spezifischen Lebenssituationen artikuliert und lassen sich nicht direkt aus ihrer sozialen Position ableiten. Laclau und Mouffe (ebd.) entwickelten eine Theorie der Artikulation, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie verschiedene Bewegungen, die je spezifische Interessen artikulieren, miteinander verbunden werden können.
Die Auseinandersetzung mit der marxistischen Klassentheorie zeigt, wie problematisch es sein kann, wenn eine Person oder Organisation im Namen einer Gruppe spricht und beansprucht, deren Interessen und Grenzen zu definieren. Diese Problematik ist bei Gruppenbildungen immer bedeutsam – ganz unabhängig davon, um welche Gruppe es sich handelt. So wurde zum Beispiel der Anspruch westlicher Feminist:innen, im Namen aller Frauen zu sprechen, durch Autorinnen des globalen Südens herausgefordert (Beck 2021; Mohanty et al. 1991). Das Konzept der Intersektionalität (Crenshaw 1989; Lutz et al. 2013) fordert entsprechend dazu auf, verschiedene Diskriminierungen in ihrer Verschränkung zu betrachten und jenen Personen Gehör zu schenken, die in mehrfacher Hinsicht benachteiligt werden. Auch die Entwicklung queerer Bewegungen (Laufenberg/Trott 2023) fordert frühere Konzepte und Herangehensweisen der Frauenbewegung heraus. Akronyme wie LGBTIQA+ oder FLINTA+ bringen unterschiedliche Strategien zum Ausdruck, verschiedene Gruppen diskriminierter Menschen anzusprechen und deren Interessen zu verbinden. Durch das F in FLINTA+ werden bspw. alle Personen mit weiblicher Geschlechtsidentität als Benachteiligte angesprochen – aber ganz anders als in früheren Frauenbewegungen.
Laut Nancy Fraser (2003) lassen sich Fragen von Umverteilung und Anerkennung spätestens im heutigen Zeitalter der Identitätspolitik nicht mehr trennen. Insofern sind auch Forderungen betreffend sozioökonomische Rechte und Ressourcen stets mit Aspekten von Gruppenbildung und Zugehörigkeit verbunden und werfen Fragen in Bezug auf die Anerkennung unterschiedlicher Wertorientierungen und Lebensweisen auf. Es ist allerdings wichtig, diese Auseinandersetzungen um Identitäten und Zugehörigkeiten als Prozesse mit offenem Ausgang zu betrachten. So stellt etwa Mai-Anh Boger (2019) gestützt auf ihre Theorie der trilemmatischen Inklusion heraus, dass nicht alle Personen, die Diskriminierungserfahrungen aufweisen, als Angehörige einer benachteiligten Gruppe angesprochen werden möchten. Genauso stark kann das Anliegen sein, als Individuum wie jedes andere (oder Angehörige einer anderen Gruppe) angesprochen zu werden. Überhaupt muss die professionelle Community-Arbeit der Versuchung widerstehen, die Bildung von Gruppen an sich als etwas Positives zu betrachten, denn Communitys können sehr ausschliessend sein oder zu problematischen Zwecken missbraucht werden. Dies zeichnet bspw. Klaus Dörre (2021) nach, wenn er die exklusive Solidarität untersucht, durch die sich (mitunter gewerkschaftlich organisierte) Arbeiter:innen von einer «Unterklasse» abgrenzen. Bezogen auf die Konzepte der angelsächsischen Sozialkapitaltheorie (Westle/Gabriel 2008) kann sich die Community-Arbeit dem zu Folge je nach Situation an sehr unterschiedlichen oder sogar gegensätzlichen Zielen orientieren. Sie kann bspw. daran arbeiten, Beziehungen innerhalb einer Gruppe (bonding capital), zwischen Gruppen (bridging capital) oder zwischen einer Gruppe und öffentlichen Einrichtungen zu stärken (linking capital).
6. Fazit
«Die Profession ist ein System von Lösungen auf der Suche nach Problemen. Die Definition des Problems entsteht aus der Verwaltung der Lösung.» Mit diesen Worten zitieren Gregor Husi und Simone Villiger (2012, 24) den 2017 verstorbenen Sozialtheoretiker Zygmunt Bauman. Die Professionssoziologin Michaela Pfadenhauer (2005) formuliert dieselbe Beobachtung differenzierter: «Professionelle lassen sich demnach als Akteure verstehen, die Probleme, mit denen sie sich auseinandersetzen, so zu definieren vermögen, dass diese eben möglichst weitgehend den Lösungen entsprechen, über die sie (je professionell) verfügen» (ebd., 14). Zahlreiche Professionelle würden dieser Aussage wohl spontan widersprechen und herausstellen, dass sie jeweils massgeschneiderte Lösungen für die Probleme ihrer Adressat:innen bieten. Demnach wären die Probleme – so wie die Territorien oder Gruppen – gegeben, und die Lösungen als Antworten darauf zu entwickeln. Im Fazit dieses Artikels lassen sich mit Blick auf Community-Arbeit jedoch zwei Schlüsselerkenntnisse festhalten: Erstens sind nicht nur Lösungen, sondern auch die Probleme, Räume und Gruppen konstruiert. Und zweitens gilt es die Adressat:innen nicht erst bei der Entwicklung von Lösungen, sondern auch bei der Definition von Problemen, Räumen und Gruppen als Protagonist:innen des Doing Community einzubeziehen.
Wir haben herausgestellt, dass die Community-Arbeit gesellschaftliche Repräsentationen und staatlichen Klassifikationen hinterfragen sollte. Insofern erfordert Doing Community zunächst ein Undoing Space, Undoing Problems oder Undoing Groups: die Dekonstruktion erweist sich als notwendiger Schritt auf dem Weg zur Konstruktion. Selbstverständlich können Professionelle jedoch diese Repräsentationen und Klassifikationen nicht einfach ignorieren. Sie müssen zeigen, dass ihre Arbeit gesellschaftlichen Erwartungen gerecht wird und politischen Zielen dient, auf deren Basis sie legitimiert und finanziert wird. Aber professionelle Praxis kann ihren Ansprüchen nur dann genügen, wenn sie (sich) eine gewisse Autonomie gegenüber Staat und Gesellschaft erhält und im konkreten Fall die Probleme unterschiedlich interpretieren und die Lösungen an spezifische Herausforderungen und Möglichkeiten anpassen kann. Verzichtet sie auf diesen reflexiven wie auch praxeologischen Zugang, besteht in der Tat die Gefahr, dass Community-Arbeit nichts anderes tut als soziale Probleme an die Verwaltung der Lösung anzupassen (oder umgekehrt). Dies gilt erst recht für unsere Gegenwart, in der die vorherrschenden politischen und wirtschaftlichen Mächte die Potenziale von Community für ihre eigenen Zwecke erkannt haben (Dyk/Haubner 2021; Hall 2021; Lessenich 2015; Rose 2000).
Die professionelle Community-Arbeit kann nicht auf Territorien, Probleme oder Gruppen als Bezugsrahmen ihrer Praxis verzichten. Sie betrachtet diese jedoch nicht als Gegenstände, die einfach als Grundlage der Praxis übernommen werden, sondern als provisorische Ergebnisse sozialer Prozesse, die veränderbar sind und mitgestaltet werden können. Sie zeichnet sich durch einen aktivierenden und partizipatorischen Zugang aus. Sie arbeitet auf Augenhöhe mit ihren Adressat:innen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen als Protagonist:innen des Doing Community und verfolgt das Ziel, deren Selbstorganisation zu unterstützen. Sie hinterfragt gesellschaftliche Machtverhältnisse und versucht Schwellen beim Zugang zu Partizipation und Engagement abzubauen. Sie setzt sich kritisch-reflexiv mit ihrer eigenen Macht auseinander und widersteht der Versuchung, in Vertretung von wie auch immer als benachteiligt betrachteten Adressat:innen zu sprechen, sofern sie durch diese Personen nicht ausdrücklich mandatiert wird. Gegenüber Staat und Öffentlichkeit agiert sie als aufklärerische Instanz, die problematische Klassifikationen und Zuschreibungen thematisiert und hinterfragt. Die reflexive Community-Triade stellt für die Professionellen einen Orientierungsrahmen bereit, der drei unterschiedliche Zugänge zu Doing Community aufzeigt. In der Praxis werden diese Herangehensweisen wenn möglich kombiniert [4]. Denn zweifellos stehen die Chancen auf Abbau sozialer Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten besonders gut, wenn es gelingt, die Potenziale von (Un)Doing Space, (Un)Doing Problems und (Un)Doing Groups zu verknüpfen.
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Fußnoten
[1] Mit dem Begriffspaar Doing/Undoing greifen wir eine heute in den Sozial- und Kulturwissenschaften breit und vielfältig verwendete Terminologie auf, die ursprünglich durch West und Zimmerman (1987) sowie West und Fenstermaker (1995) geprägt wurde.
[2] Die Wahl der Übersetzung von «Community» als «Gemeinwesen» ist auf die völkisch-nationalistische Vereinnahmung des Begriffs «Gemeinschaft» während des NS-Regimes zurückzuführen. Heute ist der Begriff «Community» auch im deutschsprachigen Raum gebräuchlich (bspw. Dyk/Haubner 2021). Ebenso findet der Begriff «Community Organizing» mit Bezug auf Alinsky Verwendung (Forum Community Organizing, o.S.). Im vorliegenden Artikel verwenden wir die Begriffe «Community» und «Community-Arbeit», um zeitgemässe Begriffe zu nutzen und auch auf dieser terminologischen Ebene herauszustellen, dass wir uns zwar auf die GWA-Tradition beziehen, aber eine grundlegende Neukonzeption vorschlagen.
[3] Vgl. dazu auch das Konzept der «Sozialraumentwicklung/Sozialraumorganisation» von May und Alisch (2013), welches ebenfalls die Fixierung auf Verwaltungslogiken und die damit verbundenen Zuschreibungen in der Sozialraumorientierung kritisiert. Die Autor:innen plädieren dabei für eine stärkere Unterstützung partizipativer Prozesse, in denen Menschen ihre Sozialräume aktiv gestalten, anstatt sie nur als administrativ definierte Einheiten zu bearbeiten.
[4] Im vorliegenden Beitrag wurden sie nur aus Gründen der inhaltlichen Gliederung nacheinander vorgestellt.
Zitiervorschlag
Brandenberg, Elias und Peter Streckeisen (2025): Die reflexive Community-Triade. In: sozialraum.de (16) Ausgabe 1/2025. URL: https://www.sozialraum.de/die-reflexive-community-triade.php, Datum des Zugriffs: 19.06.2025